Africa Time: auf nach Südafrika!
29. Dezember 2022Die bunte Tierwelt Südafrikas
4. Januar 2023Ohne Netz und doppelten Boden: Buschleben
«Wenn du beim Baden dem Krokodil entkommen bist, nimm dich vor dem Leoparden am Ufer in Acht.»
01. Januar 2023 - Reisetagebuch Eintrag #108
- OHNE NETZ UND DOPPELTEN BODEN: BUSCHLEBEN | geschrieben von Rene
Wir starten unser Workaway-Projekt und lernen unsere Hosts kennen. Wir erfahren, dass ein «Game Drive» nichts mit einer Playstation und «Need For Speed» zu tun hat. Und meine Drohne wird Opfer eines sehr ungewöhnlichen Angriffs.
Abenteuerlust: unser Workaway-Projekt
Also, nun endlich mal ein paar Zeilen darüber, was wir uns da bei der Sache gedacht und geplant haben. In unserem letzten Bericht hatten wir es bereits kurz angeschnitten – jetzt mal in voller Länge: Über die Internetplattform «workaway.info», die tausende von Freiwilligenprojekten auf der ganzen Welt listet, haben wir unseren Host «Tatt's Tours Africa» gefunden. Als «Host» wird der Gastgeber bezeichnet. Der Deal ist immer: gegen freiwillige, persönliche Arbeit darf man beim jeweiligen Host als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit kostenlos übernachten, und in vielen Fällen ist auch die Verpflegung dabei (man kennt es auch als «Kost und Logis»). Dafür arbeitet man maximal 5 h pro Tag an maximal 5 Tagen die Woche. Einbringen kann man sich in die verschiedensten Bereiche, je nachdem, was der Host sucht. Das geht über Haustiersitting, Hilfe im Haushalt, auf der Farm oder in einem Hostel über handwerkliche Arbeiten, Reparaturen, Sprachunterricht bis hin zu Hilfe bei Computer und Internet, Webseiten, Marketing und Social Media. Jeder, der etwas kann, kann sich in irgendeiner Weise bei einem Host einbringen.
Tatt's Tours Africa ist ein junges Reiseunternehmen, die vor kurzem ins Business gestartet sind und nun etwas Unterstützung im Social Media-Bereich suchen – oder, wie in unserem Fall, gerne einen Imagefilm für ihr Unternehmen und ihre Leistungen hätten. Die Erstellung eines solchen Films ist natürlich um Dimensionen aufwändiger als den Social Media-Auftritt etwas aufzufrischen. Trotzdem klingt das so spannend, dass wir es kaum erwarten können, loszulegen. Die Idee: wir begleiten John und Hanna während der kommenden 4 Wochen auf ihren Trips rund um Südafrika. Das Reiseunternehmen möchte sich auf individuell betreute Reisen für Kleingruppen spezialisieren: Safaris, Bush-Walks, Ausflüge in die Nationalparks, Wanderungen und Ausflüge durch die unglaubliche Natur Südafrikas. Kapstadt steht ebenfalls auf ihrem Reiseprogramm – und auch diese Eindrücke sollen in den Imagefilm einfliessen. Uns steht also ein ziemlich mächtiges Abenteuerprogramm bevor, und wir sind gespannt, was wir erleben werden.
Zurück zum Flughafen, zurück zu John: Wir steigen zu ihm ins Auto und fahren die paar Kilometer bis zum Wildlife Estate, in dem Hanna und John zuhause sind. Mit Hanna hatten wir bereits einige Male geschrieben und telefoniert. Nun lernen wir uns endlich persönlich kennen. Der Empfang ist so herzlich, dass wir uns gleich in die Arme fallen. Mit von der Partie ist Anna – die Grosscousine von Hanna. Anna ist für ein paar Wochen ebenfalls zu Gast bei Hanna und John, und für den ersten Abend hat sie schon eine sehr leckere Lasagne für uns vorbereitet. Wir beziehen unsere Zimmer und sind sofort rundum begeistert.
Games, Games, Games…
Die beiden bieten uns wenig später an, einen ersten kleinen «Überraschungs-»Game-Drive zu machen. Buschwissen für Anfänger: Als «Game» wird alles bezeichnet, was mit Wildtieren im afrikanischen Busch zu tun hat. Der Ausdruck kommt von früher als man die Wildtierbeobachtung, aber leider auch die ungezügelte Jagd als «Game», also als «Spiel» bezeichnet hat. Demnach ist ein Game-Drive also eine Safari, eine Fahrt durch ein Wildtier-Reservat. Glücklicherweise ohne Jagd. Ein «Game-Viewer» ist das Fahrzeug, in dem man sitzt und ein «Game-Reserve» ist das Reservat, in dem die Tiere leben. Die Reservate sind zwar grundsätzlich eingezäunt, aber die Grösse dieser Anlagen ist schier unglaublich. Hier geht es um tausende Hektar freie Landfläche, die den Big-5 und den anderen Vertretern der afrikanischen Tierwelt zur Verfügung stehen. Innerhalb der Reservate gibt es selbstverständlich keine Zäune mehr und die Tiere können sich ungehindert und frei bewegen.
