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Lebe so, als müsstest du sofort Abschied vom Leben nehmen, als sei die Zeit, die dir geblieben ist, ein unerwartetes Geschenk.
04. September 2024 - Reisetagebuch Eintrag #164
- UM HAARESBREITE | geschrieben von Rene
Flugverkehr
Mit einem blitz-blanken Ollie unterm Arm geht es nun in das Zentrum von Anchorage. Wir sind zwar etwas kaputt von unserer Putzaktion, aber es soll uns nicht davon abhalten, bei diesem Traumwetter den grössten Wasserflughafen der Welt zu besuchen. Der befindet sich nämlich auch in Anchorage, fast neben dem «echten» Flughafen. Hier kann man die Wasserflugzeuge bei Start und Landung aus der ersten Reihe beobachten. Ein wirklich besonderes Erlebnis, an dem wir uns fast nicht sattsehen können.
Schockmomente
Ein sehr ereignisreicher Tag neigt sich dem Ende zu, und wir verbringen den Abend (und die Nacht) an einer ruhigen Seitenstrasse im nördlichen Zentrum von Anchorage. Von dort aus kann man am Lynn Ary Park an der Meeresküste entlangspazieren. Da es jetzt im Juli immer noch bis spät in die Nacht hell ist, machen wir uns gegen 22 Uhr noch auf einen kleinen Spaziergang auf. Als wir nach gut 2,5 km am Wegesrand etwas rascheln hören, müssen wir zunächst zweimal hinschauen. Magdalena denkt erst kurz, dass es sich um einen Raben handelt. Ich sehe etwas dunkles, pelziges und denke im ersten Augenblick an einen Hund. Bis sich das Fellknäul hebt und uns zwei grosse Augen auf einem riesigen Schädel erschreckt ansehen. Ein Schwarzbär! Direkt vor uns. Keine 2 Meter entfernt. Uns beiden fällt erstmal das Herz in die Hose – und fast auch was anderes. Was wird jetzt passieren? Das Ding kann uns platt machen, aber mit Leichtigkeit. Ein Hieb mit der dicken Pratze, und unsere Visage klebt am nächsten Baumstamm. Doch noch passiert nichts. Schlau wie wir sind, haben wir «natürlich» unseren Bärenspray nicht dabei. Wer nimmt denn schon einen Bärenspray mit, wenn er mitten im Stadtpark spazieren geht?
Wir bewegen uns erstmal ganz langsam rückwärts, als der Bär auf den Gehweg tritt. Plötzlich hören wir von der anderen Seite des Weges, den wir wegen einer Kurve nicht einsehen können, ein lautes und verzweifeltes Geschrei eines Radfahrers: «Stop, Stooop, STOOOOOOOPP!!!!!!». Wir denken erst, dass er vielleicht mit seinem Kind auf dem Fahrrad unterwegs ist und er es davor bewahren möchte, auf den Bären zuzufahren. Doch wir sehen nichts. Vielleicht wollte er auch einfach seinen Hund zurückpfeifen. Wir wissen es nicht. Dann fängt der Mann an zu brüllen «GET OUT OF HERE…. GET OUT OF HERE!!!!». Immer wieder und wieder brüllt er und schreit sich die Seele aus dem Leib, und der eigentlich zunächst noch ruhige Bär wird plötzlich sichtlich nervös. Wir sind immer noch keine 10 Meter weg von ihm. Wir bewegen uns immer noch ganz langsam rückwärts. Die Panik steht uns ins Gesicht geschrieben und die ersten Schweisstropfen bilden sich auf unserer Stirn, denn wenn der Bär jetzt austickt und in unsere Richtung läuft – na ja, ihr wisst schon: Visage und Baumstamm und so. Der Mann brüllt immer weiter. Doch das Glück ist einmal mehr auf unserer Seite: der Bär überquert den Gehweg, schlägt eine andere Richtung ein und verschwindet schlussendlich im Dickicht. Als er nicht mehr zu sehen ist, fällt uns ein Stein vom Herzen. Wir laufen zurück am Weg, in die Richtung, aus der wir gekommen sind und drehen uns vorsichtshalber alle 10 Sekunden wieder um. Aber es ist nichts mehr zu sehen. Wow, wir können es kaum glauben. Um diese Uhrzeit sind so gut wie keine Leute mehr auf dem Weg, doch ein Paar und einen Jogger können wir zumindest warnen, dass sich hier ein Bär herumtreibt.
