Ein bisschen Wikinger in Mexico
13. Februar 2022Mann, sind die Dickmann!
13. März 2022Gastbeitrag: Visa Run – Von Mexiko nach Guatemala und zurück an einem Tag
Menschen sind die einzigen Lebewesen, die sich durch Grenzen einschränken.
27. Februar 2022 - Gastbeitrag #1
- VISA RUN - VON MEXICO NACH GUATEMALA UND ZURÜCK AN EINEM TAG | geschrieben von Judith
Judith, die uns in Mexico begleitet hat, hat ein Problem: Bei der Ankunft in Mexico hat sie dem Grenzbeamten leichtfertig erzählt, dass sie "ungefähr" 2 Monate bleiben möchte. Erlaubt sind maximal 180 Tage, also 6 Monate. Was sie nicht wusste: die von ihr gemachte Angabe wird in das Forma Migratoria Múltiple (kurz FFM) eingetragen und ist dann bindend. Die zwei Monate vergingen wie im Flug. Aber einfach so verlängern kann man das Visum nicht - auch wenn man die 180 Tage nicht ausgeschöpft hat. Was tun, wenn das Aufenthaltsvisum in Mexico abgelaufen ist? Judith erzählt, wie es ihr bei ihrem Visa-Run nach Guatemala ergangen ist, um das Visum zu verlängern.
Sollte es jemandem einmal so ergehen wie mir, nämlich, dass das Visadokument weniger Tage aufweist als man in Mexiko bleiben möchte, dann empfiehlt sich ein Visa Run in eines der umliegenden Länder. Zum Stand 7. Januar 2022 war die einfachste Möglichkeit nach Guatemala zu reisen, denn nach Belize waren die Einreisebestimmungen aufgrund von COVID schon strikter und das Ganze erschien mir recht kompliziert, teuer und unsicher ob es dann auch wirklich funktioniert.
Aber jetzt erstmal langsam. Bei der Einreise, egal ob per Luft-, Land- oder Seeweg, erhält jeder Tourist eine Einreisekarte, die sogenannte FMM - Forma Migratoria Múltiple. Der freundliche und äusserst einfühlsame Beamte am Schalter fragt in ausgesprochen deutlichem Spanisch oder Spanglisch, wie lange man im Land bleiben möchte. Ich habe mir nicht viel dabei gedacht und 2 Monate angegeben, da ich davon ausging, dass ich als Europäer so oder so das Recht auf 180 Tage habe. DAS IST NICHT SO!! Also, um den Fehler generell zu vermeiden, sagt einfach ihr wollt für 180 Tage bleiben, dann habt ihr auch keinen Marathon vor euch. Und für diejenigen die - so wie ich - nach der langen Reise zu müde sind und das Hirn nur noch auf Standby läuft und weniger Tage angeben, oder, der zuvorkommende Beamte aus Lust und Laune doch weniger als 180 Tage erfasst, für euch habe ich meine Geschichte aufgeschrieben:
Tja, wie Rene im vorletzten Bericht schon geschrieben hatte: wenn man in Mexiko eine Auskunft haben möchte und man eine Person fragt, dann hat man eine Antwort bzw. eine Möglichkeit das Problem zu lösen. Fragt man 2 Personen, hat man schon 2 Möglichkeiten und fragt man 10 Personen, hat man 15 unterschiedliche Ausführungen.
Natürlich, der erste Weg eine Lösung zu finden geht über das WWW. Da sollte man doch – zumindest auf den offiziellen Seiten – zuverlässige Auskunft finden, denn schliesslich bin ich ja sicher nicht die erste Person der es so ergeht. Eine schnelle Suchanfrage bringt auch gleich ein Ergebnis des Immigrationsbüros (INM – Instituto Nacional de Migracion) in welchem steht, dass man sich zum nächstgelegen INM Büro begeben soll und dort das Papier neu ausgestellt werden kann. Gesagt, getan. Zunächst habe ich das besagte Büro in Chetumal, Quintana Roo aufgesucht (nächstgelegen zu Bacalar und Belize), doch nach über einer Stunde Wartezeit hat mir die freundliche und kompetente Dame am Schalter erklärt, dass ich ausreisen muss und dann (vielleicht) wieder einreisen kann und (vielleicht) ein neues FMM bekomme. Wie lange ich ausreisen muss und ob es via Belize geht oder nicht konnte sie mir nicht sagen. Ich wusste also genauso viel wie davor. Weitere Recherchen im Internet haben mich dann davon abgehalten nach Belize zu reisen und ich hatte noch 2,5 Wochen Zeit um mein FMM zu erneuern.
