
Die engen Strassen Britanniens
31. Juli 2022
Vom Märchenschloss zur goldenen Stadt
7. August 2022Goodbye England. Welcome Home

Bewahren von Dankbarkeit besteht darin, dass ich für alles, was ich Gutes empfangen habe, Gutes tue.
31. Juli 2022 - Reisetagebuch Eintrag #95
- GOODBYE ENGLAND. WELCOME HOME | geschrieben Rene
Dover und das Dover Castle stehen als letzter Programmpunkt unserer England-Reise auf dem Programm. Wir sind von der Geschichte und der Grösse der Festungsanlage überrascht. Nachdem wir die Lage von Dunkirk etwas verschätzt haben, treffen wir in Bielefeld bei Daniela und Dennis ein, die uns gerne auf eine Roomtour durch ihren Snorre mitnehmen. Nach einem kurzen Service-Stopp in Bad Waldsee treffen wir in unserer alten Heimat ein und besuchen nach gut 2,5 Jahren Reise wieder einmal unsere Familien und Freunde.
Dover
Dover war unsere erste und wird auch unsere letzte Station in England werden. Bei unserer Ankunft vor einigen Wochen haben wir Dover noch links liegen gelassen, das soll sich nun ändern. Wir wollen das Nützliche mit dem Angenehmen verbinden – denn unsere Fähre geht ja bekanntlich von Dover wieder zurück nach Frankreich – dieses Mal aber nicht nach Calais, sondern nach Dunkirk / Dünkirchen. Das liegt etwas weiter östlich und spart uns somit gut 30 km an Landweg – denn unser Kompass ist auf Deutschland gerichtet. Der Fährpreis ist gleich hoch wie nach Calais, also packen wir die Gelegenheit gleich beim Schopf.
Doch zuerst müssen wir eine sehr unliebsame Tätigkeit verrichten: Tanken. Das ist mittlerweile eine der grössten Horrorvorstellungen, denn die Preise für den Liter Diesel sind in astronomischer Höhe angelangt. Für uns heisst es “Augen zu und durch” und die Zahl an der Zapfsäule am besten gar nicht beachten und gleich wieder vergessen, dass man flüssiges Gold - ähhhm, sorry: Öl - getankt hat. Wir finden eine vermeintlich billige Tankstelle – sofern man bei diesen Preisen noch von “billig” sprechen kann. Wie gesagt – Hirn aus, Zapfhahn an.
Als Belohnung wollen wir ein allerletztes Schloss besichtigen – Dover Castle – und anschliessend der kleinen Stadt noch einen Besuch abstatten. Übernachtet wird auch auf einem Parkplatz in Dover selbst, bevor es am nächsten Morgen um 08:00 Uhr ab auf die Fähre geht.
Dover Castle ist überraschend gross. Damit hatte ich eigentlich gar nicht gerechnet. Schon von Weitem sieht man die prächtige Silhouette des Schlosses an den weissen Klippen von Dover. Wir suchen uns einen schönen Parkplatz für Frida, den wir dieses Mal wirklich sehr leicht finden. Fast kein Mensch ist da und wir haben die freie Platzwahl. Also nichts wie rein in das Dover Castle, für das wir uns wieder einmal genügend Zeit reserviert haben.
Um 1168 bis 1178 wurde die Burg quasi in Rekordzeit errichtet. Wie gewohnt gab es in den folgenden Jahrhunderten einige Gerangel um die Burg, doch nennenswert ist erst die Eroberung im englischen Bürgerkrieg 1642. Da die Burg durch eine List erobert wurde, fiel kein einziger Schuss – folglich wurde die Burg nicht verwüstet und ist deshalb in einem besseren Zustand als die meisten anderen Burgen.
Bei den Napoleonischen Kriegen gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Castle massiv verstärkt und zusätzliche Geschützstellungen angebracht. Als Garnisonsstadt mussten Kasernen und Lagerräume für die zusätzlichen Truppen und ihre Ausrüstungen geschaffen werden. Dazu wurden 15 Meter unter den Klippen Tunnel gebaut und 1803 die ersten Soldaten einquartiert. Auf dem Höhepunkt der napoleonischen Kriege beherbergten die Tunnel mehr als 2.000 Männer. Sie sind bis heute die einzigen jemals in Großbritannien gebauten unterirdischen Kasernen. Nach Kriegsende wurden die Tunnel für den Küstenschutz im Kampf gegen den Schmuggel verwendet. Erst mit Beginn des zweiten Weltkriegs sollten den Tunneln eine überaus wertvolle Bedeutung zukommen.
