Westwärts – von Bacalar nach Palenque
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Peg, wenn wir in der Hölle wären, sässest du auf dem Thron und die Teufel würden packen!
30. Januar 2022 - Reisetagebuch Eintrag #75
- HIGHWAY TO HELL | geschrieben von Rene
Polizeigetümmel auf der Strecke von Palenque nach San Cristobal. Wir bringen einen Höllenritt hinter uns, um dann in San Cristobal vom Regen in die Traufe zu kommen. Wir treffen auf die mit Abstand schäbigste Unterkunft auf unserer Reise. Krank, müde und deprimiert verlassen wir San Cristobal de las Casas und hoffen, dass wir schnell neue Kraft schöpfen können.
Police Academy
Wir schaffen es tatsächlich trocken von den Wasserfällen Aqua Azul zum vereinbarten Treffpunkt, wo unser Fahrer bereits auf uns wartet. Der Platzregen ist nach gut 30 Minuten fast vorbei. Wir freuen uns zwar nicht besonders auf die bevorstehende Fahrt, weil wir wissen, dass es vermutlich ziemlich ungemütlich wird. Aber es nützt nichts. Um 17 Uhr sollte es weitergehen, und erneut sind alle pünktlich – sogar die Russen. Für uns geht es jetzt nach San Cristobal, die anderen fahren zurück nach Palenque. Deswegen treffen sich die ganzen Colectivos an einem Sammelpunkt ganz in der Nähe von Agua Azul, um die Leute neu auf die Fahrzeuge zu verteilen. Als wir nach ein paar Minuten Fahrt dort ankommen sind wir erstaunt, denn da erwartet uns ein riesiges Polizeiaufkommen. Blau-Rot-Blinklichter wohin man auch nur schaut. Bei so viel Polizeipräsenz wird einem doch irgendwie mulmig. Wir haben uns jedoch sagen lassen, dass es eher positiv zu werten ist. Die Strecke zwischen Palenque und San Cristobal führt nämlich über eine Bergstrecke, und die ist ziemlich bekannt dafür, dass manche Dorfbewohner, ja teilweise sogar ganze Dörfer Strassensperren errichten, die Fahrzeuge an der Weiterfahrt hindern und von den Passagieren ein (natürlich illegales) Schutzgeld erpressen. Deswegen werden die Touri-Transporter manchmal auch von Polizeifahrzeugen begleitet. Unser Fahrer parkt uns irgendwo mitten ins Gewühl aus Polizisten und steigt aus.Wir sitzen seit gut 30 Minuten immer noch in unserem Toyota, neben uns stehen etwa 20 andere Colectivos und obendrein etwa 10 Fahrzeuge der Polizei. Wir fragen uns wirklich langsam, warum das nun so lange dauert. Immerhin haben wir noch 4 Stunden Fahrt vor uns, und es wird schon langsam dunkel. Plötzlich, aus heiterem Himmel, kommt Bewegung in die Szene. Alle Polizisten stürmen wie auf Kommando los, die Fahrer der Colectivos rennen ebenfalls in eine Richtung und alle schreien wie von Sinnen. Uns rutscht das Herz in die Hose und wir denken, jetzt geht gleich eine riesen Schiesserei los. Alle rennen in Deckung – auch unser Fahrer. Der schreit auch – nämlich das, was alle schreien: „Agua, Agua!!!“
Hää, Moment mal – Agua? Wasser?? Ja tatsächlich – 5 Sekunden später kommt weder ein Selbstmordattentäter noch ein Serienkiller des Weges. Es ist lediglich Regen. REGEN! Die schreien alle durcheinander, weil es anfängt zu regnen! Die Polizisten flüchten unter das Dach des nahegelegenen Restaurants, und die Fahrer springen in ihre Autos. Echt jetzt? Was stimmt mit euch nicht, ihr Sissi´s? Wir sehen unsere Extremitäten schon an der Decke des Toyotas kleben, aber in Wahrheit rennt ihr nur vor dem Regen weg? Das gibt Hoffnung. Na ja aber ernsthaft, wir sind ja froh, dass es nichts Schlimmeres ist.
