Neues Zeichen, neues Land
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Kanada ist nicht nur ein Ort auf der Landkarte, es ist ein Gefühl von Wärme und Einheit
18. Oktober 2023 - Reisetagebuch Eintrag #136
- KANADISCHE WUNDERWELT | geschrieben von Rene
Frischer Wind
Das Endziel der nächsten Etappe heisst Cold Lake in der Provinz Alberta. Mich fröstelt es bei bisschen, wenn ich an einen Ort in Kanada denke, der «Cold Lake» heisst. Doch unser Ziel ist nicht zufällig gewählt. Vielleicht kann sich der ein oder andere Leser noch erinnern, dass wir bei unserer Backpacker-Zeit in Mexico einen ganzen Haufen netter Leute kennengelernt haben. Viele Kanadier sind sogenannte «Snow Birds», also Leute, die vor dem Winter fliehen. Das kann man ihnen nicht verdenken, denn was wir bei uns einen «harten Winter» nennen ist hierzulande eher kuschelige Frühlingszeit. Minus 40 Grad und meterweise Schnee sind in diesen Breitengraden keine Seltenheit. Da zieht es den ein oder anderen Kanadier (in Wahrheit sind es tausende) dann schon eher in etwas wärmere Breitengrade.
Und so ist es passiert, dass wir vor rund 1 ½ Jahren Dave und Kelly bei unserer Tour durch den Westen Mexikos kennengelernt haben. Sie waren damals im gleichen Hotel wie wir, wir haben uns natürlich auch sehr gut unterhalten und – wie es der Zufall will – haben wir viel über das Reisen gesprochen. Dave war ein guter Ratgeber, der uns viele Tipps bezüglich Wohnmobilsuche gegeben hat. Und irgendwann haben wir uns gegenseitig versprochen: wenn wir das Ganze mit Wohnmobilkauf und Nordamerika hinbekommen, werden wir sie natürlich gerne besuchen. So – nun dürfte es kein grosses Geheimnis mehr sein, wer in «Cold Lake» zuhause ist.
Wir glauben, Dave war ganz schön überrascht als ich mich vor einigen Wochen bei ihm per Telefon gemeldet habe und stolz verkündete, dass wir es tatsächlich geschafft haben und nun gerne unser Versprechen einlösen möchten. Er konnte es fast nicht glauben und sagte ohne Zögern zu. Natürlich sind wir herzlich willkommen, und die beiden freuen sich riesig, dass wir die lange Tour in den Norden Albertas (na ja, genauer gesagt ist es «nur» die Mitte) auf uns nehmen möchten. Von Calgary aus brauchen wir laut Navi ungefähr 8 h. «Das ist viel zu lange» meint Dave noch am Telefon, deswegen müssen wir irgendwo dazwischen Halt machen. Und das sollen wir am besten bei seinem Bruder Bob, der wohnt nämlich ungefähr auf halber Strecke. Zur Sicherheit frage ich nochmals nach, ob das wirklich ernst ist und keine Umstände macht. «Natürlich macht das keine Umstände» versichert uns Dave und gibt uns die Koordinaten von Bob. Er ist bereits über alles informiert und freut sich auf unseren Besuch.
Wow. Wir sind einmal mehr überwältigt von der Freundlichkeit der Menschen hier. Ganz ehrlich: Mit Dave und Kelly haben wir gerade mal 3 Tage zusammen verbracht. Bob kennen wir gar nicht – und trotzdem laden sie uns zu ihnen nach Hause ein, ohne «Wenn und Aber».
