Vom Märchenschloss zur goldenen Stadt
7. August 2022Ballermann in Polen
21. August 2022Eine Reise in die Vergangenheit
Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.
14. August 2022 - Reisetagebuch Eintrag #97
- EINE REISE IN DIE VERGANGENHEIT | geschrieben von Magdalena
Weiter geht unsere Tschechienreise nach Roztoky u Krivoklatu. Eigentlich ein ruhiger Ort. Doch wir haben das Glück, dass es an diesem Wochenende alles andere als ruhig bleiben wird. Ein Wellness Programm nach dem anderen könnten wir in Karlsbad buchen. In Theresienstadt reisen wir in die schreckliche Vergangenheit des zweiten Weltkriegs zurück. Und das kleine Dörfchen Travčice stellt sich als richtige Perle heraus.
Rockfestival in Roztoky u Krivoklatu
Nach einem Städtetrip, haben wir immer das Verlangen nach einer kurzen Auszeit in der Natur. Ich suche uns etwa 1 Stunde ausserhalb von Prag am Fluss Berounka bei Roztoky u Krivoklatu einen Parkplatz heraus, bei dem es anscheinend kein Problem sein sollte, für ein oder zwei Nächte frei zu stehen. Die Anfahrt zum Plätzchen ist echt toll. Tschechien ist ein hügeliges Land und so fahren wir Hügel auf und Hügel ab. Das Naturschutzgebiet beginnt langsam und die Hauptstrasse führt die letzten 20 Kilometer durch eine sehr gut ausgebaute Waldstrasse. Am Ziel angekommen steht schon ein anderer Camper auf dem Parkplatz. Markise ist herausgefahren und die Stühle stehen auch vor dem Van. Es scheint somit kein Problem zu sein, hier auch zu campen. Wir positionieren uns hinter ihm und sind gleich schon hin und weg von der Aussicht. Der Fluss Berounka schlängelt sich am Platz vorbei und es sind einige Leute am Baden. Viele kommen mit den Kanus vorbei und keiner stört sich an uns. Aufgrund der hohen Temperaturen beschliessen wir, uns auch gleich in die Badesachen zu schmeissen und wollen die Wassertemperaturen Tschechiens testen. Für heute reicht mir dann doch nur die Abkühlung an den Füssen. Mal schauen, ob ich im Laufe der Tage auch ganz reingehen werde.
Wir verbringen einen schönen Tag und schauen dem regen Treiben auf dem Fluss zu. Es hat ein bisschen was von Fernsehschauen, wenn man so in den gemütlichen Stühlen vor dem Camper sitzt und einfach nur die Umgebung beobachtet. Bis zum Abend kommen noch zwei Vans dazu und nun sind wir uns ganz sicher, dass wir hier kein Problem bekommen werden. Eigentlich ist es in Tschechien ja nicht erlaubt, frei zu stehen. Wir haben aber schon von einigen gehört, dass es geduldet wird, wenn man sich normal benimmt und natürlich auch keinen Privatbesitz ungefragt betritt. Wir verbringen eine ruhige Nacht und werden am Morgen vom Regen geweckt. Kaum haben wir unsere erste Tasse Kaffee in der Hand, tut sich was auf dem Parkplatz. Es wird eine Absperrung errichtet und ein Schild aufgestellt. Na mal schauen was das heute noch wird. Um uns kümmert sich keiner und wir werden auch nicht weggeschickt. Als alle Leute wieder weg sind, geht Rene nachschauen was auf dem Schild steht. Der Google-Übersetzer sagt irgendwas von einer Veranstaltung. Vermutlich ein Flohmarkt oder so, hoffen wir zumindest. Wenig später kommen dann Parkplatzordner an den Platz, ok nach Flohmarkt sieht das jetzt nicht mehr aus. Ich nutze eine Regenpause und gehe mal ein bisschen die Gegend erkunden. Die letzte Stunde war einiges los, mehrere Transporter und auch LKW sind an der kleinen Strasse oberhalb unseres Parkplatzes entlanggefahren.
