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19. September 2021 - Reisetagebuch Eintrag #62
- KELTISCHE SCHÖNHEIT - GALIZIEN | geschrieben von Rene
Der Norden Galiziens - die rauhe Küste an der Biskaya - ist eine andere Welt. Hier spürt man überall die keltischen Einflüsse. Wir besuchen den Punta Frouxeira, den Santo André de Teixido und übernachten an einer Klippe Namens Banco-Mirador acantilados do Loiba. Wenn wir es nicht besser wüssten würden wir glauben, wir sind in Irland.
Die Biskaya
Wir verlassen Betanzos und fahren weiter in den Norden Galiziens. Hier beginnt (oder endet, je nachdem wie man es sieht) der Golf von Biskaya, oder schlicht die Biskaya genannt. Sie erstreckt sich von Galicien bis zur Bretagne entlang der Nordküste Spaniens und der Westküste Frankreichs. Bekannt ist die Biskaya vor allem für das schlechte Wetter, die Stürme und extreme Verhältnisse auf See. Gut, welche Verhältnisse auf See herrschen ist uns relativ egal, aber bei schlechtem Wetter und Stürmen werden wir schon etwas hellhörig. Unser Ziel hier oben heisst zunächst Punta Frouxeira in der Nähe von Valdovino. Das Wetter ist uns gnädig, nur ein paar Wolken zieren den Himmel und zudem ist es fast windstill – die Biskaya meint es also gut mit uns. Als wir bei dem etwas futuristisch wirkenden Leuchtturm aussteigen sind wir ziemlich verblüfft. Die Landschaft wirkt karg, felsig und ist nur spärlich bewachsen. Die schroffen Felsen im Wasser und die Wellen die dagegen peitschen – das alles erinnert uns doch sehr an ein Land, das viel weiter nördlich liegt – nämlich Irland! Passend zur Szene zieht vom Meer plötzlich Nebel herein und überzieht die Landschaft mit grauen Fäden. Hätte mir einer ein Guinness angeboten hätte ich alles dafür verwettet, im Inselstaat in Nordwesteuropa zu sein – wenn ich es nicht besser gewusst hätte.Diejenigen die uns etwas besser kennen wissen, dass uns das sehr gut gefällt. Auch wenn wir eigentlich keine Fans von nasskaltem und windigem Wetter sind, aber landschaftlich übt diese mystische Stimmung eine nahezu magische Anziehung auf uns aus. Ich zum Beispiel sehe dann plötzlich überall Trolle, Elben, Zwerge und Frodo Beutlin mit seinem Ring durch die Gegend spazieren. Ich glaube ich muss langsam mal erwachsen werden. Wir spazieren also in Frouxeira der Küste entlang. In Galicien hat übrigens gefühlt jedes zweite Wort ein «X» irgendwo verbaut. Das hat damit zu tun, dass die Galicier neben Spanisch auch – wie fast alle anderen autonomen Regionen – ihre eigene Sprache haben. Es macht es für mich als Spanischlernender nicht wirklich einfach, wenn in Spanien nirgends spanisch gesprochen wird. Aber gut, fairerweise muss man sagen, dass man mit dem «Norm-Spanisch» natürlich überall durchkommt, und auch die meisten Sachen (Speisekarten, Schilder, etc.) sind neben der eigenen Landessprache auch zusätzlich in Spanisch verfasst. Aber ja – ich bin tatsächlich überrascht, dass hier jede Region ihre eigene Sprache pflegt. Nun aber endlich zurück zu Frouxeira: es gibt uns einen Vorgeschmack darauf, was uns an der Nordküste noch erwartet. Und es ist echt eindrucksvoll. Unterhalb des Leuchtturms entdecken wir alte Tunnel mit verwinkelten Seitenarmen, unterirdisch zu allem möglichen Stellen mit freier Sicht auf die See führen. Wir sind uns nicht sicher, ob es sich dabei um militärische oder nautische Aussichtsposten handelt. Trotzdem ist es irgendwie etwas unheimlich, durch die dunklen verwinkelten Tunnel zu spazieren.