Die Hoffnung auf das Gute verlieren wir allerdings, als wir nach mehr als 1 ½ Stunden Wartezeit endlich in das Gefährt umplatziert werden, dass uns nach San Cristobal bringen soll. Natürlich ist auch das kein Sprinter, sondern die gleiche Hilux-Rottelkutsche wie davor – nur in einem noch desolateren Zustand. Na so ein Glück muss man erst mal haben. Zu allem Überfluss bekommen wir die „allerbeliebtesten“ Plätze – nämlich ganz hinten. Wer in so einer blöden Karre noch nie ganz hinten gesessen hat, wird nie verstehen, warum das der blanke Horror ist. Wir könnten ausrasten, aber wir haben leider keine andere Wahl. Zudem haben sie sich auch noch verkalkuliert, und ein Mädel aus der Truppe bekommt überhaupt keinen Platz und muss an dem Sammelpunkt zurückbleiben. Ich weiss zwar nicht, wie ihre Geschichte ausgegangen ist, aber lustig war das sicher nicht für sie.
Für uns übrigens auch nicht. Endlich geht es – mit fast zweistündiger Verspätung – los. Unser Fahrer meint er wäre Schumacher und fährt wie ein Irrer. Er brettert regelmässig in vollem Tempo über die Geschwindigkeitshügel, die hier buchstäblich vor jedem bescheuerten Baum am Strassenrand in den Boden gepflastert sind. Wir knallen dank der nicht vorhandenen Federung mit unseren Birnen an die Decke der Dreckskiste. Eingepfercht wie die Batteriehühner sitzen wir mit zwei Fremden zu viert in der hintersten Reihe des Eierkartons. Kontrolliert bewegen kann man sich aufgrund des mangelnden Platzangebots ohnehin nicht. Man wird lediglich von der Gravitation und Fliehkraft in irgendeine Richtung geschleudert. Der Fahrer ist komplett gestört und vermutlich zugedröhnt wie Bert aus der Sesamstrasse. Die Bremsen leiern und der ganze Innenraum knarzt bei jeder Kurve, als würde sich die Rostkiste bald in ihre Einzelteile auflösen. Zum Glück fahren wir ausschliesslich Bergstrassen, wo es links oder rechts steil bergab geht. Dann sind wir wenigstens gleich hinüber, wenn die Bremsen versagen. Und je länger wir fahren, umso sicherer bin ich mir, dass die (und wir) bald mal das zeitliche segnen werden. Die 4 Stunden fühlen sich an wie eine Ewigkeit. Bei einer Pause steige ich aus und verbrenne mir die Finger an den Reifen unseres Transportmittels, so heiss sind die Bremsen gelaufen. Mir schmilzt die Gummisohle meiner Turnschuhe weg, als ich versehentlich eine der Felgen damit berühre. Doch scheinbar meint es jemand gut mit uns und lässt uns überleben. Kurz nach 23 Uhr nachts kommen wir endlich in San Cristobal an. Mein Sitznachbar, ein Niederländer, meint beim Aussteigen kopfschüttelnd nur noch „what a fu**ing helltrip…“. Ich kann ihm nur zustimmen.
Die Haltestelle, an der wir rausgeschmissen werden, ist so weit von unserer Unterkunft und vom Zentrum entfernt, dass wir jetzt auch noch ein Taxi nehmen müssen. Aber wir wollen die rund 3 km um diese Uhrzeit wirklich nicht mehr zu Fuss auf uns nehmen. Dann steht uns schon der nächste Schreck bevor: die Baracke, die wir offensichtlich gebucht haben, ist die mit Abstand mieseste, in der wir jemals waren. Zunächst sieht es noch recht gut aus – na ja, also „gut“ heisst in Mexico, dass es noch nicht komplett verfallen ist, aber für europäische Verhältnisse wäre es schlicht und ergreifend unzumutbar. Bei uns würde so eine Hütte auf dem schnellsten Wege dem Erdboden gleich gemacht werden, doch wir waren schon öfters in solchen Unterkünften.
