Die Templer in Portugal
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12. September 2021Süsse Verlockung – Porto und Aveiro
Ein Kompromiss ist die Kunst, einen Kuchen so zu teilen, dass jeder meint, er habe das größte Stück bekommen.
04. September 2021 - Reisetagebuch Eintrag #60
- SÜSSE VERLOCKUNG - PORTO UND AVEIRO | geschrieben von Rene
Wir besuchen Aveiro - das "kleine Venedig Portugals". Das ist auch unser Ausgangspunkt, um der zweitgrössten Stadt Portugals einen Besuch abzustatten: Porto. Uns hat beides begeistert - auch kulinarisch
Aveiro
Aveiro ist Portugalbesuchern besser bekannt als "das kleine Venedig Portugals". Warum? Ganz einfach: hier gibt es - ebenso wie in der weltberühmten italienischen Küstenstadt - Kanäle, Brücken, Gondoliere und deren Gondeln, mit denen sie Touristen durch die Kleinstadt Aveiro bringen. In der Realität sollte man sich aber nicht allzu viel davon erwarten, denn die Wasserkanäle durch Aveiro haben bei weitem nicht den Umfang Venedigs und die Gondoliere steuern ihre Boote relativ unromantisch motorgetrieben durch die Kanäle. Nichts desto trotz hat die Stadt sehr viel Charme und hat uns vom ersten Augenblick an mit der aufgeräumten Infrastruktur, der wunderschönen Altstadt und dem Ambiente mehr als überzeugt. Wir fühlen uns richtig wohl hier. Klar, die Touristenmassen stehen auch hier auf dem Plan - aber zurecht wie wir finden. Denn gerade der Stadtkern und die sauberen, gepflegten Parkanlagen und den Jugendstilgebäuden laden einen Besucher zum spazieren, flanieren oder dinieren förmlich ein. Und wer gerne möchte nimmt tatsächlich an einer gemütlichen Bootsfahrt durch die drei Kanäle teil. Wir haben uns dazu entschieden, die Stadt lieber zu Fuss zu erkunden, was innerhalb von etwa 2 - 3 Stunden auch sehr gut machbar ist. Nicht nur der Stadtkern selbst ist interessant, am Stadtrand findet sich auch ein Freilichtmuseum, in dem man anschaulich die Salzgewinnung in den Salinen hautnah miterleben kann. Uns war nicht bewusst, welcher Aufwand dahinter steckt - oder besser gesagt steckte - denn in den modernen Salinen wird heute viel maschinell gemacht, was früher von Hand erledigt werden musste. Nach der ausgiebigen Erkundungstour geniessen wir anschliessend unsere wohlverdiente Erfrischung in einer der zahlreichen Restaurants und beobachten das rege Treiben und bunte gewusel der Menschenmassen.Wie vielfältig die Auswahl an Restaurantperlen ist, sehen wir, als wir an einem kitschig-pinkfarbenen Chocolaterie-Cafe vorbeikommen. Meine Frau ist von der einen auf die andere Sekunde hin und weg. Es steht für sie komplett ausser Frage, dass wir dort rein müssen - auch wenn die Preise doch eher gehoben sind. Aber das spielt jetzt keine Rolle - was sein muss, muss sein und wir nehmen Platz an der mit Kunstrosen verzierten Wand, die uns mit einem Neonleuchtspruch dazu auffordert, das Leben zu geniessen und Kuchen zu essen. Es ist vielleicht nicht die tiefgründigste Weisheit, aber hey – wen kümmert’s, wenn es um Süssigkeiten geht?
Aveiro bietet für uns noch eine weitere Überraschung. Am Stellplatz in Falesia, einige Wochen davor, haben wir Manfred und Inge kennengelernt, die damals nicht unweit von unserem Wohnmobil gestanden sind. Irgendwann sind wir ins Gespräch gekommen und es hat einfach gepasst. Wir haben uns prima unterhalten und mehrmals bis spät in die Nacht gequatscht. Die beiden geniessen ihre Pension und sind ebenfalls mehrere Monate in ihrem Wohnmobil unterwegs - im Sommer im Süden, im Winter zum Schilaufen. Genau richtig denken wir uns - besser kann man es nicht machen. Sie kosten ihren Ruhestand voll aus und tun das, was ihnen gefällt. Tja, als wir uns in Falesia verabschiedeten wussten wir noch nicht, dass wir uns so schnell wiedersehen werden - denn in Aveiro laufen uns die beiden plötzlich in die Arme. Die Freude ist gross, und als wir herausfinden, dass wir sogar am gleichen Platz unser Lager aufgeschlagen haben ist klar, dass das Wiedersehen gefeiert werden muss. Und so sitzen wir am Abend wieder mal gemütlich bei einer köstlichen Flasche Wein zusammen und erzählen uns die Geschichten, die in den letzten Wochen passiert sind.