In Palenque, Chiapas habe ich mein Glück dann nochmal probiert und das INM Büro aufgesucht, bevor ich mir eine Tour für 3 Tage nach Guatemala gebucht habe. Dieses Mal war ich erfolgreicher und die Damen dort waren sehr bemüht. Sie erklärten mir, dass sie früher tatsächlich die Befugnis hatten diese FMM Papiere neu auszustellen, diese Befugnis wurde dem Amt jedoch vor geraumer Zeit entzogen und die einzige Möglichkeit ist, sich an die Grenze zu begeben, dort mit dem Beamten von Mexiko direkt zu sprechen und das Dokument neu ausstellen zu lassen. Sie hat noch einige Telefonate geführt und sagte mir, dass ich als Beweis, dass ich tatsächlich wieder aus Mexiko ausreisen werde, mein Flugticket in ausgedruckter Form mitnehmen muss, ebenso wie mein Pass und eine Kreditkarte um die 638 Pesos (zum jetzigen Wechselkurs knapp 27 EUR) für die Ausstellung des Dokumentes zu bezahlen. Dies ist die Gebühr, die jeder bei der Einreise nach Mexiko zahlen muss (wie das bei Einreise per Flugzeug ist weiss ich ehrlich gesagt nicht, denn ich musste nichts zahlen und es war auch nicht als Teil der Gebühr im Flugticket ersichtlich).
Jedenfalls klang diese Information für mich brauchbar und legitim und so bin ich an Tag X früh morgens um 6:00 Uhr in ein Colectivo gestiegen und habe mich für 110 Pesos (ca. 4,60 EUR) in den kleinen Ort „Frontera Corozal“, an der Grenze zu Guatemala, führen lassen. Nach 3,5 Stunden Fahrt mit einem supernetten Fahrer, der mich sogar noch bis zum Migrationsbüro gefahren hat, konnte ich dem Beamten mein Anliegen erklären. Hier ist wichtig anzumerken, dass weder der Beamte noch der Wachmann Englisch gesprochen haben. Ich habe ihm erklärt, dass ich die Information von der Lady im Immigrationsbüro erhalten habe, dass er mir weiterhelfen könne und mir ein neues FMM ausstellen würde. Ich erwähnte auch, dass sie ein Telefonat geführt hatte und ich sei der Meinung das war mit ihm oder mit seinem Kollegen der am Vortag Schicht hatte. Ich zeigte ihm mein Flugticket zurück in die Heimat und nach langem mustern meiner Dokumente meinte er „ja, ich kann dir helfen, du musst nur noch schnell nach Guatemala um dir den Stempel zu holen und dann kommst du wieder und bekommst den Wisch.“ Ja super! Das ging ja dann doch einfach. Meine Frage ob ich das alles heute noch abwickeln kann beantwortete er mit „Ja, wenn du vor 18:00 Uhr zurück bist, dann geht das.“ Er machte auch noch einen Anruf und so war die Sache für mich so gut wie geritzt. Mein Gepäck durfte ich bei ihm abstellen und so hiess es für mich – schnell über die Grenze, Stempel holen, zurückkommen und mit viel Glück schaffe ich das alles vor 15:00 Uhr, um noch am gleichen Tag mit dem letzten Colectivo nach Palenque zurück zu düsen.
Das klingt jetzt alles ganz easy für uns verwöhnte Europäer die mehrmals oft täglich über irgendwelche Landesgrenzen düsen ohne es überhaupt so richtig zu realisieren. Aber in den Ländern von Zentral- und Südamerika ist ein Grenzübertritt tatsächlich noch etwas nicht Alltägliches und eine Grenze ist eine Barriere. Und dann kommt noch dazu, dass die Grenzbüros nicht immer direkt an der Grenze zu finden sind, sondern man unter Umständen noch 15 km zurück legen muss um das besagte Büro zu finden.