Die «Chile Mexicano Accommodation» in San Cristobal
Wir suchen unsere Unterkünfte immer über Booking.com. Das ist das einfachste und auch eines der meist verbreiteten Portale in Mexico. Und natürlich schauen wir neben dem Zimmerpreis auch auf die Bewertungen und haben uns im Vorfeld unglücklicherweise für die Chile Mexicana Accommodation in San Cristobal de las Casas entschieden. Doch scheinbar leiden einige der ehemaligen Bewohner dieser Drecksbude unter schizoaffektiven Erkrankungen, bipolaren Störungen oder zumindest schweren unipolaren Depressionen – denn unter den Bewertungen finden sich tatsächlich unfassbar viele positive Kommentare. Das war auch der Grund, warum wir uns diese Müllkippe ausgesucht haben. Aber jetzt mal im Detail: Wir kommen spät nachts in unser „Zimmer“. Zunächst muss man wissen, dass San Cristobal auf über 2.000 m Seehöhe liegt. Das bedeutet, dass es hier – obwohl es mitten im warmen Mexico liegt – speziell nachts empfindlich kalt werden kann. Das Thermometer fällt nicht selten auf 6 Grad oder weniger ab, tagsüber kann man mit 12 – 15 Grad rechnen. Wir stehen also in unserem Zimmer und können es kaum glauben, dass wir unsere dicken Jacken gar nicht ausziehen wollen. Im Zimmer ist es eiskalt, es gibt weder eine Heizung noch sonst etwas, an dem man sich aufwärmen kann. Beim Blick in das „Badezimmer“ schauen wir uns dann entgeistert an und stellen uns zeitgleich gegenseitig die Frage „wie tief sind wir gesunken?“Es war tatsächlich ein wirklich schreckliches Erlebnis. Alles in der gesamten Unterkunft ist feucht-kalt und schimmlig. Das Badezimmer ist klatschnass, die Wände, die Decke, von überall tropft es herunter. Und im Zimmer hat es keine 14 Grad. Unser Bett ist mit einer schimmeligen, modrigen, durchgelegenen Matratze belegt von der wir nicht wissen, ob die Verfärbungen Piss- oder Kotzflecken sind. Oder beides. Uns widert es dermassen an, dass sich unwillkürlich Brechreiz bei uns einstellt. Der Raum hat kein Fenster nach draussen, was die angestaute Feuchtigkeit und die metergrossen Schimmelflecken erklären. Wir quälen uns aus einem Teil unserer Bekleidung, aber wir versuchen, so viel wie möglich anzubehalten. Erstens damit wir nicht noch mehr frieren und zweitens damit die ekligen Decken unsere Haut nur so wenig wie möglich berühren. Weil wir von der Anreise so kaputt sind, schlafen wir schlussendlich ein, aber fühlen uns mies, dreckig und wie zwei versoffene Penner.
Am nächsten Morgen zeigt sich dann das restliche Ausmass der Katastrophe. Wir flüchten aus unserem Zimmer. An Duschen ist nicht zu denken, uns ekelt es viel zu sehr. Wir schauen uns kurz in der Gemeinschaftsküche um, und könnten schon wieder kotzen. Aus jeder Türe, die man öffnet, strömt ein grauenhafter Gestank. Selbst am Wasserspender finden wir überall Schimmelflecken. Der Kamin der Unterkunft wurde offensichtlich seit Monaten nicht mehr eingeheizt. Aber scheinbar ist es den Besitzern auch gar nicht klar, dass sie ein Schimmelproblem haben. Für sie scheint dieser Dreckstall normal zu sein. Würden sie ihr Gehirn für eine Sekunde einschalten, dann würde ihnen klar werden, dass sie die Bude regelmässig ausheizen müssten, um gegen den Schimmel anzukämpfen. Aber das ist dann wohl doch etwas zu viel vorausgesetzte Intelligenz. Auch das Gespräch mit einem der Besitzer bringt nichts: ich erkläre ihm, dass es in der Dusche von der Decke tropft, und das, obwohl gar kein Wasser läuft. Die Wände sind klatschnass. Aber für ihn ist das normal – er meint, es tropft vom Duschkopf. Wie bescheuert kann man sein??