Dreckspartie
Die Nacht verbringen wir ziemlich geschafft, aber sicher im Wohnmobil. Was für ein Abenteuer. Der nächste Morgen hat leider wieder ziemlich viel Regen im Gepäck. Heute soll es ernst werden. Wir treffen endlich den Kaufinteressenten. Der kommt aus Seward, unser heutiges Tagesziel. Wir starten die Fahrt von Anchorage und machen zunächst einen kurzen Abstecher am Potter Marsh Bird Sanctuary, wo wir ein Adlernest und 3 fast frisch geschlüpfte Jungtiere bei ihren ersten Flugversuchen beobachten können. Weiter geht es bei stark bewölktem Himmel auf den Highway. Wir wissen jetzt schon, dass bald der Regen einsetzen wird. Tatsächlich bleibt er nicht aus, und eine 3 km lange Baustelle kurz vor Seward macht all unsere Putz-Bemühungen zunichte. Ollie ist wieder dreckig wie Sau. Die ganze Putzaktion war also für die Katze. Aber was soll man machen?
Es schüttet wie aus Eimern. Wir melden uns beim Interessenten, der hier in Seward wohnt, und wir kommen relativ schnell auf die Idee, die Besichtigung auf den nächsten Tag zu verschieben. Da sind die Wetteraussichten wesentlich besser, und so lassen wir es gut sein für heute. Wir ziehen unsere Regenmäntel an und spazieren ein wenig durch die süsse, kleine Stadt und landen schlussendlich in einem entzückenden Café, in dem wir uns wieder ein wenig Aufwärmen und gemütlich eine heisse Schokolade geniessen. Wir finden später einen schönen Platz für uns und Blu an einem breiten, weitläufigen Bachbett und bereiten uns für den nächsten Tag vor.
Gletschereis mit Bärenshow
Es geht zum Exit Glacier. Einer den schönsten und berühmtesten Gletschern hier in der Gegend um Seward. So ganz ohne ist der Aufstieg nicht. Immerhin gilt es 800 Höhenmeter auf einer recht kurzen Distanz zu bewältigen, die hin und wieder ganz schön steil sind. Doch wir schaffen es bis zum «Top of the Cliff» Aussichtspunkt – und kurz vor dem Ziel werden wir erneut von einem Bären überrascht. Heute liegt aber glücklicherweise etwas mehr Distanz zwischen uns, und zudem habe ich heute den Bärenspray dabei. Wir können die Bärenmutter mit ihren zwei Jungen aus sicherer Distanz beobachten, wie sie die umliegenden Hügel nach Essbarem absuchen. Was für ein schönes Erlebnis. Und nicht weniger eindrucksvoll ist der Blick auf das majestätische Eisfeld des Exit Glacier, der nun direkt vor unserer Nase liegt. Wir sind überwältigt, was wir alles erleben dürfen.
Inspektion
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir heute noch den Besichtigungstermin mit unserem Interessenten haben. Also müssen wir uns auf den Heimweg machen, und gegen 15 Uhr sind wir wieder an dem Parkplatz, von wo aus wir gestartet sind. Wir suchen uns anschliessend eine Waschanlage in Seward und befreien Ollie vom jüngsten Dreck und richten ihn wieder so her, dass er blitzblank vor uns steht. Nun geht es also um die Wurst – oder besser gesagt ums Wohnmobil. Wird der Interessent zuschlagen? Ist er zufrieden oder enttäuscht? Wie geht’s dann weiter? Mit einem etwas mulmigen Gefühl fahren wir zu der Adresse, die uns angegeben wurde und werden dort freundlich empfangen. Nun wird Ollie auf Herz und Nieren geprüft, inspiziert und Probe gefahren.