Da ich ja schon von Natur aus Neugierig bin muss ich einfach rausfinden, was denn da heute für eine Veranstaltung sein soll. Wenig später entdecke ich einen Flyer am Zaun des kaum 100 Meter entfernten Fussballplatzes. Ganz toll, heute findet ein Rockfestival mit sieben Bands statt. Start soll um 12:00 Uhr mittags sein und um Mitternacht soll angeblich Schluss sein. Da er heute eh den ganzen Tag schlechtes Wetter hat und wir noch einiges organisatorisches zu erledigen haben, beschliessen wir trotz des Festivals auf dem Platz zu bleiben. Es wird schon nicht so schlimm werden. Meistens bleiben wir eh bis Mitternacht wach, also sollte es mit der Nachtruhe auch kein Problem geben.
Wir werden den ganzen Tag von Rock und Heavymetalmusik beschallt. Endlich um Mitternacht ist kurz mal Ruhe. Dann macht sich der DJ ans Werk. Das war ja klar. Kurz nach vier Uhr morgens ist dann aber wirklich Schicht im Schacht. Tja da sucht man sich ein ruhiges Plätzchen inmitten der Natur und treffen genau das Wochenende, an dem ein Rockfestival stattfindet.
Am nächsten Morgen, nach nur wenigen Stunden Schlaf, kriechen wir aus dem Bett und beschliessen noch einen Tag länger zu bleiben. Wir wollen dieses schöne Plätzchen auch mal mit Ruhe geniessen und das Wetter soll auch besser werden. Aus geplanten zwei Tagen werden schlussendlich vier. Wir kosten die Zeit am Fluss so richtig aus, gehen einige Male Baden und recherchieren über die nächsten Ziele in Tschechien. Wir haben noch zwei Städte und noch zwei Wanderungen vor uns. Danach wollen wir einen Abstecher nach Dresden machen, bevor es dann weiter nach Polen geht.
Luxus und Wellness in Karlsbad
Wehmütig verlassen wir unser ruhiges Plätzchen am Fluss, wir hätten es hier noch länger ausgehalten. Nur geht uns langsam der Strom und das Wasser aus. Es nutzt einfach nichts. Wie heisst es so schön, man soll gehen, wenn es am schönsten ist. Nochmal ein kurzer Sprung in den See zur Abkühlung und weiter geht es in den Kurort Karlovy Vary - besser bekannt als Karlsbad. Dank seiner zahlreichen Thermalquellen ist Karlsbad seit dem 19. Jahrhundert ein beliebtes Reiseziel. Das am Fluss gelegene Kurzentrum umfasst mehrere Kolonnaden mit wunderschönen Säulengängen. Es wird gemunkelt, dass das Wasser eine verjüngende Wirkung auf Menschen hat. Wir sind weder wegen einer Kur noch für eine Behandlung nach Karlsbad gekommen. Viele haben uns diesen Ort empfohlen, weil er so schön sein soll. Ich bin ja gespannt, ob mich nach Prag noch was beeindrucken kann. Frida lassen wir etwa einen Kilometer ausserhalb der Stadt stehen und begeben uns bergab wieder mal in ein Touristenoffice. Die Mitarbeiterin ist dieses Mal aber nicht so auf Plauderkurs und erklärt uns nur sehr kurz, knapp und emotionslos, was wir alles anschauen können. Ok, kapiert habe ich nichts aber einen Stadtplan haben wir bekommen. Auf der Rückseite sind die ganzen Sehenswürdigkeiten erklärt und wir laufen mal in Richtung zur Nummer eins. Wow, was ist das den bitte wieder für eine Stadt? Die Gebäude sind alle reich verziert und die Kolonnaden sind wunderschön. Überall sind Quellen zu finden und die Leute trinken das bis zu 65 Grad heisse Wasser aus ganz lustigen Schnabeltassen. Wir probieren das Wasser später auch. Unser Geschmack ist es absolut nicht. Uns stinkt es eher an. Aber was tun die Leute nicht alles dafür, um jung zu bleiben.