Um von Frontera Corozal nach Guatemala zu kommen muss man zunächst den Usumacinta Fluss überqueren, eine 500 m breite braune Brühe die in rechter Geschwindigkeit südwärts fliesst und an dieser Stelle Mexiko von Guatemala trennt. Nicht weit weg vom Grenzbüro in Mexiko warten auch schon geschäftstüchtige Herren die für 100 Pesos eine Überfahrt nach „La Técnica, Guatemala“ anbieten. Der Preis erscheint mir dann doch etwas zu hoch aber auf weniger als 80 Pesos konnte ich nicht runterhandeln. Also, auf geht’s. Adios Mexiko, Bienvenidos a Guatemala. Die Überfahrt auf der Lancha (ein Art Langboot) dauert keine 3 Minuten und auf der anderen Seite wird einem sofort bewusst – du bist in einem anderen Land! Die Menschen sehen tatsächlich anders aus und auch der spanische Dialekt ist ein anderer. Aber eines bleibt: Die Geschäftstüchtigkeit der Herren. Man wird gleich angesprochen, ob man denn Geld wechseln möchte, denn hier in Guatemala zahlt man mit Quetzal und kommt mit mexikanischen Pesos nirgendwo hin. Der angebotene Wechselkurz erschien mir in Ordnung – für 100 Pesos bekam ich 40 Quetzal (Das Restgeld wieder zurück zu tauschen war allerdings ein schlechtes Geschäft für mich, aber nun ja, ich hätte von den Quetzal nichts mehr gehabt ausser eine Erinnerung an mein Abenteuer). Ich habe dem Herrn vertraut und gefragt, wie viel ich denn bräuchte um mit dem Colectivo von La Técnica nach Bethel zu kommen und mit der Lancha wieder zurück nach Mexiko. Es stellte sich am Ende des Tages heraus, dass er mir sogar die richtige Auskunft gegeben hatte.
Na dann kann es losgehen! Mit Hilfe von Maps und befragen mehrerer Einheimischer (die überraschenderweise alle die gleiche Auskunft gegeben haben), wusste ich, dass ich ca. 12,5 km fahren muss, um ins nächste Dorf „Bethel“ zu gelangen wo sich das Migrationsbüro von Guatemala befindet. Sollte ja kein Problem sein. Nach 20 Minuten kam auch schon das Colectivo das mich nach Bethel bringen würde. 12,5 km, sollte Pi mal Daumen in 15 Minuten erreichbar sein – perfekt! Das läuft ja wie am Schnürchen! Wenn da nicht … ja wenn da nicht … oder besser gesagt … wenn DA eine geteerte oder zumindest befestigte Strasse wäre! Über eine Stunde ging es über holprigste Sand-/Steinpiste durch viel nichts, wunderschöne Landschaften und winzige Dörfer nach Bethel.
Dem Fahrer habe ich mitgeteilt, dass ich zum Immigrationsbüro muss und er hat mich direkt davor aussteigen lassen. Geschafft! Verschwitzt, verstaubt, und langsam etwas müde gehe ich auf den emotionslosen Grenzbeamten zu und er fragt auch gleich „Sello?“ (Stempel) und ich sage „Si Señor, por favor“. Kein Problem! Supi! Doch dann erwähnte ich, dass ich jetzt auch bitte gleich den Stempel für die Ausreise bräuchte und dann wäre ich schon wieder weg. Doch sein Gesicht sprach Bände! Er erklärte mir, dass dies nicht möglich sei und dass ich für 3 Tage im Land bleiben muss, bevor ich wieder ausreisen kann. Ich dachte zuerst er macht Scherze, aber sein Ernst wurde mir schnell bewusst. Meine Erfahrung mit Beamten anderer Länder Südamerikas sagte mir, dass ich hier schön sachlich bleiben muss, keine Witze reissen sollte und einfach tun sollte was er mir sagt, denn sonst geht gar nichts mehr. Das konnte ich aber nicht (bzw. wollte ich auch gar nicht) und habe es mit der Mitleidstour versucht – was ja auch der vollen Wahrheit entsprach. Dass ich nichts dabei habe, nicht einmal meine Zahnbürste oder frische Unterwäsche und auch nicht genug Quetzal um überhaupt irgendwo schlafen zu können und sowieso keine Idee wo das hier irgendwo im nirgendwo überhaupt ginge.
Er meinte das sei nicht seine Sache das ich nichts dabei hätte und ich soll in La Técnica schlafen und mehr Geld wechseln und in 3 Tagen wiederkommen. Mein Argument, dass der mexikanische Zöllner mit ihm telefoniert hatte und mir bestätigt wurde, dass ich die Sache heute erledigen kann hat dann aber geholfen. Er meinte dann, ich muss 500 Pesos oder 25 US-Dollar bezahlen und dann gibt es den Ausreisestempel gleich. Na – geht ja doch. Ein bisschen Korruption hier, ein bisschen Verhandlungsgeschick dort und man bekommt was man braucht.