Wir werden krank von der Drecksbude. Magdalena geht es von Stunde zu Stunde schlechter. Wenn ich mich im Zimmer aufhalte, bekomme ich Kopfschmerzen und mir wird übel. Ich muss sogar meine Tasche regelmässig von den Schimmelsporen befreien, die von der Decke fallen. Wir flüchten auf die Dachterrasse und sehen, dass der Hund der Besitzer überall auf den Boden pisst und irgendwann in die Ecke scheisst. Nein Leute, das ist nicht erfunden – das ist wahr! Mit einem Achselzucken verschmiert einer der Betreiber etwa eine halbe Stunde danach mit einem Wischmob die Pisse überall auf dem Boden, die Kacke nimmt er zwar auf, die Kackspuren lässt er aber so wie sie sind.
Na gut, wir wollen unseren Reiseblog nicht weiter mit diesen unappetitlichen Schilderungen ausführen, obwohl noch einige andere unglaubliche Sachen vorgefallen sind. Wir wollen die Schimmelbude schlussendlich nur noch so schnell wie irgendwie möglich aus unserem Gedächtnis streichen – und vielleicht auch den ein oder anderen Leser davor warnen, in das Chile Mexicana in San Cristobal zu gehen.
San Cristobal
Ich erzähle lieber über San Cristobal selbst. Wie bereits erwähnt liegt die Stadt auf über 2.000 m Seehöhe. Die Temperaturen sind wir absolut nicht gewohnt, und wir müssen tief in unseren Taschen nach den wärmsten Sachen graben, die wir finden können. Wir sehen beim Stadtspaziergang den ein oder anderen Touristen, der definitiv nicht auf diese Kälte eingestellt war: mit kurzer Hose und (ärmellosem) T-Shirt oder einem dünnen Top ausgestattet zieht das ein oder andere Paar schlotternd durch die Strassen. Heizungen sucht man in San Cristobal vergeblich – denn die gibt es hier nirgends. Die Kälte wird hier ausgesessen. In jedem Restaurant und in jedem Geschäft stehen auch die Angestellten mit dicken Jacken herum. Vereinzelt sieht man – ganz selten – sogar einen Heizpilz, aber keiner davon ist an. Doch tagsüber, wenn die Sonne scheint, kann man es aushalten. Nur leider ist der Himmel über San Cristobal sehr oft mit Wolken bedeckt.Bei unserem ersten Spaziergang haben wir noch Glück – bis nachmittags um etwa 2 scheint die Sonne, und wir können uns ein wenig erwärmen. Danach zieht es zu und der Regen setzt ein. Die Temperaturen fallen schlagartig wieder auf etwa 12 Grad. Doch San Cristobal ist eine wirklich schöne Stadt. Gut, man muss es ein wenig eingrenzen: die Aussenbezirke – oder bessergesagt alles, was ausserhalb des kleinen Zentrums liegt, ist typisch mexikanisch: eintönige, langweilige, quadratische Buden ohne jeglichen Charme. Keine Blumen, kein Schmuck, keine Verzierungen – überhaupt nichts. Weder aufgeräumt noch sonst irgendwie liebevoll behandelt. Von dieser Vorstellung muss man sich in Mexico ein für alle Mal verabschieden: die Bau“kunst“ ist die liebloseste, die wir auf unserer bisherigen Reise gesehen haben. Doch zumindest der Stadtkern von San Cristobal hat etwas, was wir bislang noch überhaupt nirgends in Mexico gesehen haben: eine Fussgängerzone! Na das ist doch mal was ganz anderes, und wir geniessen einen gemütlichen Spaziergang durch die Gasse. Ganz ohne Autos, ohne Mopeds und ohne ständiges Hupen. Die vielen kleinen Cafes und Restaurants links und rechts sehen schick aus und laden ein, sich gemütlich dort niederzulassen. Auch der Stadtpark in San Cristobal kann sich durchaus sehen lassen. Wir ergattern eine der beliebten Sitzbänke und geniessen die wärmenden Sonnenstrahlen. Bei unseren Spaziergängen finden wir noch ein Highlight: die allerbeste Bäckerei, seit wir mexikanischen Boden berührt haben: die Panadería artesanal Roots – mit RICHTIGEM Brot mit echter Kruste, mit tollem Geschmack und endlich einer Konsistenz, die nicht an einen Küchenschwamm erinnert. Grossartig! Wir lieben sie.