Viel mehr nach unserem Geschmack ist aber wieder das Stadtbild. Wir laufen die Strassen entlang und stehen plötzlich vor dem Grandhotel Pupp. Irgendwas war doch da? Ach ja genau, hier wurden unter anderem sehr viele Szenen aus dem James-Bond-Film “Casino Royal” gedreht. Was für ein imposantes Gebäude. Wir verbringen den ganzen Tag in Karlsbad wundern uns über die hohen Preise und haben so das Gefühl, nicht in Tschechien, sondern eher an einem Luxus-Urlaubsort zu sein. Es ist hier auch wieder sehr viel auf Touristen ausgelegt und alle Nobelmarken wie Gucci, Prada und Louis Vuitton sind vertreten. Für den “Normalverdiener” ist eher ausserhalb der Stadt was zu finden. Da wir eh nicht schoppen wollen, kann es uns jedoch egal sein. Die Stadt hat uns sehr gefallen und wir würden einen Besuch auf jeden Fall empfehlen. Die unzähligen Spa-Hotels laden auf jeden Fall zum Verweilen ein.
Terezín, eines der traurigen Kapitel Tschechiens
Für uns geht uns nun weiter an einen nicht so schönen, eher sehr traurigen Ort. Wir wollen nach Terezín (Theresienstadt). Hier wurde in den Jahren 1780 bis 1790 eine kleine und eine grosse Festung errichtet. Ursprünglich wurden die Festungen zur Vereidigung des österreichisch-ungarischen Reiches gegen die Preussen erbaut. Dazu ist es aber gar nie gekommen, da mit Beginn der napoleonischen Kriege die zwei Mächte dann auf der gleichen Seite kämpften. Später, zur Zeit der Habsburger Monarchie, wurde die kleine Festung als Gefängnis und Strafanstalt für militärische und politische Häftlinge benutzt. Das tragischste Kapitel dieser Stadt bzw. der Festungsanlage wurde aber ab 1939 durch Nazideutschland geschrieben. In den Jahren bis 1945, also während des 2. Weltkrieges, war in der “kleinen Festung” ein Polizeigefängnis der Gestapo untergebracht. Wer hier herkam, der so gut wie zum Tode verurteilt. Gleich nebenan, in der grossen Festung, war das “Ghetto Theresienstadt” - wie es dazumal genannt wurde - zu finden. Hier wurden ausschliesslich Juden untergebracht. Verkauft wurde es den Leuten zunächst als schöne Stadt und sicherer Rückzugsort, wo sie sich frei bewegen konnten. Es war jedoch nichts anderes als ein grosses Gefängnis, das in Wirklichkeit als Durchgangsort zu den Vernichtungslagern diente. Von hier aus, wenn man die Hungersnot und die Qualen überhaupt überlebte, wurden die Transporte in die umliegenden Konzentrationslager organisiert und ausgeführt. Die Zustände in der kleinen und grossen Festung waren Menschenverachtend und unzumutbar. In die Gemeinschaftszellen der kleinen Festung, die für 40 Mann ausgelegt waren, wurden bis zu 100 Häftlinge gesteckt. Nicht anders ging es in den Wohnräumen der grossen Festung zu. Die Zimmer waren auch hier überfüllt und überall herrschte Hungersnot, Armut und Platzmangel. Von Privatsphäre war keine Spur. Jedem Stadtbewohner standen rechnerisch etwa 1,7 qm2 “Wohnfläche” zu. Teilweise mussten die Menschen in den heillos überfüllten Zimmern seitlich in ihren Matratzenlagern schlafen, da sie sonst keinen Platz gehabt hätten. Durch die katastrophalen hygienischen Zustände brachen immer öfter Krankheiten aus, die nicht selten zum Tod führten. Ich will nun aber nicht zu tief in die Geschichte eingehen.