Die Tunnel wurden zunächst in einen Luftschutzkeller und später in ein militärisches Kommandozentrum und Lazarett umgebaut. Im Mai 1940 leitete Admiral Ramsay die Evakuierung von britischen und französischen Soldaten aus Dünkirchen (Dunkirk) von der Kommandozentrale in den Tunneln aus. Die Evakuierungsgeschichte wurde eindrücklich im 2017 erschienenen Film “Dunkirk” von Christopher Nolan aufgearbeitet.
Das stationäre Lazarett war sichtlich kein angenehmer Arbeits- und Aufenthaltsort. Im Winter eisig kalt, im Sommer stickig heiss und die Atmosphäre in den engen, vollgestopften Tunnelräumen muss beängstigend gewesen sein. Bei einer Führung durch das ehemalige Untergrund-Krankenhaus erfahren wir aber auch, dass die Krankenschwestern und Ärzte durchaus gerne in dieser ungemütlichen Umgebung gearbeitet hatten. Dover war zu Kriegszeiten eine der meist bombardierten Städte. Nahezu täglich hagelten die Bomben vom Himmel – doch die Überlebenschancen waren im unterirdischen Lazarett um einiges höher als in den umliegenden Krankenhäusern, die für die Fliegerstaffeln ein leichtes Ziel waren. Nachdem wir das unterirdische Krankenhaus besichtigen konnten, dürfen wir auch an einer Führung durch die ehemalige Kommandozentrale und die 1941 errichtete militärische Telefonzentrale miterleben. Hier hat sich einiges abgespielt – viele Räume sind nahezu authentisch erhalten geblieben – teilweise sogar in originaler Ausstattung, Möbeln und Maschinen. Es ist beeindruckend und beängstigend zugleich. Doch bis Kriegsende konnten die Deutschen die Tunnel weder beschädigen noch einnehmen. Es war zu dieser Zeit eines der sichersten Orte in der Umgebung.
Einige Jahre später wurden die Kommandozentrale und die hiesigen Einrichtungen als Schutzbunker für den kalten Krieg umfunktioniert. Doch bekanntlich und glücklicherweise ist der Ernstfall nicht eingetreten. Heute ist das Dover Castle ausschliesslich eine Touristenattraktion und hat keine militärische Funktion mehr.
Es ist wieder einmal sehr spannend, wie die Geschichte rund um das Dover Castle anschaulich aufgearbeitet wurde. Da kann sich so manche Sehenswürdigkeit in unseren Breitengraden eine Scheibe abschneiden. Nach einem sehr ausgedehnten Spaziergang über die Burgmauern und die Innenhöfe der Wehranlage geht es zurück zu unserem Wohnmobil. Wir haben noch ein wenig Zeit, um Dover selbst zu erkunden. Dafür stellen wir uns auf einen Parkplatz mitten im Zentrum – dort darf man auch über Nacht bleiben und ist somit der perfekte Ort für uns, um am nächsten Morgen auf die Fähre zu gehen.
Beim Spaziergang durch Dover selbst ist uns – zugegebenermassen – aber das allererste Mal nicht ganz wohl. Es ist zwar keine Angst, aber es tummeln sich dort verhältnismässig viele schummrige Gestalten, Betrunkene und Obdachlose herum. Viele haben Bierdosen in der Hand, torkeln herum oder versammeln sich zu Grüppchen. Gut, wir sind schon vieles gewohnt, erschreckt hat uns das nicht. Aber doch für England sehr ungewöhnlich, denn bisher hatten wir das noch in keiner Stadt hier so erlebt.