Wunderbare Menschen
Tatsächlich sind wir froh, dass wir bei Bob und Janet einen Zwischenstopp in Ground Hill einlegen können. Die Tour von Calgary aus zieht sich wirklich ganz schön in die Länge. Als wir vom Highway abbiegen und mitten ins kanadische Hinterland fahren wird uns erst bewusst, wie viel wir am Highway von der Landschaft verpassen. Aber wir können unsere Meilen leider nicht alle auf Nebenstrassen abrocken. Das wäre dann doch zu mühsam. Mit ein bisschen Improvisation finden wir dann tatsächlich die Einfahrt zu Bob’s und Janets Haus. Typischer könnte es nicht sein: ein wunderschönes Tor, links und rechts ein Zaun, der lange Weg führt zu einem schönen Bungalow, rechts davon das Gerätehaus, die Garage und alles, was das kanadische Landherz begehrt. Alles sauber hergerichtet, ein schöner, grüner Rasen, alles aufgeräumt und gepflegt. Ein kanadischer Traum. Wir werden von Bob und Janet herzlich empfangen und reden drauf los, als würden wir uns schon jahrelang kennen. Das ist die Gastfreundschaft Kanadas.
Natürlich bekommen wir gleich eine Führung rund um das «kleine» Grundstück und dürfen uns vom Gemüse- und Früchtegarten mit Himbeeren und Zucchinis eindecken. Janet schwört, dass sie ohnehin niemals alle Himbeeren essen kann, und die Zucchinis müsste sie wegschmeissen, so wie die gerade wachsen. Natürlich werden wir zum Dinner eingeladen und mit köstlicher Hausmannskost versorgt. Bei einem ausgedehnten Spaziergang erreichen wir auch irgendwann einmal das Ende des Grundstücks. Doch das ist noch nicht alles – es gibt noch ein kleines Stück Land, dass sie ihr Eigen nennen dürfen. Nach einer kurzen Autofahrt sind wir dort angekommen und spazieren auch hier von einer Ecke zur anderen. Die Moskitos fressen uns hier fast auf, aber Bob meint nur gelassen, dass wir froh sein können, dass der Wind weht, sonst wären es noch viel mehr. Ja, an das muss man sich in Kanada auch gewöhnen.
Wir sind unendlich beeindruckt von allem – von den riesigen Dimensionen hier, aber noch viel mehr von der Herzlichkeit der Menschen. Obwohl wir nur einen Tag (und eine Nacht) zu Gast waren, haben wir die zwei gerne in unser Herz geschlossen und machen uns am nächsten Tag auf zur nächsten Etappe. Danke Bob und Danke Janet, dass wir eure Gäste sein durften!
Road Works
Die Weiterfahrt nach Cold Lake verläuft problemlos und ohne Hindernisse. Nur kurz vor dem Ziel sind wieder einmal „Road Works“ angesagt. Baustelle. Wir müssen warten und stellen den Motor ab. Kurz darauf donnert etwas über unsere Köpfe hinweg, dass uns fast der Nuckel aus dem Mund fällt. Zwei Kampfjets haben keine 200 Meter über uns einen Turnaround gemacht und fliegen wieder davon. Wie krass ist das denn? Wir zwei Auto-, Motoren- und Flugzeugverseuchten Heinis können uns fast nicht mehr auf den Sitzen halten. Der absolute Hammer! Doch wo fliegen die hin? Na, vielleicht bekommen wir das noch raus.
Die Anfahrt zu Dave und Kelly ist ein bisschen einfacher als die zu Bob. Doch hier in der kanadischen Prärie ist das nicht ganz so leicht. Hier gibt es zwar Hausnummern, aber die Strassen heissen gefühlt alle gleich. Und die sind ziemlich schnell mal 30, 40 Kilometer lang. Da kann man mit einer Hausnummer (die nicht auf Google vermerkt ist) nicht viel anfangen. Aber wir haben Glück. Und recht bald nach der Abzweigung von Freeway ist eine Schotterstrasse, auf der wir dann nach einiger Zeit die Einfahrt zum Grundstück finden.