Nach gut einer Stunde kommt der Mann auf uns zu. Wie stehen die Sterne um Ollie? Ist das sein neues Zuhause? Er macht uns kurzerhand ein Angebot, wir verhandeln noch ein bisschen nach und schlussendlich schlagen wir ein! Wow, wir sind begeistert, froh, und zugleich etwas wehmütig. Aber auch sehr erleichtert, dass wir nun einen Abnehmer finden konnten und nicht erneut langwierige Inserate und Werbung schalten mussten. Als Übergabetermin legen wir den 12. August 2024 fest, wo wir uns in Anchorage treffen und das Wohnmobil übergeben werden. Somit hat unsere Nordamerika-Reise nun tatsächlich ein Enddatum.
Am gleichen Abend verabreden wir uns mit Sven und Tina wieder am gleichen Bachbett bei Seward. Dort lernen wir Tobias und Yvonne von Towards Endless, zwei Traveller aus Deutschland, kennen. Sie sind mit ihrem «Beast» (leider hat das extracoole Monster-Ding keinen Namen) auch quer durch Nordamerika unterwegs. Wir verbringen einen wirklich sehr netten Abend, dürfen einen Blick in ihrem Truck werfen und werden sogar noch mit einem Cappuccino und einem Latte Macchiato der Spitzenklasse verwöhnt. Haaach ja, Reisen kann soooo schön entspannend und luxuriös sein. Denn es ist mit Abstand der beste Kaffee, den wir seit Monaten – wenn nicht sogar JAHREN – geniessen dürfen. Danke Yvonne!
Lachsgetümmel
Dass wir mitten in der Lachssaison sind, war uns schon beim Verlassen von Anchorage und «betreten» der Kenai-Halbinsel klar. Hier geht es stellenweise zu wie am Ballermann. Alle Flussläufe und Ufer sind übersäht mit Fischern, die ihr Glück versuchen und ein paar Lachse mit nach Hause nehmen wollen. Aber klar, wenn man sich mal vor Augen führt, was ein frischer Lachs an der Ladentheke kostet, kann man hier schnell mal ein halbes Vermögen aus den Gewässern ziehen. Zwischen 20 und 30 USD sind im Feinkostladen fällig, wer sich ein Lachsfilet gönnen möchte. Ganz schön ordentlich – denn selbst hier, wo man buchstäblich an der Quelle fischt, sind die Preise im lokalen Feinkostladen sogar höher als in Europa, wo das Filet mal eben ein paar tausend Kilometer in der Tiefkühlbox zurückgelegt hat. Ganz schön verrückt, und leider ökonomisch gesehen auch nicht wirklich erklärbar.
Auf unserem Weg nach Homer machen wir Halt in Soldotna. Hier ist einer der berüchtigten Hot-Spots für das Lachsfischen. Wir bleiben am Visitor-Center stehen und beobachten am Boardwalk die Fischer, die mal mehr und mal weniger Glück bei ihrem Fang haben. Zugegeben, extrem spannend sieht es nicht aus, wie die Angler den Köder ihrer Rute monoton im 10-Sekunden-Takt auswerfen, einholen und wieder auswerfen. Aber das Konzept geht auf, und den ein oder anderen «Fang» können wir live miterleben. Aber ich habe schon dramatischere Zeitvertreibe gesehen.