Eine wichtige Aufgabe gilt es noch zu erfüllen: Ansichtskarten müssen geschrieben werden. Doch als Magdalena ein Nagelstudio erblickt und unverhofft 5 Minuten vor Feierabend noch einen Termin ergattert, muss ich alleine weiterziehen und die Karten besorgen. Was zugegeben gar nicht so einfach ist: Zunächst haben die meisten Läden schon zu (es ist 18 Uhr). Die Läden, die noch offen haben, haben aber keine Ansichtskarten. Als ich doch einen Laden finde, hat der zwar Karten, aber keine Briefmarken. Nun muss ich also zuerst einen Laden finden, der Briefmarken hat (ansonsten wäre die Gefahr, dass wir Ansichtskarten haben, die wertlos sind, weil wir keine Marken dafür bekommen. Das nächste Problem: Das Nagelstudio, in dem meine Frau auf ihre Behandlung wartet, nimmt nur Bargeld (na sowas...). Wir haben aber all unser Bargeld in Pfund logischerweise bereits ausgegeben, denn auf dem Festland fangen wir damit nichts mehr an. Also müssen wir zunächst Bargeld besorgen, dass wir möglichst rückstandsfrei dann auch wieder ausgeben können. Ich finde einen Bankomaten, bei dem ich 30 Pfund bekomme. 28 davon braucht meine Frau, also habe ich zwei Pfund in bar. Das reicht natürlich weder für die Briefmarken noch für die Karten. Wie auch immer – das Bargeld ist organisiert, ich finde dann auch noch ein Geschäft mit Briefmarken und kann dort glücklicherweise mit Karte bezahlen. Dann schnell zum Geschäft, wo es die Ansichtskarten gibt. Die Ladenbesitzerin hat einen Narren an mir gefressen und diskutiert gute 20 Minuten mit mir und erzählt mir ihre ganze Leidensgeschichte. Ich bin ein geduldiger Zuhörer, und da ich ohnehin nichts zu tun habe verweile ich die Zeit im Geschäft. Ich hoffe auf einen Rabatt bei den Ansichtskarten, aber mein Wunsch wird nicht erfüllt. Ich darf (und muss) maximal 2 Pfund ausgeben, aber die Ansichtskarten kosten 2,50 Pfund. Also möchte ich 0,50 Pence mit Karte bezahlen und den Rest bar. Aber mit Karte muss der Betrag mindestens 1 Pfund sein. Okay, damit es nicht zu langweilig wird: ich schaffe alles, bekomme die Briefmarken, die Karten und das Bargeld für die Nägel meiner Frau bleibt auch noch übrig. Damit ist der Tag gerettet. Am Abend werden die Karten dann noch geschrieben und die allerletzte Hürde - einen Briefkasten zu finden, wo wir alles einwerfen können - meistern wir gegen 22 Uhr dann auch noch!
Die Nacht ist relativ ruhig, und am nächsten Morgen geht es planmässig auf die Fähre. Irgendwie ist das Dünkirchen auf der Karte nicht das Dünkirchen, wo wir tatsächlich ankommen. Wir stellen fest, dass der Fährhafen doch um einige Kilometer weiter westlich von Dünkirchen liegt. Somit schrumpft unser Vorteil des verkürzten Weges von 30 km auf 10 km. Aber immerhin. Zurück auf dem europäischen Festland geht es für uns nun Richtung Bielefeld.
Bielefeld
Wir fahren also in die Stadt, die es eigentlich gar nicht gibt. Achtung, Insiderwissen! Alle, die mehr darüber erfahren wollen, googlen am besten mal nach der “Bielefeld-Verschwörung”. Vollkommen unnützes Wissen am Rande, aber unser Blog soll ja auch bilden. Also, wir haben uns persönlich davon überzeugt und finden zumindest das Ortsschild “Bielefeld”. Und was machen wir ausgerechnet in Bielefeld? Das ist relativ leicht erklärt: Daniela und Dennis, unsere Freunde, die wir vor gut 1,5 Jahren auf einem Stellplatz in Spanien nach langer Zeit wieder mal getroffen und so vollgelabert haben, dass sie sich kurzerhand entschlossen haben, ihre Auswanderungspläne über Bord zu werfen und stattdessen ein Expeditionsmobil zu bauen, erwarten unseren Besuch. Am Freitagabend treffen wir ein und verbringen dann zwei gemütliche Tage in der Halle, in der sie an ihrem “Snorre” schrauben, kleben, abdichten, kleistern und montieren. Die ehemalige Feuerwehr sieht schon viel mehr nach Expedition als nach Löschfahrzeug aus. Die Arbeiten sind im vollen Gange und wir dürfen auch ein bisschen mithelfen, um Snorre wohnlich zu gestalten. Natürlich darf auch die Gemütlichkeit nicht zu kurz kommen und so wird am Abend der Grill angezündet (im wahrsten Sinne des Wortes!). Die Zeit geht wieder einmal viel zu schnell vorbei, und am Sonntagmorgen müssen wir uns leider schon wieder verabschieden. Die Zwei haben richtig viel vor. Im September 2022 fällt der Startschuss und es geht los Richtung Portugal und dann nach und durch Afrika und – wer weiss, vielleicht fahren wir uns ja bald wieder über den Weg.