Die Rückfahrt von Bethel nach La Técnica dauert wieder eine knappe Stunde im Colectivo und zu meinem Erstaunen war das Colectivo vollgefüllt. Schon die davor in La Técnica ankommenden Colectivos waren alle prall gefüllt mit Menschen und wie ich später herausgefunden habe, sind die meisten Flüchtlinge aus Honduras, die über Guatemala nach Mexico einreisen um dort aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen um ein besseres Leben zu finden.
In La Técnica war es kein Problem wieder eine Lancha zu finden die mich über den Fluss zurück nach Frontera Corozal bringt. Der Grenzbeamte und sein Wachmann haben mich schon erwartet und waren erfreut, dass ich es so schnell geschafft habe. Die 638 Pesos können nur mit Karte bezahlt werden und finally, halte ich ein neues FMM in meinen Händen. Mein Aufenthalt in Mexiko wurde mir bis zum Tag meines Abfluges plus 2 Tage „für den Fall der Fälle“ erlaubt. Ein Moped-Taxi bringt mich für 20 Pesos zum lokalen Colectivo Busbahnhof in Frontera Corozal und ich kann es kaum glauben, dass ich stinkend, müde aber glücklich mit neuem Visum nach Palenque zurückfahren kann.
Was vielleicht noch hilfreich ist zu wissen: Die Beamten in Mexiko und Guatemala sprechen so gut wie kein Englisch und ich denke es wäre schwierig hier ganz ohne Spanisch etwas zu erreichen. Ich habe von anderen Reisenden gehört, dass das an grösseren Grenzen nach Guatemala die nicht so sehr in den Pampas liegen besser sei. In Frontera Corozal funktioniert das mexikanische Handynetz nicht mehr, die Einheimischen haben alle Verträge aus Guatemala. In Frontera Corozal gibt es ausserdem noch eine Maya Ruine die besucht werden kann, ein paar Hotels und Hostals. Das Dorf Lacanjá ist bei Backpackern bekannt für einen Aufenthalt im Jungle wo man bei Mayas übernachten kann.
Viele Quellen in sozialen Netzwerken haben empfohlen, man solle das abgelaufene FMM ignorieren und einfach bei der Ausreise aus Mexiko die Strafe von ca. 60 US-Dollar bezahlen. Das war mir aber zu riskant um am Ende evtl. dann noch den Flug zu verpassen, wenn die Beamten nicht so schnell arbeiten wie es in so einem Fall nötig wäre.
Update 1.3.2022: Bei meiner endgültigen Ausreise aus Mexiko ist folgendes passiert: Beim Check-In vor meiner Ausreise aus Mexiko wurden meine Passdaten überprüft und mir wurde erklärt, dass mein FMM noch von der Migration abgestempelt werden muss, da ich auf dem Landweg aus- und wieder eingereist bin. Der Stempel bzw. das neu ausgestellte FMM hätte immer nur eine Gültigkeit von 7 Tagen, egal wie viele Tage vermerkt wurden. Da aber die Zahlungsbestätigung von der Wiedereinreise vorhanden ist, ist es kein Problem und das FMM müsse nur noch der Form halber erneut abgestempelt werden.
Also ging es für mich nochmal zum Immigrations-Schalter, der sich am Flughafen Cancun direkt in der Abflughalle befindet. Es war schon 22:30 Uhr und mein Flieger war der letzte an diesem Abend, somit gab es keine Warteschlange. Wie das tagsüber wäre, kann ich nur vermuten, aber ich empfehle in so einem Fall wirklich früh genug da zu sein. Ich habe mich dann getraut die nette Dame am IMM-Schalter zu fragen, was denn passiert wäre, hätte ich die ursprünglichen 60 Tage meines Mexico-Visums überschritten und wäre einfach länger geblieben.