Platz im Grünen
Sven und Tina haben für heute genug gesehen und machen sich auf zum nächsten Nachtquartier. Wir wollen gerne noch nach Kenai selbst, um dort zwei Orthodoxe Kirchen anzusehen. Nicht dass wir irgendwie streng religiös wären, aber die Anzahl und Qualität von historischen Gebäuden ist in Nordamerika nicht unbedingt sehr ausgeprägt. Deswegen nehmen wir, was wir kriegen können – und da das Wetter noch so gut mitspielt, gönnen wir uns den kurzen Umweg. Die Kirchen sind erwartungsgemäss schlicht, aber schön gehalten. Nicht viel Schnörkel und Verzierungen, aber schön in das Ortsbild integriert. Hier scheint alles ein wenig russisch angehaucht zu sein, doch was vielleicht einmal die Mehrheit war, ist längst Vergangenheit. Noch während unserer Besichtigung erhalten wir von Sven die Info, dass das auserkorene Nachtquartier wohl ziemlich «übel» sein soll. Extrem voll, nach Fisch stinkend und ein Getümmel wie am Samstagabend auf dem Oktoberfest. Da wir alle mittlerweile an einer ausgeprägten «Generator-Phobie» leiden und die verflixten Krachmacher einfach nicht mehr hören können, steht uns schon fast der Angstschweiss auf der Stirn. Aber gut, vielleicht wird die Nacht ja nicht so schlimm?
Wir fahren langsam los und wollen uns zu Sven und Tina gesellen, als wir an einem wirklich sehr schönen Park vorbeikommen. Die Grünfläche sieht sehr gepflegt aus, und Parkplätze sind auch genügend vorhanden. Kurzerhand biegen wir ab, fahren die kurze Einfahrt rein und stehen eigentlich sehr idyllisch mit Blick über eine Klippe auf das Meer. Wir finden das eigentlich ganz schön und informieren Sven, dass sie hier leicht noch Platz haben, falls sie der Partymeile entkommen möchten. Das möchten sie – und keine 20 Minuten später trudeln sie ein. Wir platzieren uns auf dem Parkplatz. Wir beide spazieren noch etwas draussen herum, während sich unsere Travelbuddies kurz nach 8 Uhr schon Richtung Bett begeben. Wir merken, dass sich hier zu fortgeschrittener Zeit mehr und mehr Obdachlose herumtummeln. Geht man nach europäischer Empfindung, stellt man sich einen «Obdachlosen» eher als stinkenden Bettler mit einer dreckigen Decke vor. Hier sind Obdachlose aber oft auch mit einer (meist) schrottreifen Karre zu finden. Die leben dann einfach da drinnen.
Wir beide haben mittlerweile das (Reise)Stadium längst überschritten, wo wir uns vor Obdachlosen «fürchten». Wir haben festgestellt, dass sie meistens auch nur ihre Ruhe haben wollen und machen halt einfach ihr eigenes Ding. Aber trotzdem ist es gut, mal kurz «anzuklopfen» und zu prüfen, ob man denn Willkommen ist. Also – Angriff ist die beste Verteidigung. Ich steig aus unserem Wohnmobil aus und gehe zum nächsten Fahrzeug, in dem ein recht zahnloser Geselle mit einer etwas heruntergekommenen Frau sitzt, die zusammen etwas rauchen, dem vermutlich keine medizinisch heilende Wirkung nachgesagt wird. Ich gestikuliere kurz, dass ich gerne eine Kommunikation starten möchte. Das Fenster der Rostlaube senkt sich, und ich frage kurzerhand, ob es OK ist, hier eine Nacht lang zu stehen, oder ob man besser weiterfahren sollte. Der Mann entgegnet unerwartet freundlich, dass es überhaupt kein Problem ist und wir hier stehen können, solange wir wollen. Natürlich möchte er wissen, woher wir kommen – und nach einem kurzen Smalltalk sind wir Buddys und er versichert mir, dass uns heute Nacht hier absolut gar nichts passieren wird und er auf uns aufpasst. Na wunderbar, so ist das cool – in dem Fall geniessen wir also Wachschutz.