Das erleben wir eindrücklich bei unserem ersten «Game-Drive». Wir sitzen im offenen Toyota Land Cruiser und fahren durch das Reservat. Das, was wir bisher nur aus Zoo´s kannten, läuft hier einfach so frei herum. Wir trauen unseren Augen kaum: Impalas, Kudus, Giraffen, Elefanten, Wasserbüffel, Nashörner. Was wir nur am ersten Tag alles zu Gesicht bekommen, sprengt bei Weitem alles, was wir uns je erträumt hätten. John ist der perfekte Guide und weiss extrem viel über die Tier- und Pflanzenwelt. Aber natürlich auch zu den Verhaltensweisen – und nicht nur die der Tiere. Auch wie man sich als «Mensch» zu verhalten hat. Denn die Tiere sind alle wild und wenn man sich als Fahrgast im offenen Toyota bescheuert aufführt, dann kann man schnell mal als Zwischensnack eines Löwen oder als Fussball eines Elefanten enden. Denn hier gibt es keine Sicherheitszäune mehr. Kein Spiel, alles echt. Wenn so ein Elefantenbulle mal ausflippt, dann ist das ungefähr so als ob man eine Dampflock mit einem morschen Zahnstocher aufhalten möchte. Mit dem Unterschied, dass die Dampflock nicht von den Schienen kann. Der Bulle rennt garantiert schneller als du und hält auch locker die Geschwindigkeit im Rückwärtsgang des Toyotas mit.
Doch dazu kommt es glücklicherweise nicht. Wir sind baff. Richtig, richtig baff! Uns hängt die Kinnlade an den Zehenspitzen und wir kommen uns vor wie im Traum. Wir haben uns einiges erhofft, aber das sprengt jegliche Vorstellungskraft. Und alles keine 5 Minuten von John und Hannas Haus entfernt. Leider wird es langsam dunkel. Plötzlich stapft eine Herde Nashörner in unsere Richtung. Sie laufen keine 5 Meter entfernt an unserem Auto vorbei. Das ist der krönende Abschluss des heutigen Tages!
Der Plan sieht vor, dass wir nun 3 Tage auf die Lodge der privaten Game Farm fahren – das ist ungefähr 1 Stunde von Hanna und Johns Haus entfernt und ist auch die Unterkunft, in der später die Gäste wohnen werden. Leider haben sich während unseres Aufenthalts keine Gäste angemeldet. Wir sind ja engagiert, um die Safaris und Buschausflüge digital zu dokumentieren. Aber da keine Gäste hier sind, müssen wir eben etwas improvisieren. In den folgenden Tagen machen wir weitere «Game-Drives», sowohl recht früh morgens als auch nachmittags. Über die Mittagszeit versuchen wir zuhause zu sein – denn hier in dieser Gegend kann es ganz schön heiss werden. Zwischen 30 und 37 Grad ist keine Seltenheit und so versuchen wir natürlich, die Mittagszeit im Schatten zu verbringen.
Wir bekommen alles, was in der afrikanischen Tierwelt Rang und Namen hat, zu Gesicht. Das Gefühl ist schier unbeschreiblich und wir können es nicht fassen, was wir für ein Glück haben, so etwas erleben zu dürfen.
Drohne in Gefahr
Doch wir dürfen nicht nur stauen. Für den geplanten Imagefilm versuchen wir, so viel Film- und Fotomaterial wie möglich in den Kasten zu bekommen. Bei jedem Drive ist unser gesamtes Kameraequipment mit von der Partie. Da darf auch die Drohne nicht fehlen. Und ich freue mich schon richtig darauf, unsere Neuanschaffung ausgiebig zu testen. Wir haben die exklusive Genehmigung des zuständigen Parkrangers, dass wir während unseres Aufenthaltes mit der Drohne fliegen und filmen dürfen – und welches Gelände könnte sich besser eignen?! Wir planen zunächst, den Game-Viewer (das Fahrzeug, in dem später die Gäste durch das Reservat fahren) ins rechte Licht zu rücken. Dafür möchte ich gerne eine Aufnahme mit der Drohne machen, während wir uns durch das Gelände kämpfen.
Startklar! Die Drohne ist in der Luft, und John hat die Anweisung, einfach in üblichem Tempo entlang des Weges zu fahren. Ich fliege mit der Drohne hinterher und mache ein paar schöne Aufnahmen. Plötzlich bekommen wir etwas, was nach Johns Aussage so gut wie nie passiert: Gegenverkehr. Auf der Farm sind 5 Lodges, und die Chance, in dem riesigen Gelände auf ein anderes Fahrzeug zu treffen, sind ziemlich gering. Echt super. Aber egal – nur können wir nicht an denen vorbei. Also ist die Aufnahme vorerst mal gestorben. Doch worauf schauen die anderen da in dem Auto so gespannt? Okay – das wird ziemlich schnell klar: am unteren Flussbettufer liegt einer der Big-5 ganz gemütlich herum: ein Leopard! Wow, was für ein schönes Tier. Wow, was mache ich denn jetzt mit meiner Drohne?