Sie wurde sofort skeptisch und erklärte mir, dass ich dann ebenfalls zu ihr kommen hätte müssen, eine Strafe bezahlt hätte und weiter an ihre Kollegen verwiesen worden wäre. Diese hätten mich dann befragt, warum ich länger geblieben bin, was ich während dieser Zeit gemacht hätte und ich hätte auch nachweisen müssen, wie ich mir meinen Aufenthalt in Mexiko finanziert habe, wo ich überall war etc. Sie meinte weiter, dass meine Daten dann registriert wären und ich beim nächsten Versuch, wieder nach Mexiko einzureisen, dieselben Fragen gestellt bekommen hätte. Es wäre sogar möglich, dass die zukünftige Einreise verweigert wird. Bereits bei meiner Aus- und Einreise über den Landweg wurden meine Daten im System markiert. Grund dafür ist, dass die Behörden vermehrt Ausländer aufgreifen möchte, die zu lange oder illegal in Mexiko bleiben, hier arbeiten und den Einheimischen die Arbeitsplätze und Einkommen wegnehmen.
Aber jetzt erstmal langsam. Bei der Einreise, egal ob per Luft-, Land- oder Seeweg, erhält jeder Tourist eine Einreisekarte, die sogenannte FMM - Forma Migratoria Múltiple. Der freundliche und äusserst einfühlsame Beamte am Schalter fragt in ausgesprochen deutlichem Spanisch oder Spanglisch, wie lange man im Land bleiben möchte. Ich habe mir nicht viel dabei gedacht und 2 Monate angegeben, da ich davon ausging, dass ich als Europäer so oder so das Recht auf 180 Tage habe. DAS IST NICHT SO!! Also, um den Fehler generell zu vermeiden, sagt einfach ihr wollt für 180 Tage bleiben, dann habt ihr auch keinen Marathon vor euch. Und für diejenigen die - so wie ich - nach der langen Reise zu müde sind und das Hirn nur noch auf Standby läuft und weniger Tage angeben, oder, der zuvorkommende Beamte aus Lust und Laune doch weniger als 180 Tage erfasst, für euch habe ich meine Geschichte aufgeschrieben:
Tja, wie Rene im vorletzten Bericht schon geschrieben hatte: wenn man in Mexiko eine Auskunft haben möchte und man eine Person fragt, dann hat man eine Antwort bzw. eine Möglichkeit das Problem zu lösen. Fragt man 2 Personen, hat man schon 2 Möglichkeiten und fragt man 10 Personen, hat man 15 unterschiedliche Ausführungen.
Natürlich, der erste Weg eine Lösung zu finden geht über das WWW. Da sollte man doch – zumindest auf den offiziellen Seiten – zuverlässige Auskunft finden, denn schliesslich bin ich ja sicher nicht die erste Person der es so ergeht. Eine schnelle Suchanfrage bringt auch gleich ein Ergebnis des Immigrationsbüros (INM – Instituto Nacional de Migracion) in welchem steht, dass man sich zum nächstgelegen INM Büro begeben soll und dort das Papier neu ausgestellt werden kann. Gesagt, getan. Zunächst habe ich das besagte Büro in Chetumal, Quintana Roo aufgesucht (nächstgelegen zu Bacalar und Belize), doch nach über einer Stunde Wartezeit hat mir die freundliche und kompetente Dame am Schalter erklärt, dass ich ausreisen muss und dann (vielleicht) wieder einreisen kann und (vielleicht) ein neues FMM bekomme. Wie lange ich ausreisen muss und ob es via Belize geht oder nicht konnte sie mir nicht sagen. Ich wusste also genauso viel wie davor. Weitere Recherchen im Internet haben mich dann davon abgehalten nach Belize zu reisen und ich hatte noch 2,5 Wochen Zeit um mein FMM zu erneuern.
In Palenque, Chiapas habe ich mein Glück dann nochmal probiert und das INM Büro aufgesucht, bevor ich mir eine Tour für 3 Tage nach Guatemala gebucht habe. Dieses Mal war ich erfolgreicher und die Damen dort waren sehr bemüht. Sie erklärten mir, dass sie früher tatsächlich die Befugnis hatten diese FMM Papiere neu auszustellen, diese Befugnis wurde dem Amt jedoch vor geraumer Zeit entzogen und die einzige Möglichkeit ist, sich an die Grenze zu begeben, dort mit dem Beamten von Mexiko direkt zu sprechen und das Dokument neu ausstellen zu lassen. Sie hat noch einige Telefonate geführt und sagte mir, dass ich als Beweis, dass ich tatsächlich wieder aus Mexiko ausreisen werde, mein Flugticket in ausgedruckter Form mitnehmen muss, ebenso wie mein Pass und eine Kreditkarte um die 638 Pesos (zum jetzigen Wechselkurs knapp 27 EUR) für die Ausstellung des Dokumentes zu bezahlen. Dies ist die Gebühr, die jeder bei der Einreise nach Mexiko zahlen muss (wie das bei Einreise per Flugzeug ist weiss ich ehrlich gesagt nicht, denn ich musste nichts zahlen und es war auch nicht als Teil der Gebühr im Flugticket ersichtlich).