Wir müssen nun allerdings noch ein paarhundert Kilometer hinter uns bringen, denn wir haben einen Termin beim Hymer-Center in Bad Waldsee. Dieser eine Termin, der uns seit Monaten ein bisschen den Takt für unsere Reise vorgibt. Aber wir wollen es auch nicht verfallen lassen. Frida feiert bald ihren zweiten Geburtstag, und die letzten paar kleinen Garantiemängel wollen noch repariert werden. Zudem steht ein Servicetermin an, und die Gasprüfung muss auch gemacht werden. Also, next stop: Bad Waldsee. 3 Tage lang müssen wir unsere liebe Frida in die Obhut der Serviceleute geben, und so mieten wir uns kurzfristig über Booking ein kleines, süsses Appartement in der Nähe und warten darauf, bis wir die Schlüssel wieder in Empfang nehmen dürfen. Dank der tollen Arbeit des Hymer-Centers wurden alle unsere Reklamationen im Rahmen der Garantie ausgeführt und wir können nun eine ganz frische, saubere und bis ins letzte Detail fehlerfreie Frida in Empfang nehmen.
Heimatbesuch
Für uns heisst es nun, ein paar Wochen “Auszeit” zu nehmen. Ja, klingt etwas überheblich, wenn man bedenkt, dass wir ja ohnehin das ganze Jahr die schönsten Ziele unserer Welt erkunden dürfen. Aber wir wollen einfach gerne unsere Familie, Freunde und Verwandte wiedersehen. Aus diesem Grund haben wir einen Aufenthalt in unserer alten Heimat Schweiz/Österreich geplant. Aus zwei Wochen werden schnell drei, und während dieser Zeit sind wir fast mehr auf Tour als während unserer Reise. Aber der Besuch lohnt sich, wir kommen endlich wieder auf den neuesten Stand von Klatsch und Tratsch und können natürlich auch unsere Reiseeindrücke an den Mann und an die Frau bringen.
Die Tage sind viel zu schnell vorbei. Der Abschied fällt nicht leicht, aber andererseits wollen wir auch wieder raus in die weite Welt. Unser derzeitiges Leben, weit abseits von der rauen, eintönigen Realität, bei der sich alles immer nur um die gleichen abgelutschten Themen dreht, gefällt uns gerade richtig gut. Nein, wir ignorieren die Wahrheit nicht (oder zumindest das, was man uns als “Wahrheit” weis machen möchte) – wir wollen sie nur nicht ständig als allgegenwärtigen und lebensbestimmenden Mittelpunkt unseres Daseins haben. Es ist wirklich sehr angenehm, nicht immer live am Puls der Zeit zu sein, ständig die neusten Nachrichten zu hören und zu erleben, welche Ängste und Sorgen unsere Politiker und Medien den manchmal auch sehr leichtgläubigen Menschen aufdrängen wollen. Andererseits erleben wir glücklicherweise auch bei immer mehr Leuten eine noch nie dagewesene kritische und hinterfragende Haltung gegenüber den Mainstream-Nachrichten-Einheitsbrei, der kontinuierlich und leicht zugänglich über die verschiedensten Kanäle frei Haus auf dem Silbertablett präsentiert wird und die Panik der ohnehin verunsicherten Menschen weiter schürt. Aber egal, lassen wir das Politikum und widmen wir uns wieder unserer Reise.
Richtung Osten
Für uns geht es nämlich nun nach Osten. Genauer gesagt ist die tschechische Republik unser erstes Ziel. Da wir den Westen ja schon sehr intensiv erkundet haben, bietet sich dieses Ziel für uns natürlich an. Auf unserem Weg dahin machen wir nochmals einen Schwenk über Bad Waldsee, um die allerletzten Arbeiten an unserem Wohnmobil durchführen zu lassen. Als Übernachtungsplatz finden wir einen Caravan- und Wohnmobil-Grosshändler im Raum München. “Der Freistaat” in Sulzemoos bietet uns die kostenlose Möglichkeit zur Übernachtung, und natürlich nutzen wir das auch gleich dazu, im riesigen Shop des Campinghändlers mal wieder alle nötigen und unnötigen Dinge des täglichen Camperbedarfs zu begutachten. Nach dieser kurzen Verschnaufpause geht es nun aber wirklich weiter: Unser erstes Ziel in Tschechien heisst Krumlov, bzw Krumau an der Moldau.
Liebe Grüsse
Reiseroute
15. Juni 2022Dover
UK16. Juni 2022Duisburg
DE17. - 19. Juni 2022Bielefeld
DE20. - 23. Juni 2022Bad Waldsee, Wolfegg
DE23. Juni - 17. Juli 2022Vorarlberg und Schweiz
AT, CH18. - 20. Juli 2022Sulzemoos
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