Wenn wir ein Land bereisen, wollen wir auch die nicht so schönen Seiten dieses Landes kennenlernen. Man sollte nicht die Augen vor der Vergangenheit verschliessen. Eher daraus lernen und hoffen, dass so grausame Taten nie mehr geschehen. Wir haben den ganzen Tag in und rund um Theresienstadt verbracht und die damalige Geschichte dieses Ortes kennengelernt. Es war oft sehr erdrückend und deprimierend. Als wir im Krematorium ankommen, schnürt es mir fast den Hals zu. Hier wurden täglich bis zu 200 Menschen eingeäschert. Es ist heute irgendwie im ganzen Ort noch zu spüren, was damals an Gräueltaten verübt worden. Die verschiedensten Organisationen haben die tragische Geschichte sehr gut aufarbeitet und man bekommt viele Informationen über das Geschehene. Irgendwann können wir nicht mehr und beschliessen, die Reise in die Vergangenheit abzuschliessen und verlassen Theresienstadt. Alles, was wir heute gehört und erfahren haben müssen wir erstmal verdauen. Wir suchen uns nicht allzu weit weg einen Stellplatz. Hier probieren wir ein bisschen zur Ruhe zu kommen und reden noch bis lange in die Nacht über all das Gesehene an diesem Tag.
Travčice
In dem kleinen Örtchen Travčice stellt sich der kleine Stellplatz als wahre Perle heraus. Er ist sehr günstig, ruhig und nahe der Elbe gelegen. Abends können wir Rehe im anliegenden Feld beobachten, eine Igelfamilie haust gleich neben uns und lässt sich auch ab und zu blicken. Tagsüber, wenn wir nicht gerade am Recherchieren oder schreiben sind, schauen wir den Schwänen und Schiffchen im Fluss zu. Die Temperaturen steigen von Tag zu Tag und wir beschliessen schlussendlich Hitzefrei zu machen. 3 Tage wollen wir nun hierbleiben, uns im Fluss abkühlen und weitere Pläne schmieden. Wir wollten noch Wanderungen in der Böhmischen und Sächsischen Schweiz unternehmen. Leider sind die Gebiete wegen der aktuellen Waldbrände gesperrt. Somit heisst es für uns langsam Abschied von Tschechien zu nehmen und weitere Länder bereisen. Der kurze Einblick in Tschechien hat mir gezeigt, dass wir dieses Land komplett unterschätzt haben. Ich hätte nie gedacht, dass es hier so viele wunderschöne Städte zu finden gibt. Die Natur ist mit einem satten Grün durchzogen und vermutlich ein wahres Wander- und Wassersportparadies. Die Menschen aber wirkten auf uns etwas reserviert und man ist nicht so leicht mit ihnen ins Gespräch gekommen wie in anderen Ländern. Wir haben uns jedoch immer Sicher und Willkommen gefühlt. Vielleicht kommen wir irgendwann wieder und sehen uns noch die vielen anderen Attraktionen an, die Tschechien zu bieten hat.
Wie oben angekündigt wollen wir noch einen kurzen Abstecher nach Deutschland / Dresden machen. Danach geht es dann weiter in Richtung Polen. Ich bin schon gespannt an welchem Ort ich bin, wenn ich den neuen Bericht schreibe. Nun will ich nur noch ab ins Wasser. Es ist kurz vor Mittag und wir haben bereits 36 Grad.
Liebe Grüsse
Reiseroute
29. Juli 2022 - 02. August 2022 Roztoky u Krivoklatu
CZ02. August 2022 Karlsbad
CZ03. - 05. August 2022 Travčice/ Terezín
CZ