Jedenfalls klang diese Information für mich brauchbar und legitim und so bin ich an Tag X früh morgens um 6:00 Uhr in ein Colectivo gestiegen und habe mich für 110 Pesos (ca. 4,60 EUR) in den kleinen Ort „Frontera Corozal“, an der Grenze zu Guatemala, führen lassen. Nach 3,5 Stunden Fahrt mit einem supernetten Fahrer, der mich sogar noch bis zum Migrationsbüro gefahren hat, konnte ich dem Beamten mein Anliegen erklären. Hier ist wichtig anzumerken, dass weder der Beamte noch der Wachmann Englisch gesprochen haben. Ich habe ihm erklärt, dass ich die Information von der Lady im Immigrationsbüro erhalten habe, dass er mir weiterhelfen könne und mir ein neues FMM ausstellen würde. Ich erwähnte auch, dass sie ein Telefonat geführt hatte und ich sei der Meinung das war mit ihm oder mit seinem Kollegen der am Vortag Schicht hatte. Ich zeigte ihm mein Flugticket zurück in die Heimat und nach langem mustern meiner Dokumente meinte er „ja, ich kann dir helfen, du musst nur noch schnell nach Guatemala um dir den Stempel zu holen und dann kommst du wieder und bekommst den Wisch.“ Ja super! Das ging ja dann doch einfach. Meine Frage ob ich das alles heute noch abwickeln kann beantwortete er mit „Ja, wenn du vor 18:00 Uhr zurück bist, dann geht das.“ Er machte auch noch einen Anruf und so war die Sache für mich so gut wie geritzt. Mein Gepäck durfte ich bei ihm abstellen und so hiess es für mich – schnell über die Grenze, Stempel holen, zurückkommen und mit viel Glück schaffe ich das alles vor 15:00 Uhr, um noch am gleichen Tag mit dem letzten Colectivo nach Palenque zurück zu düsen.
Das klingt jetzt alles ganz easy für uns verwöhnte Europäer die mehrmals oft täglich über irgendwelche Landesgrenzen düsen ohne es überhaupt so richtig zu realisieren. Aber in den Ländern von Zentral- und Südamerika ist ein Grenzübertritt tatsächlich noch etwas nicht Alltägliches und eine Grenze ist eine Barriere. Und dann kommt noch dazu, dass die Grenzbüros nicht immer direkt an der Grenze zu finden sind, sondern man unter Umständen noch 15 km zurück legen muss um das besagte Büro zu finden.
Um von Frontera Corozal nach Guatemala zu kommen muss man zunächst den Usumacinta Fluss überqueren, eine 500 m breite braune Brühe die in rechter Geschwindigkeit südwärts fliesst und an dieser Stelle Mexiko von Guatemala trennt. Nicht weit weg vom Grenzbüro in Mexiko warten auch schon geschäftstüchtige Herren die für 100 Pesos eine Überfahrt nach „La Técnica, Guatemala“ anbieten. Der Preis erscheint mir dann doch etwas zu hoch aber auf weniger als 80 Pesos konnte ich nicht runterhandeln. Also, auf geht’s. Adios Mexiko, Bienvenidos a Guatemala. Die Überfahrt auf der Lancha (ein Art Langboot) dauert keine 3 Minuten und auf der anderen Seite wird einem sofort bewusst – du bist in einem anderen Land! Die Menschen sehen tatsächlich anders aus und auch der spanische Dialekt ist ein anderer. Aber eines bleibt: Die Geschäftstüchtigkeit der Herren. Man wird gleich angesprochen, ob man denn Geld wechseln möchte, denn hier in Guatemala zahlt man mit Quetzal und kommt mit mexikanischen Pesos nirgendwo hin. Der angebotene Wechselkurz erschien mir in Ordnung – für 100 Pesos bekam ich 40 Quetzal (Das Restgeld wieder zurück zu tauschen war allerdings ein schlechtes Geschäft für mich, aber nun ja, ich hätte von den Quetzal nichts mehr gehabt ausser eine Erinnerung an mein Abenteuer). Ich habe dem Herrn vertraut und gefragt, wie viel ich denn bräuchte um mit dem Colectivo von La Técnica nach Bethel zu kommen und mit der Lancha wieder zurück nach Mexiko. Es stellte sich am Ende des Tages heraus, dass er mir sogar die richtige Auskunft gegeben hatte.