Küstenliebe im Pelzmantel
Tatsächlich ist es auch so: am nächsten Morgen ist immer noch alles gut. Wir wachen auf, machen erstmal Kaffee und geniessen die recht frische Sommerluft mit Blick auf das Meer. Nachdem wir unsere Morgenroutine abgeschlossen haben, führt uns unser Weg weiter nach Anchor Point. Ein Stellplatz direkt am Meer – so wünschen wir uns das! Das Wetter überzeugt uns leider noch nicht so ganz. Regen, dunkle Wolken und böiger Wind zwingen uns leider, etwas länger als erhofft drinnen auszuharren. Doch trotzdem, weil es so schön ist, beschliessen wir, das schlechte Wetter einfach auszusitzen und noch einen Tag länger zu bleiben, bis die Sonne wieder zum Vorschein kommen sollte. Wir beobachten auch hier die Fischer, wie sie ihr Glück versuchen und verbringen die Zeit eben etwas windgeschützt unter der Markise. Am zweiten Abend werden wir dafür mit einem wunderschönen Sonnenuntergang belohnt. Wir müssen uns ganz schön dick in unsere Decken wickeln, denn das Thermometer zeigt gerade mal 10 Grad an. Aber es erinnert uns ein wenig an Norwegen, England, Schottland, Irland – alles zusammen. Auch wenn wir die Wärme grundsätzlich lieber haben, aber das raue Klima hier im Norden und der unverkennbare Geruch des Meeres hat schon was. Ich muss es ehrlich zugeben – mir, Rene, gefällt es. Auch wenn ich es nicht das ganze Jahr über so haben möchte, aber es ist von faszinierender Schönheit. Vielleicht wurde ich still und heimlich ein bisschen zum Nordländer.
Die Pausenzeit nutzen wir wie so oft mit administrativen Arbeiten. Meist um unsere Berichte zu schreiben oder andere Dinge zu regeln, die eben während einer Reise geregelt werden müssen. Versicherungen, Visen beantragen, Finanzen überprüfen, und so weiter. Die Liste wird nie wirklich kleiner, und immer wieder gibt es etwas zu tun. Und natürlich müssen wir uns nun ernsthaft Gedanken darüber machen, wie unsere Reise weitergeht. Denn es ist ja jetzt fix: Unser Wohnmobil hat einen Käufer und wir müssen – ob wir wollen oder nicht – ein neues Reiseziel ins Auge fassen. Das drehen sich einige Rädchen in unseren Oberstübchen. Denn zum einen müssen wir ein neues Reiseziel finden, und andererseits müssen wir uns auch langsam, aber sicher von unserem Nordamerika-Abenteuer verabschieden.
Von der Pleite zur Euphorie – unser USA-Fazit
Was hat es uns anfänglich doch geärgert, dieses Amerika. Unglaublich, wie frustriert und demotiviert es nach unserer ersten Euphorie für uns wurde. Wir haben alles schon in Scherben gesehen, konnten uns überhaupt nicht mit diesem Lebensstil, der Umgebung und den Gegebenheiten anfreunden. Alles erschien uns kompliziert, ungeregelt und undurchsichtig. Wenn wir heute so zurückblicken, und unsere ersten USA-Berichte lesen, zieht es uns sofort wieder eine Gänsehaut auf. Was haben wir alles verflucht, und was haben wir uns geärgert. Und wir waren so kurz davor, alles hinzuschmeissen und das Land zu verlassen. Wir konnten uns überhaupt nicht «eingrooven», sind nicht in den «flow» gekommen, alles fühlte sich falsch und komisch an. Dann, der erste Lichtblick, als wir in New Mexico an diesem schönen See gelandet sind und wir das erste Mal kurz Hoffnung schöpften – und dann wurden uns die Camping-Stühle quasi vor unseren Nasen geklaut, und die gute Laune war schon wieder dahin.
