Von der heiligen Insel zu den Kronjuwelen
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25. Mai 2022Kokos-Ritter
Jeder macht mal Fehler, also Schwamm drüber! Lasst uns nicht darüber streiten, wer eventuell wen umgebracht haben könnte!
22. Mai 2022 - Reisetagebuch Eintrag #87
- KOKOS-RITTER | geschrieben von Rene
In Stirling stehen wir vor Robert the Bruce, dem ersten schottischen König. Wir finden Monty Pythons Camelot und viele andere Schlösser aus deren Kokosnuss-Saga, bevor wir den Abstieg in die Devils Pulpit wagen. Schlussendlich besuchen wir in Gourock authentische, schottische Highland Games mit einer Menge musikalischer Delikatessen.
Stirling
Für uns geht es am nächsten Tag bereits weiter nach Stirling. Die Fahrt wäre nicht besonders lang, wäre da nicht der Stau, der uns gute 45 Minuten Zeit kostet. Doch nach gut zwei Stunden sind wir dort. Bevor wir auf Stadtbesichtigung gehen können, müssen wir unsere Vorräte wieder einmal aufstocken. Der Supermarkt unserer Wahl liegt glücklicherweise nicht weit von Stirlings Zentrum entfernt, und so können wir von dort aus sogar zu Fuss in die City laufen. Stirling klingt vom Namen grösser als es tatsächlich ist: gerade mal rund 36.000 Einwohner zählt das süsse kleine Städtchen, und so ist es ziemlich einfach, das ganze relativ schnell zu Fuss zu erkunden. Wir spazieren bis rauf zum Stirling Castle, der imposanten Festung die über Stirling thront. Nach der etwas enttäuschenden Vorstellung von Edinburgh Castle ist unser Bedarf an Festungen im Moment gerade gedeckt, und so begnügen wir uns, es von aussen zu betrachten. Man kann nicht alles machen – und vor allem wären auch hier wieder 18 Pfund Eintritt (etwa 21,40 EUR) pro Person fällig gewesen. Dafür ist das Monument von Robert The Bruce, dem ersten schottischen König, vor der Festung frei zu besichtigen.Es mag makaber erscheinen, aber die Friedhöfe hier haben es uns wirklich angetan. Die unglaublich stilvollen, verzierten Grabsteine und keltischen Steinkreuze sind wahre Kunstwerke und eine beeindruckende Kulisse. So auch der königliche Friedhof und die Kirche «Church of the Holy Rude», direkt unter dem Castle. Nun, der Name erscheint etwas ungewöhnlich, so bedeutet «Rude» eigentlich unhöflich oder unfreundlich. Hier wird aber nicht dem unfreundlichen Heiligen gehuldigt, der Name kommt eigentlich von «Rood». Die Kirche selbst stammt aus dem 12. Jahrhundert und ist wieder einmal ein wirklich imposantes Bauwerk, genauso wie die Atmosphäre des Friedhofs. Früher war es übrigens nicht unüblich, sich seinen eigenen Grabstein – oder soll ich sagen: Kunstwerk – noch zu Lebzeiten auszusuchen beziehungsweise gestalten zu lassen.
Wir kommen an Hermanns Restaurant vorbei, der Wiener Schnitzel und Kässpätzle serviert. Zum Glück hat er geschlossen, wir wüssten nicht ob wir hätten widerstehen können. Geschlossen hat leider auch Stirling Bagpipes, ein kleiner, feiner Laden der Dudelsäcke und allerlei Zubehör herstellt und verkauft. Wirklich schade, nur von aussen erhaschen wir einen kleinen Blick in die Werkstatt, wo das Holz für die Pipe-Drohnes und Chanters gedreht wird.