Wiedersehen
Ein bisschen mulmig ist unser Gefühl schon. Zumindest kennen wir die zwei schon, aber das ist schon eine Weile her. Und wir haben uns eigentlich nur kurz unterhalten. Wie wird das jetzt werden? Werden wir uns wieder verstehen? Wird es „komisch“? Wir fahren die Einfahrt rein und stellen unseren Ollie neben der Garage ab. Keine 3 Sekunden später läuft uns ein sehr aufgeregter Hund entgegen. Ich habe immer Respekt vor Hunden und bleibe vorerst ganz gerne mal auf Abstand, aber der hier scheint freundlich zu sein. Magdalena erklärt mir, dass es sich bei dem riesigen weissen Pudelgebilde um einen „Labradoodle“ handelt. Das klingt für mich eher wie ein 80er-Jahre-Haarschnitt. Aber sie bestätigt, dass es sich bei der Hunderasse um eigentlich eine ganz liebe Sorte handelt. Kelly und Dave kommen hinterher und die Wiedersehensfreude ist gross. Wir fallen uns gleich in die Arme und können es kaum glauben: 1 ½ Jahre und viele tausend Meilen später haben wir es tatsächlich geschafft. Wir haben erreicht, was uns damals so fern und unmöglich erschien. Wir haben unser Ding tatsächlich durchgezogen und das gemacht, was 18 Monate davor wohl keiner so richtig geglaubt hatte. Wir sind in Cold Lake, Alberta – bei Dave und Kelly!
Natürlich haben wir uns eine ganze Menge an Geschichten zu erzählen. Jetzt gibt es erstmal Kaffee und Muffins zur Begrüssung. Auch das Anwesen hier ist unglaublich schön. Riesig, grün, voller Bäume und Platz ohne Ende – davon können wir nur träumen. Na ja, so darf man es natürlich nicht sehen: immerhin haben wir die ganze Welt als unsere (derzeitige) Heimat. Aber so etwas sein Eigen nennen zu dürfen ist schon etwas, das einen Stolz machen kann. Wir dürfen mitten in die grosse Wiese hinter dem Haus stehen und bekommen einen Stromanschluss. Was will man als Camper mehr?
Erkundungstour
Natürlich darf auch hier die Tour um das Grundstück nicht fehlen. Doch zu Fuss wäre das viel zu weit, versichern uns die beiden. Zu WEIT!! Hah. Ich kann es im ersten Moment gar nicht glauben. Wir wissen ja, dass die Nordamerikaner eher ein bequemes Volk sind. Die laufen nicht so gerne und machen lieber alles mit dem Auto, dem Motorrad oder irgendeinem anderen motorisierten Gefährt. Deswegen belächeln wir es, als Dave den Vorschlag macht, das Grundstück mit den Quads abzufahren. Doch wehren möchte mich natürlich auch nicht – wenn es schon Quads gibt, warum nicht? Magdalena ist das noch etwas zu suspekt und bleibt lieber zuhause bei Kelly.
Nach einer kurzen Einschulung bin ich für die Tour bereit. Ich bin so ein Ding mal gefahren, aber das ist schon einige Jahre her. Im Prinzip ist es nicht schwer und das Handling hat man relativ schnell intus. Als wir durch das nicht enden wollende Gelände heizen frage ich mich irgendwann, ob wir bald in Alaska ankommen. Bei einem Stopp frage ich Dave ungläubig, wo wir denn jetzt sind – und ob wir demnächst auf Polarbären achten müssen. Er erklärt mir, dass wir immer noch auf ihrem Grundstück sind. Okay. Klar. Wo denn sonst?
Quad fahren ist genau meins. Offroad zwischen den Büschen und Bäumen, durch Dreck und Schlamm – so ein Ding muss ich haben! Als wir von unserer Tour wieder zurück sind, erkläre ich umgehend mein Vorhaben. Doch Magdalena macht meine Sehnsüchte ziemlich schnell zunichte. Okay, ich glaub da muss ich sie noch etwas bearbeiten. Nach dem gemeinsamen BBQ am Abend haben die zwei für uns etwas ganz Spezielles ausgesucht: es geht ins Casino. Doch nicht zum Zocken, nein – heute Abend ist Livemusik. Die Casinos hier kann man mit unseren nicht unbedingt vergleichen. Natürlich gibt es auch Automaten und Spiele, aber es ist eher ein Vergnügungszentrum mit einem Restaurant, einer Bar oder – wie hier – mit wöchentlicher Live-Musik. Die Band heizt ordentlich ein und spielt einen lockeren Country-Oldie-Mix, der genau hierher passt. Und da wir natürlich authentisch wirken müssen, haben Dave und Kelly uns standesgemäss Cowboyhüte und Gürtel mit einer überdimensionalen Gürtelschnalle organisiert. Das hat Klasse! Die Party geht richtig ab, und irgendwann lasse sogar ich mich überreden, auf der Tanzfläche herumzuhopsen. Es wird ziemlich spät, und nach einem kurzen Absacker zuhause fallen wir ziemlich müde in unser Wohnmobil-Bett. Ein gelungener erster Tag!