Na dann kann es losgehen! Mit Hilfe von Maps und befragen mehrerer Einheimischer (die überraschenderweise alle die gleiche Auskunft gegeben haben), wusste ich, dass ich ca. 12,5 km fahren muss, um ins nächste Dorf „Bethel“ zu gelangen wo sich das Migrationsbüro von Guatemala befindet. Sollte ja kein Problem sein. Nach 20 Minuten kam auch schon das Colectivo das mich nach Bethel bringen würde. 12,5 km, sollte Pi mal Daumen in 15 Minuten erreichbar sein – perfekt! Das läuft ja wie am Schnürchen! Wenn da nicht … ja wenn da nicht … oder besser gesagt … wenn DA eine geteerte oder zumindest befestigte Strasse wäre! Über eine Stunde ging es über holprigste Sand-/Steinpiste durch viel nichts, wunderschöne Landschaften und winzige Dörfer nach Bethel.
Dem Fahrer habe ich mitgeteilt, dass ich zum Immigrationsbüro muss und er hat mich direkt davor aussteigen lassen. Geschafft! Verschwitzt, verstaubt, und langsam etwas müde gehe ich auf den emotionslosen Grenzbeamten zu und er fragt auch gleich „Sello?“ (Stempel) und ich sage „Si Señor, por favor“. Kein Problem! Supi! Doch dann erwähnte ich, dass ich jetzt auch bitte gleich den Stempel für die Ausreise bräuchte und dann wäre ich schon wieder weg. Doch sein Gesicht sprach Bände! Er erklärte mir, dass dies nicht möglich sei und dass ich für 3 Tage im Land bleiben muss, bevor ich wieder ausreisen kann. Ich dachte zuerst er macht Scherze, aber sein Ernst wurde mir schnell bewusst. Meine Erfahrung mit Beamten anderer Länder Südamerikas sagte mir, dass ich hier schön sachlich bleiben muss, keine Witze reissen sollte und einfach tun sollte was er mir sagt, denn sonst geht gar nichts mehr. Das konnte ich aber nicht (bzw. wollte ich auch gar nicht) und habe es mit der Mitleidstour versucht – was ja auch der vollen Wahrheit entsprach. Dass ich nichts dabei habe, nicht einmal meine Zahnbürste oder frische Unterwäsche und auch nicht genug Quetzal um überhaupt irgendwo schlafen zu können und sowieso keine Idee wo das hier irgendwo im nirgendwo überhaupt ginge.
Er meinte das sei nicht seine Sache das ich nichts dabei hätte und ich soll in La Técnica schlafen und mehr Geld wechseln und in 3 Tagen wiederkommen. Mein Argument, dass der mexikanische Zöllner mit ihm telefoniert hatte und mir bestätigt wurde, dass ich die Sache heute erledigen kann hat dann aber geholfen. Er meinte dann, ich muss 500 Pesos oder 25 US-Dollar bezahlen und dann gibt es den Ausreisestempel gleich. Na – geht ja doch. Ein bisschen Korruption hier, ein bisschen Verhandlungsgeschick dort und man bekommt was man braucht.
Die Rückfahrt von Bethel nach La Técnica dauert wieder eine knappe Stunde im Colectivo und zu meinem Erstaunen war das Colectivo vollgefüllt. Schon die davor in La Técnica ankommenden Colectivos waren alle prall gefüllt mit Menschen und wie ich später herausgefunden habe, sind die meisten Flüchtlinge aus Honduras, die über Guatemala nach Mexico einreisen um dort aus humanitären Gründen eine Aufenthaltserlaubnis zu bekommen um ein besseres Leben zu finden.