Die Ritter der Kokosnuss
Die über 30jährigen Leser dieses Blogs werden es vielleicht noch kennen, allen anderen kann ich dieses meisterhafte Stück englischen Kulturguts nur aller wärmstens empfehlen: der rabenschwarze Humor der legendären Monty Pythons. Die britische Komikertruppe hat sich 1969 gegründet und hatte ihre Blütezeit in den 1970er Jahren. Graham Chapman, John Cleese, Terry Gillian, Eric Idle, Terry Jones und Michael Palin begründeten im weitesten Sinne das, was man heute wohl unter dem «typisch englischen (schwarzen) Humor versteht. Eines ihrer Werke war «Das Leben des Brian», aber auch die Klamauk-Satire «Die Ritter der Kokosnuss» («Monty Pyhton an the Holy Grail») geht auf ihr Konto.Leser unseres Blogs wissen, dass ich das natürlich nicht nur aus reiner Laune heraus erwähne. Nein, vielmehr geht es eigentlich um Doune Castle, das nicht unweit von Stirling zu finden ist. Denn im Film «Die Ritter der Kokosnuss» handelt es sich bei fast allen Burgen, die im Film zu sehen sind, um das Doune Castle – aus Kostengründen. Denn das Budget für den Film war so knapp, dass sie sich nicht einmal echte Pferde für die Dreharbeiten leisten konnten. Aus der Not machten sie eine Tugend, deswegen wurden die Pferde einfach durch einen Schauspieler ersetzt, der im Takt eines Pferdegangs einfach zwei Hälften einer Kokosnuss aneinanderschlug – was einfach ein zusätzlicher Filmgag war. Um die Illusion zu schaffen, dass es sich bei Doune Castle um verschiedene Burgen handelt, wurde sie einfach immer nur von einer Seite gezeigt. In mehreren Szenen wird sie als Camelot, aber auch als Schloss Dosenschreck («Castle Anthrax») und Sumpfschloss («Swamp Castle») dargestellt. Weiters wurde das Schloss auch für Dreharbeiten von – na, wer hats erraten – genau: Game Of Thrones (Winterfell) und auch für die Fernsehserie «Outlander» verwendet.
Also – allemal Grund genug, das Schloss zu besichtigen. Jedoch ist die mittelalterliche Burg wegen Restaurationsarbeiten gerade geschlossen, somit können wir sie leider nur von aussen besichtigen. Die Anfahrt ist ziemlich abenteuerlich und nicht unbedingt für Wohnmobile geeignet. Aber wo ein Wille, da auch ein Weg. Wirklich schade, dass die komplette Festung mit einem Baugitter umgeben ist. Zumindest reicht es für ein paar Bilder von aussen. Ab Juni 2022 soll das Castle dann wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
The Devils Pulpit
Nachdem Doune Castle leider geschlossen war, ist unser Besuch dort entsprechend kurz. Das gibt uns die Gelegenheit, eine weitere Aktivität an diesem Tag einzuplanen, die in der Gegend zu finden ist. Die Wahl fällt auf die Teufelskanzel – The Devils Pulpit. Der Wanderparkplatz bietet nicht besonders viel Platz zum Parken, und wir sind heute leider auch nicht die ersten mit dieser Idee. Trotzdem quetschen wir uns mit unserer Dicken dazwischen rein und spazieren erstmal los in Richtung Schlucht. In England waren wir bisher mit Wegweisern auf Wanderwegen sehr verwöhnt, deswegen sind wir jetzt etwas verwirrt, als zwar Tafeln ankündigen, wo wir uns (bald) befinden, aber so ganz schlüssig, in welche Richtung wir jetzt laufen müssen, werden wir nicht. Also fragen wir einfach mal andere Wanderer – es gibt hier ja genug davon. Die meisten haben genauso viel Ahnung wie wir, nämlich gar keine. Wir folgen dann einfach den Anweisungen einer Quelle, die wir als die Zuverlässigste einstufen. Überall auf dem Gelände sieht man Leute, die planlos umherirren. Unsere Quelle erweist sich als vertrauenswürdig, denn wir finden schlussendlich den richtigen Einstieg und sind nach gut 20 Minuten Fussmarsch am Einstieg zur Schlucht.Der Abstieg dorthin ist nicht ganz ohne. Zwar sind behelfsmässig treppenförmig angelegte Steine als Abstiegshilfe vorhanden, aber dank Schlamm und Nässe ist die Rutschgefahr nicht gerade gering. Ein Seil hilft beim Abstieg, und ich schaffe es – obwohl wir unser Glücksklopapier aus unserem Desaster von Playa de las Catedrales in Galizien gar nicht dabeihaben – vollkommen verletzungsfrei bis nach unten. Ich bin zwar dreckig, aber ich blute nirgends. Ein Fortschritt.
Eine Gruppe australischer Mitt-Zwanziger hat den Abstieg ebenfalls geschafft und lautstark plärrt uns schon von weitem die Musikbox entgegen. Es ist mir schleierhaft (oder ich bin einfach schon zu alt um es zu verstehen), warum man in einer so schönen, ruhigen Umgebung unbedingt seine Soundbox dabeihaben muss und den Rest der Welt mit seinen für diese Stimmung vollkommen unpassenden Beats zwangsbedröhnen muss. Bitte – nennt mich spiessig, aber warum zur Hölle? Okay, Hölle – Devils Pulpit: um dorthin zu kommen, müssen wir jetzt ein Stück durch den Fluss laufen. Das Wasser ist zum Glück kuschelig warm. Nein, Unsinn: es ist eiskalt, und schon beim ersten Eintauchen habe ich das Gefühl, tausend Nadelstiche fahren durch meine Beine! Aber gut – ohne Fleiss kein Preis. Der leicht einsetzende Regen macht uns nicht unbedingt Hoffnung, dass wir hier heil rauskommen. Aber schlussendlich erreichen wir tatsächlich die Kanzel und können dort unsere Instagram-tauglichen Bilder schiessen. Nass wurden wir bis zu den Knien, aber es hat sich gelohnt.