Seemannsgarn
Auch am nächsten Tag ist volles Programm angesagt. Wie jeder Kanadier, der etwas auf sich hält, hat auch Dave ein Boot. Das kommt heute zum Einsatz. Denn Cold Lake würde nicht Cold Lake heissen, wenn es keinen See dort gäbe. Und der ist nicht gerade klein. Aber was ist hier schon klein. Wir fahren mit dem Boot im Schlepptau zum Anlegeplatz und düsen raus auf den See. Die Angelruten sind mit dabei – und so kommen wir in einen Genuss, mit dem wir nicht gerechnet haben. Wir sind verantwortlich für das Abendessen. Magdalena und ich bekommen je eine Rute in die Hand gedrückt. Haken und Köder montiert und ab damit ins Wasser. Wir beide haben ja eine etwas sonderbare Einstellung zum Fischen und Jagen. Ich würde zwar gerne Fische fangen, aber wenn ich dann einen habe, tut er mir leid und ich könnte ihn nicht umbringen. Magdalena geht es genauso. Doch das würde Dave übernehmen, so versichert er mir das. Ich weiss nicht, ob ich mich deswegen jetzt besser fühle. Aber schauen wir mal. Ich fang sowieso nix.
Keine 40 Sekunden später hab ich was am Haken. Na spitze. Ich versuche, mich nicht wie ein kompletter Idiot anzustellen. Irgendwie gelingt es mir dann, die Rute einzuholen, was angesichts der Fische hier gar nicht so leicht ist. Als ich ihn recht nah am Boot habe, kommt Dave mit dem Kescher und nimmt ihn rein. Das Vieh ist zweimal so gross wie eine Bachforelle bei uns. Dave schaut ihn an, schüttelt kurz den Kopf und wirft ihn wieder ins Wasser: „zu Klein“. Aha. Was wollen wir heute fangen? Blauwal? Nein, der Fisch muss eine Länge von mehr als 60 cm haben, sonst darf er nicht mitgenommen werden. Na gut, Regeln sind Regeln – und ich bin froh, dass er weiterleben darf.
Als nächstes hat Magdalena einen am Haken. Auch sie macht eine gute Figur als Fischer(in) und holt ihn professionell ans Boot. Aber auch der ist zu klein und darf weiterleben. Schlussendlich sind wir mehr als erfolgreich: Magdalena zieht insgesamt 5 Fische an Land (oder besser gesagt ins Boot), ich 3 Stück und einen Stein, mit dem ich wirklich lange kämpfe. Mit Ausnahme des Steins waren alle Fänge zu klein und dürfen weiterhin ihre Bahnen im Cold Lake ziehen. Zum Glück für uns zwei – denn wir haben echt Mitleid. Dave ist Jäger, und natürlich hätte er sehr gerne einen (oder mehrere) Fische mit nach Hause gebracht, aber so müssen wir uns für das Abendessen wohl etwas anderes einfallen lassen.
Die Angeltour ist wieder ein Highlight auf unserer Reise. Natürlich hätte es uns ein bisschen stolz gemacht, wenn wir unser Abendessen gefangen hätten, aber es sollte eben nicht sein. Wir hatten dennoch sehr viel Spass und einen sehr gemütlichen Vormittag am See, an dem kein Fisch sein Leben lassen musste. Am Nachmittag geht es ein wenig in die Stadt selbst. Die ist zwar nicht wahnsinnig gross, aber ein bisschen was kann man dann doch ansehen.