In La Técnica war es kein Problem wieder eine Lancha zu finden die mich über den Fluss zurück nach Frontera Corozal bringt. Der Grenzbeamte und sein Wachmann haben mich schon erwartet und waren erfreut, dass ich es so schnell geschafft habe. Die 638 Pesos können nur mit Karte bezahlt werden und finally, halte ich ein neues FMM in meinen Händen. Mein Aufenthalt in Mexiko wurde mir bis zum Tag meines Abfluges plus 2 Tage „für den Fall der Fälle“ erlaubt. Ein Moped-Taxi bringt mich für 20 Pesos zum lokalen Colectivo Busbahnhof in Frontera Corozal und ich kann es kaum glauben, dass ich stinkend, müde aber glücklich mit neuem Visum nach Palenque zurückfahren kann.
Was vielleicht noch hilfreich ist zu wissen: Die Beamten in Mexiko und Guatemala sprechen so gut wie kein Englisch und ich denke es wäre schwierig hier ganz ohne Spanisch etwas zu erreichen. Ich habe von anderen Reisenden gehört, dass das an grösseren Grenzen nach Guatemala die nicht so sehr in den Pampas liegen besser sei. In Frontera Corozal funktioniert das mexikanische Handynetz nicht mehr, die Einheimischen haben alle Verträge aus Guatemala. In Frontera Corozal gibt es ausserdem noch eine Maya Ruine die besucht werden kann, ein paar Hotels und Hostals. Das Dorf Lacanjá ist bei Backpackern bekannt für einen Aufenthalt im Jungle wo man bei Mayas übernachten kann.
Viele Quellen in sozialen Netzwerken haben empfohlen, man solle das abgelaufene FMM ignorieren und einfach bei der Ausreise aus Mexiko die Strafe von ca. 60 US-Dollar bezahlen. Das war mir aber zu riskant um am Ende evtl. dann noch den Flug zu verpassen, wenn die Beamten nicht so schnell arbeiten wie es in so einem Fall nötig wäre.
Update 1.3.2022: Bei meiner endgültigen Ausreise aus Mexiko ist folgendes passiert: Beim Check-In vor meiner Ausreise aus Mexiko wurden meine Passdaten überprüft und mir wurde erklärt, dass mein FMM noch von der Migration abgestempelt werden muss, da ich auf dem Landweg aus- und wieder eingereist bin. Der Stempel bzw. das neu ausgestellte FMM hätte immer nur eine Gültigkeit von 7 Tagen, egal wie viele Tage vermerkt wurden. Da aber die Zahlungsbestätigung von der Wiedereinreise vorhanden ist, ist es kein Problem und das FMM müsse nur noch der Form halber erneut abgestempelt werden.
Also ging es für mich nochmal zum Immigrations-Schalter, der sich am Flughafen Cancun direkt in der Abflughalle befindet. Es war schon 22:30 Uhr und mein Flieger war der letzte an diesem Abend, somit gab es keine Warteschlange. Wie das tagsüber wäre, kann ich nur vermuten, aber ich empfehle in so einem Fall wirklich früh genug da zu sein. Ich habe mich dann getraut die nette Dame am IMM-Schalter zu fragen, was denn passiert wäre, hätte ich die ursprünglichen 60 Tage meines Mexico-Visums überschritten und wäre einfach länger geblieben.
Sie wurde sofort skeptisch und erklärte mir, dass ich dann ebenfalls zu ihr kommen hätte müssen, eine Strafe bezahlt hätte und weiter an ihre Kollegen verwiesen worden wäre. Diese hätten mich dann befragt, warum ich länger geblieben bin, was ich während dieser Zeit gemacht hätte und ich hätte auch nachweisen müssen, wie ich mir meinen Aufenthalt in Mexiko finanziert habe, wo ich überall war etc. Sie meinte weiter, dass meine Daten dann registriert wären und ich beim nächsten Versuch, wieder nach Mexiko einzureisen, dieselben Fragen gestellt bekommen hätte. Es wäre sogar möglich, dass die zukünftige Einreise verweigert wird. Bereits bei meiner Aus- und Einreise über den Landweg wurden meine Daten im System markiert. Grund dafür ist, dass die Behörden vermehrt Ausländer aufgreifen möchte, die zu lange oder illegal in Mexiko bleiben, hier arbeiten und den Einheimischen die Arbeitsplätze und Einkommen wegnehmen.
Mexico City, im Februar 2022
Liebe Grüsse
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Judith
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Reiseroute
07. Jan. 2022Palenque
MX07. Jan. 2022La Técnica
GTM07. Jan. 2022Palenque
MX
Erfahrungsberichte