Es ist noch früher Nachmittag, und obwohl es sich lohnen würde hier noch ein paar Stunden zu verbringen fahren wir weiter an der Nordküste entlang in etwas höherliegende Gebiete: zum Aussichtspunkt Santo André de Teixido mit Blick auf das gleichnamige Dorf. Die Anfahrt dahin ist nicht die einfachste. Die Strasse wird immer schmaler, das Bankett ist auf beiden Strassenseiten ein 50 cm tiefer Graben und als uns kurz vor dem Ziel ein anderes Wohnmobil entgegenkommt, ist Spiegel einklappen gefragt. Zentimetergenau arbeiten wir uns aneinander vorbei. Schlussendlich gelingt uns das Manöver und überstehen es berührungsfrei. Die Aussicht, die uns wenige Minuten darauf erwartet, ist dafür atemberaubend. Ich sag nur: Frodo Beutlin, Zwerge, Elfen, … Nein Quatsch – im Ernst: kitschiger könnte es kaum noch sein. Auf der Kuppe steht eine kleine Herde von Pferden und Kühen, vollkommen frei und ohne Zaun. Dicht vor der Klippe, die in den Abgrund führt tummeln sie sich mit allerbester Aussicht auf die Biskaya und geniessen ganz offensichtlich ihr Leben in 400 m über Meereshöhe. Wir geniessen es auch und dank des wirklich prächtigen Wetters können wir wieder sinnlos viele Bilder schiessen – aber die Aussicht ist einfach phänomenal.
Für uns geht es aber weiter. Eine letzte Station haben wir heute noch auf unserer Küsten-Sightseeing-Tour: Banco-Mirador acantilados do Loiba (tatsächlich nirgends ein «x» zu finden). Die Fahrt dahin ist ein kleines Abenteuer. Wir dachten, die Strasse kann nicht schmaler werden – aber unser Navi setzt vollstes Vertrauen in uns und lotst uns gute 15 km entlang durch eine einspurige Bergstrasse. Jetzt reicht lediglich ein entgegenkommendes Auto, dann ist Feierabend – denn dann darf einer von uns auf jeden Fall ein paar hundert Meter zurücksetzen. Aber – wir haben Fortuna wieder mal mit an Bord und es kommt uns nichts entgegen. Tja, manchmal läufts eben. Wir werden nicht enttäuscht – der Mirador hält, was Google versprochen hat. Das nächste unglaubliche Küstenpanorama bietet sich unseren verzückten Augen. Es wirkt wild, schroff, steil, atemberaubend. Man kann sich förmlich vorstellen, wie die Wellen bei einem Sturm gegen die Felsen ankämpfen und beim Auftreffen bersten. Doch wir dürfen den Anblick erneut bei besten Wetterverhältnissen geniessen. Hier oben verbringen wir auch die Nacht und können nach einem unheimlich spannenden und variantenreichen Tag einen schönen Sonnenuntergang geniessen.
Die Nacht verläuft - wie so oft in letzter Zeit - in absoluter Stille und idyllischem Frieden. Wir geniessen die Zeit in Spanien sehr. Wir merken, dass wir in Portugal immer etwas angespannt waren. Klar –die neue Regel und dem rigorosen Freistehverbot hat in Portugal vieles verändert. Vielleicht hätte es problemlos geklappt mit dem Freistehen in Portugal, aber wir wollten es einfach nicht drauf ankommen lassen. Denn im Zweifelsfall sitzen wir am dem kürzeren Hebel und dürfen die Strafe bezahlen. Obwohl wir kurz nach Verlassen von Portugal gehört haben, dass die Regierung das Gesetz per September 2021 wohl wieder kippt und dann zumindest eine 48stündige Schonfrist einräumt. Was bedeutet, man darf theoretisch für zwei Tage am selben Ort freistehen – sofern es sich dabei nicht um einen Nationalpark handelt. Gut, wir haben es zwar nicht mehr erlebt, aber das macht es mit Sicherheit in Zukunft einfacher. Zurück zu Spanien: hier ist es geduldet, sich an einem Parkplatz ein, zwei Tage aufzuhalten, solange man sich «anständig» benimmt. Dabei ist es verboten, Stühle, Tische oder sonstige Utensilien vor, neben oder hinter das Wohnmobil zu stellen – denn das wäre «Wildcampen», was per Gesetz verboten ist. Leider sehen wir trotz dessen immer wieder Camper (fairerweise muss man auch dazusagen: auch Einheimische!), die das komplett Missachten, frech ihre Markise ausfahren und ihr Dinner am Abend im Kerzenlicht geniessen. Ja, würden wir auch gerne machen – aber es ist nun mal eben nicht erlaubt. So wundert es uns nicht, dass immer mehr per Gesetz verboten wird.