Im Halbstundentakt fliegen die Jets über uns hinweg – natürlich haben wir längst herausgefunden, dass es in Cold Lake eine Militärbasis der kanadischen Armee gibt. Keine 10 Kilometer von Daves und Kellys Haus entfernt starten die Fighter in die Luft und absolvieren dort ihre Manöver. Jedes Mal blicken wir neidisch zum Himmel, wenn einer der Jets über uns hinwegdonnert. Kelly und Dave merken das gar nicht mehr – klar, wenn man es das ganze Jahr über vor sich hat. Irgendwann in den nächsten Tagen müssen wir da mal hin und schauen, wie nahe man legal an die Startbahn kommt. Vielleicht können wir einen kurzen Blick erhaschen und einen Start miterleben.
Das Glück dieser Erde…
Unser Programm ist noch längst nicht am Ende. Wir haben schon ein schlechtes Gewissen, denn wir wollen niemanden zur Last fallen. Aber Dave und Kelly sind perfekte Gastgeber und es ist ihnen wirklich anzusehen, dass sie eine wahre Freude daran haben, uns „ihr Leben“ zu zeigen und die Tage mit uns zu verbringen. Es ist unglaublich, was für ein Glück wir haben und welch nette Leute unsere Wege kreuzen. Dafür sind (und bleiben) wir für immer dankbar. Doch heute wartet eine kleine Herausforderung auf mich. Oder besser gesagt eine ziemlich Große. Eine 2 Meter-Herausforderung, um genau zu sein. Kelly hat nämlich Pferde – klar, wir sind ja in Kanada. Und was ich die letzten Tage schon befürchtet habe, wird heute wahr: wir gehen reiten.
Ich komme mit allem, was einen Motor hat, ziemlich schnell und gut klar. Bei Tieren – so gerne ich sie habe – bin ich lieber vorsichtig. Speziell bei Pferden. Meine Lieblingspferde findet man vorzugsweise unter einer Motorhaube, wo ich mich darauf verlassen kann, dass eine Bremse mich bremst und ein Lenkrad dorthin bringt, wo ich möchte. Etwas unberechenbares liegt mir nicht so ganz. Doch ob ich will oder nicht: ich muss mit. Nein, natürlich hätte ich die Wahl gehabt, aber ich habe das Gefühl ich habe allen eine Freude gemacht. Allen voran Kelly. Also kann ich nicht NEIN sagen. Ich bekomme zu meinem Glück das genügsamste Pferd zugeteilt, das ich jemals gesehen habe: Joe. Ich schaue ihm ganz tief in die Augen und erkläre ihm, dass wir jetzt und für die nächsten 2 Stunden einfach mal ganz dicke Freunde sind. Er blickt mich ausdruckslos an, was ich als «Passt scho» deute. Ich schaffe es mit einiger Eleganz in den Sattel, und los geht die Tour.
Magdalena hat schon einige Stunden auf Pferderücken verbracht. Ich hingegen konnte mich bisher immer erfolgreich gegen meine Nichte wehren, die schon seit Jahren versucht, mich auf ein Pferd zu platzieren. Ich hoffe sie kann mir das verzeihen, aber Joe ist wirklich wie ein Servierwagen: wenn man ihn zieht, geht er mit. Wenn man nichts macht, bleibt er stehen. Und als ich auf ihm sitze läuft er einfach stoisch dem vorderen Pferd nach. Ich muss überhaupt nichts machen. Nur ein bisschen an den Zügeln ziehen, falls ich einem Ast ausweichen muss oder um die Kurve gehen möchte. Wie eine Fernbedienung. Und so schaffe ich es unfall- und verletzungsfrei, heil mit der ganzen Truppe wieder zuhause anzukommen. Ein unglaubliches Erlebnis, aber ich bin ehrlich gesagt dann auch ganz froh, als ich absteigen kann und wieder die volle Kontrolle unter meinen Beinen habe. Ich bedanke mich bei Joe und lasse ihm 3 Extraportionen Hafer zukommen. Ich glaub das mit der Freundschaft zwischen uns haut hin.