Porto
Nicht unweit von Aveiro liegt Porto. Gerade mal 40 km nördlich findet man die zweitgrösste Metropole Portugals. Für einen Besuch gibt es aus unserer Situation zwei sinnvolle Möglichkeiten: entweder mit dem Wohnmobil reinfahren und einen geeigneten Stellplatz suchen oder mit dem Zug. Glücklicherweise ist die Verbindung zwischen Aveiro und Porto hervorragend: stündlich verkehrt die Linie in beide Richtungen und ein Hin- und Retour-Ticket kostet gerade mal 7 EUR pro Nase. Wir entscheiden uns für diese Variante, da wir mit Frida ohnehin ganz in der Nähe des Bahnhofs parken. Und so fahren wir früh morgens sehr entspannt mit dem Zug nach Porto. Der Hochnebel hängt an diesem Tag leider noch sehr zäh in der Region, und als wir ankommen präsentiert sich uns die Stadt zunächst noch grau in grau. Nachdem wir uns bei der nächstgelegenen Touristeninformation einen Stadtplan besorgt haben nutzen wir die Gelegenheit, in eines der zahlreichen Cafes im Zentrum der Stadt einzukehren. Ja, was wir in Lissabon vergeblich versucht haben, gelingt uns hier auf Anhieb: keine 2 Minuten vom Hauptbahnhof entfernt ist ein grosses Touristenzentrum, und die Dame am Infoschalter erklärt uns freundlich und geduldig, was sie uns zur Besichtigung empfehlen kann. Wunderbar! Mit den gewonnenen Erkenntnissen beginnt unser Porto-Tag also in dem Cafe bei einem leckeren Americano und einer Pastel de Nata - DER Süssspeise Portugals. Was für Österreich die Mozartkugel und für die Schweizer die Toblerone ist, ist für die Portugiesen die Pastel de Nata. Die sündig-leckere Puddingcreme im Blätterteig-Cup ist ein wahrgewordener Mehlspeis-Traum mit Suchtpotential - gut für uns: in dem Cafe wird die Pastel de Nata frisch zubereitet, man kann dabei sogar zusehen.Nun machen wir uns aber auf den Weg. Der Hochnebel lichtet sich ganz langsam, aber so ganz klar wird es noch nicht. Trotzdem ist uns die 240.000 Einwohnerstadt auf Anhieb sympathisch. Mit einem vernünftigen Stadtplan bewaffnet erkunden wir auf der Tour, die wir uns vorab zusammengestellt haben, alles was uns Wichtig erscheint. Wir werden nicht enttäuscht. Das Angenehme: Porto kann man relativ gut zu Fuss erkunden. Aber man braucht Zeit. Etwa 6 - 8 h sollte man einplanen. Wir sind froh, dass wir die Idee verworfen haben, Porto mit dem Fahrrad zu machen, denn das macht vermutlich keinen Spass. Alles, was nicht direkt am Flussufer liegt, ist hügelig, die schmalen engen Gassen eignen sich überhaupt nicht mit dem Bike und so oder so würde man ohnehin zu schnell an den Sehenswürdigkeiten vorbeifahren. Daher ist es aus unserer Sicht nicht empfehlenswert, Porto mit dem Fahrrad zu befahren. Zu Fuss ist man da wesentlich besser dran.
Eines der vermeintlichen Highlights in Porto ist die Livraria Lello (oder zu Deutsch: die Buchhandlung Lello). Sie zählt zu einer der schönsten Buchhandlungen der Welt. Doch nicht nur das. Gerüchteweise wird der Buchhandlung auch ein Einfluss auf die Harry-Potter-Romane nachgesagt, deren Autorin Anfang der 1990er Jahre einige Zeit in Porto lebte und sich oft in dieser Buchhandlung aufgehalten haben soll. Was wir aber auch gehört haben ist die Tatsache, dass sich die Livraria Lello bei Porto-Besuchern sehr hoher Beliebtheit erfreut. Das bestätigt sich, als wir vor dem Geschäft stehen, das gerade mal die Breite einer gewöhnlichen Ladenzeile hat. Die Warteschlange erstreckt sich bei unserem Eintreffen die komplette Strasse runter, ist mindestens 200 m lang und erweckt den Eindruck als ob man das neueste I-Phone verschenken würde. Um dem Besucheransturm einigermassen Herr zu werden, verlangt die Buchhandlung seit 2015 ein Eintrittsgeld von 5 EUR pro Person, welches bei einem Kauf eines Buches rückvergütet wird. Wir wissen es nicht mit Sicherheit, aber gehen davon aus, dass sich die Buchhandlung längst nicht mehr über den Verkauf von Büchern finanziert. Alleine mit dem Eintrittsgeld kommt garantiert täglich ein 4, wenn nicht gar ein 5stelliger Eurobetrag zusammen - wovon jede anderen Buchhandlung nur träumen kann. Drehort war die Buchhandlung für die Harry Potter-Reihe jedoch nie. Wie dem auch sei - wir beobachten das Treiben lieber von ausserhalb, da wir uns keinesfalls stundenlang in einer Warteschlange stellen wollen. Als wir gegen Abend die Buchhandlung nochmals besuchen und sich die Warteschlange fast aufgelöst hat, bekommen wir an der Eingangstüre aber einen schönen Blick nach drinnen, der uns für ein Foto genügt.