Judith stösst übrigens auch wieder zu uns. Sie hat ihren „Visa Run“ nach Guatemala gut hinter sich gebracht und hat es geschafft, nochmals 100 Tage Aufenthalt in Mexico zu bekommen. Nun sollte der restlichen Reise nichts mehr im Wege stehen. Glücklicherweise war in unserer Unterkunft kein Zimmer mehr frei, und so findet sie ein Hostel, dass weit weniger ekelerregend ist als unseres. Gemeinsam besuchen wir den berühmten Handwerksmarkt in San Cristobal, der über die Jahre hinweg immer grösser wurde. Hier bieten verschiedenste mexikanische Ethnien ihre zumeist selbstgefertigten Waren an – angefangen von Hüten über Schürzen, Kleidern, Hemden und Röcken bis hin zu Schuhen und allerlei selbstgemachten Souvenirs. Wir sind zwar nicht die Souvenirjäger, aber hier können wir uns nicht mehr zurückhalten (oder besser gesagt ich): wir kaufen um ein paar Pesos einen gestrickten Kaktus, der – wenn wir wieder zurück in Europa sind – unsere Frida schmücken soll.
Obwohl das Zentrum von San Cristobal sehr schön ist, macht uns die Kälte zu schaffen. Beziehungsweise viel mehr die fehlende Möglichkeit, uns abends aufzuwärmen. Wir kommen in die eiskalte Unterkunft, wickeln uns die dreckigen, ekligen Decken um den Hals und trinken einen heissen Tee nach dem anderen, den wir aus dem schimmeligen Wasserspender ziehen und im versifften Wasserkocher erhitzen. Auch Judith hat in ihrer Unterkunft keine Heizung. Und so dauert es nicht besonders lange, bis die beiden Mädls krank werden. Es geht beiden von Tag zu Tag schlechter. Husten, Durchfall, Krämpfe, Kopf- und Gliederschmerzen.
Ich bekomme lediglich Husten, was ich gut verkraften kann. Doch Magdalena und Judith sind schon bald am Ende ihrer Kräfte. Wir beschliessen, San Cristobal so schnell wie möglich zu verlassen und in eine Gegend zu flüchten, wo es wärmer ist, damit sie wieder gesund werden können. So reisen wir einen Tag früher als geplant ab. Das nahegelegene Chiapa de Corzo im Tal verspricht wieder angenehme Temperaturen. Die zwei nehmen alle ihre Kräfte zusammen, wir packen unsere Taschen und schleppen uns mit einem Taxi und einem Colectivo die etwa 1stündige Strecke bis nach Chiapa. Schon beim Aussteigen in Chiapa atmen wir die warme, angenehme Luft tief ein.
Doch leider kommen die Wärme und die trockene Luft zu spät. Wir beziehen unsere Unterkunft, aber die zwei erwischt es jetzt voll: mehrere Tage lang hüten sie das Bett, und wir gehen von einer Apotheke zur nächsten. Beiden geht es richtig schlecht – niedergestreckt liegen sie in den leider sehr unbequemen Betten und versuchen, mit Nudelsuppe, Tee und Medikamenten wieder auf die Beine zu kommen.