Der Rückweg verläuft schlussendlich auch störungs- und verletzungsfrei, die Kängurus ziehen mit ihrem Ghettoblaster ebenfalls von dannen und wir haben für ein paar Minuten unsere selige Ruhe und können jetzt das Gezwitscher der Vögel und das Plätschern des Wassers geniessen.
Highland Games Gourock
Jeder hat schon mal etwas von Highland Games gehört. Tatsächlich ist das hier in Schottland eine ernste Tradition. Mit «ernst» meine ich, dass man es hier wirklich sehr seriös betrachtet. Wer in Mitteleuropa schon mal auf Highland Games war der weiss, dass es mitunter doch recht amüsant zugehen kann. In Schottland gibt es dafür jedoch sogar eine königliche Vereinigung – die Royal Scottish Highland Games Association. Geschichte und Tradition hin oder her, wir wollen zumindest einmal «echte» Highland Games sehen, schon alleine wegen der Pipe-Bands, die normalerweise dann auch vor Ort sind.In Gourock, in der Nähe von Glasgow, werden wir fündig: die ersten Highland Games der Saison finden hier am 08. Mai statt. Das passt uns sehr gut in unsere Planung. Eigentlich wollten wir Schottland gegen den Uhrzeigersinn bereisen und dann von Edinburgh an der Ostküste hoch, aber Pläne können sich ändern. Und es sollte sich mehr als lohnen. Wir kommen am Vorabend des Events am Platz an. Hier hängen schon Schilder, dass das gesamte Gelände (natürlich inklusive der Parkplätze) am Sonntag wegen der Spiele geschlossen sein wird. Wir stellen uns trotzdem hin, in der Hoffnung, hier stehen bleiben zu dürfen. Der Platz ist wirklich schön, direkt am Wasser gelegen und angenehm ruhig. In Schottland darf man ja «frei stehen», was in etwa bedeutet, man kann an einem nicht privaten Platz auch übernachten. Eigentlich mit Zelt, aber auch Wohnmobile werden geduldet.
Wir spazieren etwas herum in der wirklich riesigen Parkanlage. Viel tut sich noch nicht, wir dachten hier sind alle im Stress zwecks Aufbaus und so weiter. Doch es ist ausgesprochen ruhig. Als wir zurück zu Frida zurückkommen, taucht eine Dame auf und fragt, ob das unser Wohnmobil ist. Mist – jetzt sind wir wohl fällig. Ich antworte mal mit JA, es nützt ja eh nichts. Daraufhin erklärt sie mir unerwartet freundlich, dass morgen die Games sind und wir hier in der Früh um 7 Uhr spätestens weg sein müssen, weil die Plätze für die Schiedsrichter reserviert sind. Aber über Nacht dürfen wir natürlich gerne hier stehen bleiben meint sie, wir sollten einfach gegen 7 Uhr gehen. Das freut uns natürlich sehr, und ich erzähle ihr mit einem Augenzwinkern, dass wir extra wegen den Games aus der Schweiz angereist sind. Dann erzähle ich ihr natürlich auch die Kurzform unserer Geschichte und dass wir auf Reisen sind und dass ich früher auch noch mehr auf der Pipe gespielt habe und ich es kaum erwarten kann, am nächsten Tag einige der Bands zu hören. Sie freut sich unheimlich und erzählt uns ein bisschen was über die Geschichte der Gourock Highland Games, und auch dass sie wegen der Pandemie die letzten zwei Jahre nichts machen konnten und dass dies die ersten Spiele seit einer gefühlten Ewigkeit sind. Zum Abschluss verspreche ich nochmals, dass wir am nächsten Tag um 7 Uhr das Feld räumen und sie gibt uns noch einen wertvollen Tipp, wo wir unsere Frida tagsüber am besten abstellen können.