Als sich der Nebel gegen Mittag endgültig verzieht und der Himmel im schönsten Blau erstrahlt, entzückt uns das Flair der Stadt noch mehr. Die alte Tram, die sich auf den Schienen durch die Stadt schlängelt, passt perfekt zu den barocken und gotisch verzierten Häuserzeilen. Ein Abstecher auf die Kathedrale von Porto darf dabei natürlich nicht fehlen. Wir passieren die alten, engen Gassen Portos und sind von Minute zu Minute mehr begeistert über die Eindrücke, die sich uns bieten. Eines der meistfotografierten Motive ist die Ponte Dom Luís I. Die 1886 eröffnete Verbindung zwischen Porto und Vila Nova de Gaia ist die zweitälteste der noch existierenden Brücken über den Fluss Douro. Die obere der zwei Fahrbahnebenen ist seit 2004 für Stadtbahnzüge der Metro und für Fussgänger reserviert. Von dieser hat man einen phantastischen Blick sowohl auf Porto zu der rechten als auch auf Gaia auf der linken Seite des Flussufers. Natürlich machen wir auch hier wieder unnötig viele Bilder, die alle komplett gleich aussehen.
Als wir die Brücke überqueren sind wir in Gaia, auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt und geniessen die Aussicht vom Mosteiro da Serra do Pilar auf Porto. Wir sind uns einig: die Stadt mit dem phantastischen Panorama begeistert uns beide. Wir spazieren an der Uferpromenade entlang, sehen den Schiffen zu und schlendern durch die Marktstände an den zahllosen Restaurants vorbei. Hier lässt es sich aushalten - bei allerbester Aussicht wohlgemerkt. Natürlich lassen sich das die Gastronomen entsprechend vergüten, aber stilvoller geht es kaum.
Die Sonne hat mittlerweile auf höchste Stufe gestellt und wir bevorzugen die schattigen Bereiche. Trotzdem ist es noch sehr angenehm und wir setzen unsere Runde durch Porto fort. Die Anzahl der offiziellen Sehenswürdigkeiten ist gross, aber Porto zeichnet sich für uns viel mehr durch das Flair aus, welches wir bei der ausgedehnten Stadtbesichtigung in uns aufnehmen. Der Variantenreichtum reicht von engen, verschlungenen alten Gassen bis zur supermodernen, breiten Einkaufsmeile auf der alles was Rang und Namen hat vertreten ist. Ein kleines persönliches Highlight wartet aber noch auf mich. Porto hat - und das ist ganz offiziell bestätigt - den schönsten McDonalds der Welt. Ja, der WELT, meine Damen und Herren! Von einer unabhängigen Jury gewählt. Fast-Food mit Stil sag ich da nur. Zufälligerweise liegt dieser McDonalds genau auf unserer Route. Die Route, die ich selbst zusammengestellt habe. Zufälle gibt’s, das glaubt man nicht. Und ich muss zweifellos anerkennen: der McDee hat's tatsächlich verdient, das Prädikat der Schönste zu sein. Es führt kein Weg daran vorbei: ich muss hier eine Bestellung aufgeben und kann anschliessend genüsslich einen Burger im dekadentesten Imbiss der Welt verspeisen. Ein Punkt, der zwar noch nicht auf meiner Bucket-List stand, aber den ich nun draufschreiben und gleich abhaken kann. Perfekt!