Am Abend wird ein schönes Lagerfeuer gemacht. Wir sitzen um die wärmende Glut und wir dürfen statt Fisch nun Bärenfleisch und Elchburger probieren. Das Bärenfleisch ist ehrlich gesagt nicht ganz mein Favorit, doch meiner Frau schmeckt es ausgezeichnet. Der Elchburger hingegen ist sehr lecker und trifft bei mir voll ins Schwarze. Den Abend lassen wir sehr gemütlich mit Geschichten und Erzählungen ums Feuer ausklingen. Wieder einmal sehen wir zwei kleinen, unbedeutenden Lichter aus Österreich uns gegenseitig an und sind uns einig, was wir gerade für einen unfassbar schönen Lebensabschnitt verbringen dürfen. Wir sind weder reich noch berühmt – aber wer einmal dieses zufriedene Gefühl verspüren darf, das wir schon so oft auf unserer Reise gespürt haben, der weiss, was wahres Glück bedeutet. Auch ohne finanziellen Reichtum. Den brauchen wir dazu gar nicht.
Überschall
Der nächste Morgen bestätigt, was wir uns am Vorabend gedacht und gesagt haben. Kelly hat eine Überraschung für uns, die sich so unglaublich anhört, dass wir es zuerst gar nicht fassen können. Sie hat eine Freundin, die bei der Airbase in Cold Lake arbeitet. Sie ist Hubschrauberpilotin und hat einen recht beachtlichen militärischen Rang (den wir hier aus datenschutztechnischen Gründen nicht nennen wollen). Unsere Münder sind offen und wir stehen da wie Vollidioten, als Kelly uns verkündet, dass wir dank ihrer Freundin nicht nur nahe an die Airbase dürfen, sondern sogar eine Führung bekommen. Eine Führung!! Sie fragt allen Ernstes, ob wir auch Lust und Zeit hätten. Die Antwort darauf könnt ihr vermutlich erraten.
Wie kleine Kinder laufen wir zum Wohnmobil und machen uns fertig für den Ausflug. Am Eingang zum Militärgelände werden wir von Kellys Freundin begrüsst und müssen wir erstmal unsere Führerscheine vorlegen und uns legitimieren. Dann geht es auch schon rein in den Hangar. Wir bekommen eine unglaublich detaillierte Führung durch die Hallen und stehen vor den F-18 Kampfjets, die hier zuhauf herumstehen. Als wir uns denken, es kann nicht mehr besser werden, wird eine Leiter herangeschoben und wir dürfen nicht nur in das Cockpit einer F-18 schauen, nein – wir dürfen sogar einsteigen!! Wahnsinn. Einfach der Wahnsinn. Es ist unbeschreiblich. Wenn mir jemand einmal gesagt hätte, hätte ich ihn ungläubig ausgelacht. Doch heute ist es die Wirklichkeit. Erschlagen von den ganzen Eindrücken und den Millionen Knöpfen in dem Cockpit kann ich es gar nicht fassen, was wir gerade erleben. Wir sitzen tatsächlich in einem F-18 Jet. Später dürfen wir noch einen Rettungshubschrauber ganz aus der Nähe betrachten und bekommen detailliert erklärt, wie das Prozedere abläuft. Fotos dürfen wir aus verständlichen Gründen leider keine machen, aber zumindest die Modelle vor dem Eingang der Cold Lake Airbase konnten wir digital festhalten.
Unfassbar ergriffen, begeistert und enthusiastisch verabschieden wir uns von Kellys Freundin und können uns gar nicht oft genug bedanken. Was für ein Erlebnis!! Wie in Trance sitzen wir im Auto und begeben uns auf den Heimweg und können immer noch nicht so richtig fassen, was da gerade los war. Für den Nachmittag ist ein gemütliches Programm angesagt: auf Daves und Kelly Grundstück befindet sich auch ein grosser See. Na klar. Die Kanus stehen schon bereit und bei einer gemütlichen Paddeltour lassen wir die Erlebnisse vom Vormittag noch einmal Revue passieren.
Liebe Grüsse
Reiseroute
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