Die schwebt immer noch in der Luft. Ich bin hin und hergerissen – was machen wir jetzt? Wir brauchen die Aufnahmen vom Leoparden, aber die Drohne ist immer noch in der Luft und ich kann nicht einfach irgendwo mitten im Gelände landen. Ich lege kurzerhand die Steuerung weg, aber ewig geht das nicht. Ich habe noch Akku für etwa 8 Minuten, bevor die Drohne irgendwo landet und wir sie nachher suchen müssen. Wir müssen also schnell entscheiden und ich sage John, dass ich die Drohe einfach schnell hinter dem Toyota landen werde. Die ist so superleise, das bekommt vermutlich niemand mit. Ja denkste. Ich bin sicher noch 100 m von unserem Fahrzeug entfernt, und bevor ich selbst die Drohne höre, spitzt der Leopard schon seine Ohren. Er weiss sofort, dass da was in der Luft ist. Ich komme mit meinem Quadrokopter näher, was natürlich nicht unbemerkt bleibt. Ich bin fast am Fahrzeug, suche mir eine geeignete Stelle und lande kurzerhand auf dem Weg, etwa 10 Meter hinter dem Game Viewer. Doch den Leoparden lässt das nicht kalt. Neugierig steht er auf, blickt einmal herum und prüft, wo das komische Objekt jetzt hin ist. Langsam setzt er sich in Bewegung – genau dorthin, wo ich eben die Drohne gelandet habe. Das darf ja nicht wahr sein! Geistesgegenwärtig schaltet John in den Rückwärtsgang und fährt mit dem Toyota über die Drohne. Zugegeben, ich hatte schon ziemliche Bedenken und habe sie schon im Drohnenhimmel gesehen: entweder vom Toyota überfahren oder vom Leoparden gefressen. Wir hoffen einfach, dass alles gut geht.
Der Leopard kommt nun tatsächlich die Böschung hoch, blickt einmal kurz zu uns herüber, läuft keine 5 Meter hinter uns vorbei und verschwindet dann im Dickicht. Ich weiss grad nicht, was mir mehr Sorgen gemacht hat: dass meine Drohne jetzt matsch ist oder dass der Leopard fast auf Augenhöhe mit uns war. Für den wäre es absolut kein Problem in das offene Fahrzeug zu springen und sich an uns zu bedienen.
Action pur! So haben wir uns das vorgestellt. Nun gilt es nur noch zu schauen, wie es der Drohne geht. Und ich habe Glück, John hat gut gesteuert und die Drohne war ziemlich mittig unter dem Auto. Ich bin mir nicht sicher was passiert wäre, wenn wir sie nicht mit dem Fahrzeug geschützt hätten. So neugierig wie der Leopard war hätte er sie vermutlich ein paar Mal geschüttelt und in ihre Einzelteile zerlegt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich einmal davon berichte, dass eine Wildkatze fast meine Drohne gefressen hätte – aber somit kann ich das Erlebnis aus meiner Bucket-List streichen (obwohl das gar nicht drauf war).
Die nächsten Tage bleiben genauso ereignisreich, wie die bisherigen. Wir machen alle erdenklichen Aufnahmen und sehen Sachen, von denen wir bisher nur träumen konnten. Nicht immer ganz ungefährlich, aber John ist ein ausgezeichneter Guide und hat die Situation immer im Griff. Für die Aufnahmen an der Aussichtsplattform müssen wir an giftigen Spinnen vorbei, die man fast nicht gesehen hätte. Ich wäre allein garantiert in das Netz gelaufen. Auf der Plattform selbst starte ich wieder die Drohne, als wir plötzlich in der Ferne drei Giraffen entdecken. John ist aufgeregter als ich und drängt mich, dort hinzufliegen. Ja wenn er das sagt, muss ich das natürlich machen. Ich höre auf meinen Guide. Wir kriegen die 3 Langhälse perfekt auf die Speicherkarte und ich schaffe es, bis auf gut 5 Meter heranzufliegen. Die 3 schauen ungläubig in die Linse und wissen nicht so recht was anzufangen mit dem komischen Flugobjekt. Spätestens jetzt ist der Zeitpunkt gekommen an dem John davon überzeugt ist, dass er auch eine Drohne braucht. Er ist hin und weg von der Technik – und ich freue mich ebenfalls, dass die Neuanschaffung so gut funktioniert.
Liebe Grüsse
Reiseroute
20. - 30. Nov. 2022Hoedspruit
ZA