Die langsam einkehrende Dämmerung erinnert uns daran, dass auch in Porto die Tage irgendwann vorbei sind. Wir gehen langsam zum Bahnhof, da wir wissen, dass jede Stunde zur 50sten Minute ein Zug nach Aveiro geht. Zumindest haben wir das am Vormittag auf der Anzeigetafel gelesen. So - was am Vormittag gilt, muss am Nachmittag längst keine Gültigkeit mehr haben, und so stellen wir um 20:43 Uhr fest, dass die Züge jetzt an jeder Stunde zur 40sten Minute fahren. Tja, das war wohl nix. Also - es hilft nichts und wir müssen jetzt eine Stunde totschlagen. Aber das fällt uns nicht schwer, wir spazieren noch ein wenig die Umgebung ab, und 40 Minuten später stehen wir wieder am Bahnsteig. Dieses Mal ist der Zug noch da, und siehe da: wir sind ganz alleine in dem riesigen Grossraumabteil. Als zwei Minuten vor der geplanten Abfahrt immer noch keine Leute im Zug sitzen, werden wir doch ein wenig stutzig. Wir sehen schon die ganze Zeit einen Haufen Leute draussen am Bahnsteig vorbeirennen. Die wollen wohl alle ganz vorne sitzen. Ich verstehe zwar den Sinn dahinter nicht, aber sei's drum. Vielleicht Aberglaube. Bis dann fast in der letzten Sekunde ein Fahrgast (oder war es der Zugführer?) zu uns ins Abteil kommt und uns aufklärt, dass nur der vordere Teil des Zuges abfährt. Da, wo wir sitzen läuft nix - im wahrsten Sinn des Wortes. Wir sind unglaublich dankbar für den Hinweis - der tatsächlich auch am Bahnsteig Sinn gemacht hätte - aber so begeben wir uns schleunigst in das vorderste Abteil und können gerade noch den letzten Platz ergattern, bevor sich der Waggon in Bewegung setzt und wir die etwa eineinhalbstündige Heimreise nach Aveiro antreten.
13 Stunden später und 500 Bilder reicher sind wir uns also einig: wir lieben Porto! Die Stadt hat etwas Anziehendes, und wir würden bei einer Empfehlung die Stadt im Norden sogar vor Lissabon empfehlen. Keine Ahnung - es ist uns einfach besser gelaufen, es hat alles geklappt was wir uns vorgenommen haben (die Geschichte mit dem Abendzug mal ausgenommen), und in Summe war es stimmig. Natürlich hätte es auch genau umgekehrt laufen können - aber so hat uns Porto wesentlich mehr fasziniert als die Hauptstadt.
Wir verbringen einen weiteren Tag in Aveiro, weil es uns dort auch so gut gefällt und wir wissen: je weiter wir jetzt in den Norden fahren, umso herbstlicher wird es werden. Die spanische Grenze ist nicht mehr weit entfernt, und das keltisch angehauchte Galizien steht auf unserem Reisezettel. Dort sind die Temperaturen wesentlich gedämpfter, und wir müssen wieder mit Wolken und Regen rechnen, nachdem wir in den letzten 10 Wochen fast ausschliesslich blauen Himmel zu sehen bekommen haben. Zuvor planen wir aber noch die Besichtigung der Städte Braga und Guimarães. Doch der Wetterbericht sagt für die nächsten Tage mörderische 38 Grad in der Region voraus. Obwohl wir glauben, gerade Guimarães hätte sich rentiert, wollen wir uns das nicht antun und bei der Hitze durch eine Stadt laufen. Wir entscheiden uns daher kurzfristig für eine Alternative an der Küste: dem Praia do Cabedelo bei Viana do Castelo.
Der Strand ist bei Wind- und Kitesurfern gleichermassen beliebt. Folglich ist die Windstärke dort höher und die Temperaturen wesentlich erträglicher. Das nutzen wir gerne aus und verbringen zwei Tage an dem Strand. Wir beobachten die Kitesurfer, erleben die ersten Geh- bzw. Surf-Versuche der Anfänger und ich komme wirklich auf den Geschmack. Zumindest gedanklich. Ein Grundkurs mit 10 Unterrichtsstunden würde aber mit satten 320,- EUR zu Buche schlagen. Wir haben A) nicht so viel Zeit eingeplant und B) das nicht budgetiert. Schnupperkurse werden nicht angeboten - aber ich behalte das mal im Hinterkopf und wer weiss - vielleicht bietet sich ja in unserem Winterquartier die Möglichkeit, einen Kurs zu belegen. Da haben wir dann auch die notwendige Zeit und - vor allem - die notwendige Ruhe. Es wäre zweifellos eine schöne Abwechslung, und es sieht echt richtig cool aus, was die Kiter da mit ihren Boards anstellen. Da muss ich ran! Aber eines nach dem anderen. Jetzt steht erstmal Galizien mit seinen Dudelsäcken und keltischen Klängen, der grünen Landschaft und rauen Küsten auf dem Plan.
Betanzos (ES), im September 2021
Liebe Grüsse
Liebe Grüsse
Rene
Reiseroute
18. August - 23. August 2021Aveiro
PT20. August 2021Porto
PT24. August - 25. August 2021Praia do Cabedelo
PT
Erfahrungsberichte