Am Abend machen wir einen kleinen Spaziergang an der Promenade entlang und treffen auf unseren Nachbarn, der ebenfalls mit seinem Wohnmobil auf dem Parkplatz steht. «Tja» denke ich mir, der darf morgen früh auch um 7 Uhr raus aus den Federn und umparkieren. Als wir vorbeigehen kommen wir ins Gespräch. Zuerst belangloses Bla Bla, dann frage ich ihn, ob er morgen auch die Games besucht oder ob er nur zufällig hier in der Gegend ist. Dann erklärt er mir, dass er die Games nicht nur besucht, sondern sogar dabei ist. Seine Tochter ist Teilnehmerin bei den Highland Dancers und er spielt die Musik dazu – natürlich auf dem Dudelsack. Ziemlich schnell stellt sich heraus, dass David kein unbeschriebenes Blatt ist und schon unzählige Male als Pipe-Lehrer in Deutschland und in der Schweiz unterwegs war. Und natürlich spielen sowohl seine Frau als auch seine Tochter Dudelsack. Okay, damit habe ich nicht gerechnet. Wir verstehen uns natürlich auf Anhieb gut und schlussendlich spielen wir am Abend sogar noch ein kleines Ständchen zusammen – er auf der Chanter, ich auf der Pipe. Da merke ich dann, dass ich die letzten 3 Jahre nicht mehr gespielt habe. Aber David verzeiht es mir grosszügig und ich gelobe, in Zukunft wieder etwas mehr zu üben.
Am nächsten Morgen klingelt pünktlich um 06:30 Uhr der Wecker. Wir machen uns abfahrbereit und verlassen wie versprochen um Punkt 7 Uhr das Gelände, während David mit Frau und Tochter noch gemütlich im Wohnmobil schlafen. Den Ausweichparkplatz finden wir ziemlich schnell und widmen uns dort dann einem ausgiebigen Frühstück, denn die Games gehen erst um 10:30 Uhr los. Der Spaziergang dahin ist in 15 Minuten erledigt, und sicherheitshalber sind wir schon um 10 Uhr dort, um ja nichts zu verpassen. Aber Stress gibt’s da keinen, denn selbst um 10:30 Uhr sind alle Bands noch am Einspielen. Zudem sind weder Competition noch Games in Sicht, also alles sehr entspannt. Ein paar Wolken zieren den Himmel noch, aber es soll ein schöner Tag werden. Leider doch recht kalt für unsere Nasen, aber ihr wisst ja wie wir sind. Wir sehen unzählige Besucher an diesem Tag, die mit kurzem Kleidchen, Flip-Flops und T-Shirt unterwegs sind, während wir mit unseren dicken Jacken und Mützen herumspazieren wie die Nordpolforscher.
Von Minute zu Minute treffen mehr Pipe-Bands ein. Ich bin ganz hin und weg von dieser Masse an Spielern. Mir geht wirklich das Herz auf und ich bin überwältigt. An jeder Ecke hört man eine Band, und das ist nur das «Aufwärmen». Unglaublich, ich kann mich gar nicht satthören. Um 11 Uhr geht es dann tatsächlich los, und die erste Band betritt das Competition-Feld und gibt ihre Songs zum Besten. Es ist wirklich unglaublich, mit welcher Qualität hier «gedudelt» wird. Selbst 30 oder 40 Mann starke Bands spielen nahezu ohne hörbare Fehler – und ich behaupte ich würde die Fehler mittlerweile wirklich raushören. Ich bin begeistert, und schlussendlich sind mehr als 20 Bands auf dem Platz, die nacheinander ihre Songs spielen. Die eigentlichen Games – Baumstammwerfen und Co – gehen da fast ein bisschen unter. Und es sind auch überraschend wenig Teilnehmer. Gerade mal etwa 10 «Highlander» tummeln sich am Platz. Aber damit kann ich leben, ich bin ohnehin eher wegen der Musik hier. Auch die Dame vom Vortag, die uns über die Games erzählt hat, treffen wir wieder. Sie erkennt uns trotz Mützen sofort wieder und freut sich mit einem herzlichen «Heja, nice to see you again!», dass wir dabei sein. Auch David mit Familie treffen wir, und am Abend stehen wir alle noch zusammen und erzählen unsere Geschichten. Was für ein unglaublicher Tag – wirklich ein Highlight für mich! Der einzige kleine Wehrmutstropfen: am Abend, vor der Preisverleihung, formieren sich alle Bands auf dem Veranstaltungsplatz und alle zusammen spielen «Scotland the brave». Leider nur eine kurze Strophe, dann ist auch schon Schluss. Schade, ich hatte mir eine etwas längere «Massed Pipe and Drums»-Darbietung gewünscht, denn das ist immer eines der Highlights solcher Events. Aber egal, wir hatten sehr viel Spass und ich habe endlich wieder einmal eine gehörige Portion Dudelsack-Klänge bekommen. In dieser Nacht dürfen wir wieder auf dem Veranstaltungsgelände parken und haben noch bis spät in die Nacht die durchdringenden Klänge der Great Highland Pipes in den Ohren, obwohl alle Musikanten längst zuhause sind und der Platz menschenleer ist.
Lunan Bay, SCO, im Mai 2022
Liebe Grüsse
Liebe Grüsse
Rene
Reiseroute
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UK
Erfahrungsberichte