Das alles war uns eine Lehre. Für uns wird klar, dass wir in Zukunft die Finger von den billigen, abgewrackten Unterkünften wie das Chile mexicano lassen und auch, wenn wir das nächste Mal wieder in eine höherliegende Stadt gehen, drauf achten, dass wir uns mit einer Heizung zumindest abends aufwärmen können. Nach den ganzen Ereignissen erleben wir alle ein echtes mentales Reisetief. Unsere Motivation ist vollkommen erschöpft, und das ein oder andere Mal denken wir ernsthaft über einen Reiseabbruch nach. Mexico ist nicht einfach. Natürlich, wenn man eine durchorganisierte Rundreise bucht, oder die obligatorischen zwei Wochen am Puderzuckerstrand, dann sieht man all das nicht, was uns jetzt doch immer mehr auf das Gemüt drückt: Mexico ist arm, aber auch auf die Umgebung wird kein Pfennig wert gelegt. Überall stapelt sich der Dreck und der Müll. Am Strassenrand liegen die Bierdosen, Plastiksäcke, Abfall, soweit das Auge reicht. Die Strassenhunde machen sich über die Müllcontainer her und verteilen den Abfall noch weiter. Ja, die Mexikaner sind sehr freundliche Menschen. Aber sie bekommen leider auch nicht viel auf die Reihe. Alles, was man hier findet hat keine Qualität. Auch in den Unterkünften. Alles ist irgendwie kaputt, oder funktioniert nicht richtig. Alles wird „schnell-schnell“ gemacht. Keine Wand ohne Risse, kein Duschkopf oder Wasserhahn ohne Kalk, keine Bettdecke ohne Flecken, kein Gerät ohne Mangel. Alles wird bis zum vollständigen Zusammenbruch genutzt, dann einfach irgendwo entsorgt. Die kaputten Kloschüsseln liegen am Strassenrand genauso wie die Wohnzimmerkästen oder die abgefressene Couch.
Man muss klarkommen mit der Mentalität, die hier vorherrscht. Es wird nichts in Schönheit investiert. Alles wird irgendwann mal gekauft oder gebaut, danach bleibt es für immer und ewig so, wie es ist. Es wird nie wieder was daran gemacht oder investiert. Die Strassen, die Wohnsiedlungen, vieles was wir hier finden ist ungepflegt. Das Gras wächst aus der Strasse, Gehsteige sind kaputt, überall Löcher, offene Kanaldeckel, Müll soweit das Auge reicht und nichts wird weggeräumt. Manchmal sieht es aus wie in einem Endzeitfilm. Die Autos pfeifen aus dem letzten Loch, die meisten davon dürften auf europäischen Strassen nicht mal in der eigenen Einfahrt stehen, so gesundheitsgefährlich sehen manche aus. Es steht mir nicht zu, darüber zu urteilen. Ich kenne das Volk und dessen Geschichte zu wenig. Aber ich kann beurteilen, was ich sehe. Ich persönlich finde es schade, dass sie sich nicht mehr Mühe geben, ihr Land, ihre Kultur, ihr Wesen und ihre Umgebung zu schützen, zu verschönern und zu pflegen. Aber meine Gedanken würden zu weit führen, um sie alle hier auszuführen. Ich denke, jeder muss sich selbst ein Bild davon machen.
Chiapa de Corzo
Doch wir schauen nach vorne: Chiapas soll nicht unsere letzte Station in Mexico gewesen sein. Und es ist auch nicht alles schlecht, was in den letzten zwei Wochen vorgefallen ist. Als wir alle wieder fit sind, machen wir einen wunderschönen Ausflug mit dem Boot in den Nationalpark Cañón del Sumidero. Über zwei Stunden dürfen wir am Canyon die Tierwelt und die Weiten und Höhen des Rio El Sumidero entdecken. Die Spinnenaffen hangeln sich gekonnt von einem Baum zum nächsten. Nicht weit daneben sind die Kormorane in riesiger Anzahl auf Fischfang und die Krokodile am Ufer sorgen für ein schauriges Erlebnis. Es waren die ersten Krokodile, die wir in freier Natur beobachten konnten. Es ist beeindruckend, durch die gigantischen Schluchten des Canyons zu fahren, mitten durch die bis zu 1.000 Meter hohen Felswände die nahezu senkrecht in die Höhe ragen. Wir sind froh, dass wir diese Tour gebucht haben und so aus dieser Region ein einzigartiges Erlebnis mitnehmen und positiv auf die Weiterreise blicken können.Für uns geht es weiter – bald werden wir die Westküste erreichen und unsere Zehen dann das erste Mal in den Pazifik eintauchen. Doch bis dahin stehen uns zunächst über 13 Stunden Busfahrt bevor.
Chiapa de Corzo, im Januar 2022
Liebe Grüsse
Liebe Grüsse
Rene
Reiseroute
07. - 10. Jan. 2022San Cristobal de las Casas
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Erfahrungsberichte