Wir sind auf jeden Fall froh und erfreuen uns daran, dass wir diese wunderbaren Plätze noch geniessen dürfen. Für uns geht es am nächsten Tag weiter an der Küste nach Viveiro. Wir wollen die Cova da Doncela (die Höhle der Jungfrau) besuchen. Wir merken, dass die Anfahrt zu den Spots hier oben im Norden doch öfters «tricky» wird. Laut Navi sollten wir bei einem Feldweg noch 900 m weiterfahren, obwohl die Büsche und Bäume schon verdächtig weit in die Strasse hängen. Wir gehen auf Nummer Sicher und stellen Frida lieber an einem ausgeschilderten Parkplatz ab und wandern den Rest zu Fuss. Gut – dieses Mal hätte es geklappt. Der Feldweg führt tatsächlich noch weiter und wir hätten den Parkplatz, den uns das Navi vorgeschlagen hat, auch wirklich erreicht. Aber sei’s drum – der Spaziergang war auch schön. Am Ausgangspunkt der Wanderung zur Cova da Doncela scheint es noch ziemlich simpel zu sein. Es führt laut Plan nur ein Weg entlang, man kann es nicht verfehlen. Nach einigen hundert Metern kommt aber dann logischerweise eine Verzweigung. Die Wege sind annähernd gleich breit. Wegweiser natürlich Fehlanzeige. Super. Wir haben also wiedermal eine 50:50-Chance, den richtigen Weg einzuschlagen. Wir werfen eine Münze und gehen links weiter. Das Gebüsch wird irgendwann dichter, die Wege werden zu schmalen Pfaden – und davon verzweigen sich, je weiter wir wandern, immer mehr. Ich muss nicht erwähnen, dass kein einziges Schild auch nur annähernd irgendwo hinzeigt. Wir treffen andere Wanderer, die genauso planlos herumirren wie wir. Laut Google Maps sind wir nun nur noch ein paarhundert Meter von der Höhle entfernt. Also suchen wir das dicht bewaldete Gebiet ab, und tatsächlich, nach 30 Minuten sind wir tatsächlich am Ziel. Ein kleiner Eingang, oder besser gesagt ein Erdloch, öffnet uns dann doch noch den Einstieg zur Jungfrau und von der Höhle aus bekommen wir einen wunderbaren Blick auf das Meer und die schroffe Landschaft rund um die Küste.
Auf dem Rückweg kommen wir wieder an der Abzweigung vorbei – aber dieses Mal von der anderen Seite. Was uns beweist, dass wir uns bei der 50/50-Chance leider vertan haben. War ja klar. Als wir an der Kreuzung stehen und diskutieren fällt uns nun plötzlich doch ein Wegweiser auf. Mitten drin steht ein Baum, und auf dem Baum sehen wir doch tatsächlich einen etwa 5 cm grossen Pfeil, der mit «Cueva» gekennzeichnet ist. Man braucht fast eine Lupe, um das zu sehen. Also irgendwie klappt das nicht so ganz mit der Beschilderung in Spanien…
Salamanca, im September 2021
Liebe Grüsse
Liebe Grüsse
Rene
Reiseroute
02. September.2021Punta Frouxeira, André de Teixido, Mirador de Coitelo
ES03.September 2021Viveiro - Cova da Doncela
ES
Erfahrungsberichte