Und heute? Wenn wir zurückblicken auf die letzten fast 15 Monate, uns die Bilder und Erlebnisse nochmal in Erinnerung rufen und ein Fazit zusammenfassen müssen? Wie heisst es so schön: Ende gut, alles Gut. In unserem Fall könnte man es nicht besser formulieren. Wir haben das Land, die Möglichkeiten, den Lifestyle und vor allem auch die unglaubliche, unendliche Reisefreiheit zu schätzen und wahrhaft zu lieben gelernt. Als wir – gemeinsam mit lieben Menschen, die wir unterwegs kennengelernt haben - Ollies «Setup» aufgebessert haben und unser Wohnmobil autark machten, und wir plötzlich die vielen Möglichkeiten der Freistehplätze nutzen konnten, wurde uns bewusst, dass wir diese Freiheit in noch keinem anderen Land hatten, das wir bereist haben. Mit seinem Fahrzeug einfach irgendwo hinzufahren, an den sogenannten «Dispersed Campgrounds» an den schönsten Plätzen des Landes übernachten zu dürfen, den Sonnenaufgang mit Blick über einen malerischen See oder majestätischen Bergspitzen bei einem Kaffee zu geniessen, in glasklaren Seen oder Flüssen zu schwimmen, Wanderungen und Spaziergänge durch atemberaubende Landschaften zu unternehmen, Tiere in freier Wildbahn zu beobachten und die Abende bei einem romantischen Dinner draussen am Lagerfeuer geniessen zu können und in den weiten Horizont in das Abendrot zu blicken. Aus dem anfänglichen Frust und dem Unverständnis wurde tatsächlich Liebe. Und nun wissen wir, dass das Ende bevorsteht. Umso mehr macht es uns nun traurig. Traurig deswegen, weil wir wissen, dass wir (vorerst) diese Freiheit aufgeben müssen. Natürlich gibt es noch so viel auf der Welt zu entdecken, und wir sind uns sicher, dass unsere nächsten Ziele genauso spannend und aufregend werden, wie das Letzte. Doch nun wissen wir, wie hier alles funktioniert, wo wir was finden, wie wir an unsere Ressourcen kommen, wie und wo wir stehen können. Und wir wissen auch, wie die Amerikaner und Kanadier «funktionieren». Auch eine der grossen Überraschungen – denn grundsätzlich nahmen wir an, dass sie überheblich und oberflächlich sind. Doch wie oft haben wir das genaue Gegenteil erlebt? Wir haben so nette Menschen kennengelernt, die uns ohne jeden Zweifel und Skepsis nach bereits zwei Tagen ihr Haus und ihr komplettes Hab und Gut anvertraut haben. Wo findet man das heute noch? Wir konnten uns ein Bild von den Menschen machen – und wir sind mehr als begeistert. Begeistert von der Freundlichkeit, dem Interesse an uns und unserer Geschichte, und begeistert von der Hilfsbereitschaft und dem Zusammenhalt.
Das alles wird uns nun erst so richtig bewusst, jetzt – an dem Punkt, an dem wir Flüge suchen, die uns von Alaska in ein anderes Land bringen. Das ist unsere heutige Aufgabe – einen vernünftigen und günstigen Flug zu finden. Unser Reiseziel haben wir schon im Kopf – und wir bleiben dem Buchstaben «A» treu, so viel sei schon mal verraten. Wir schaffen es an diesem regnerischen, windigen Tag an der Küste, einen Flug zu buchen. Jetzt wird es noch fixer, als es ohnehin schon war: am 12. August müssen wir am Flughafen Anchorage sein, dann geht es weiter und unser USA- und Kanada-Abenteuer endet. Vorerst. Denn eines wissen wir heute schon: es war bestimmt nicht das letzte Mal, dass wir diese aufregenden, abwechslungsreichen und wunderschönen Länder bereist haben.
Liebe Grüsse
Reiseroute
21. – 22. Juli 2024Anchorage
US22. – 24. Juli 2024Seward
US24. – 25. Juli 2024Kenai
US25. – 27. Juli 2024Anchor Point
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