Florida Ost: zwischen Hoffen und Bangen
27. Oktober 2024Down under
3. November 2024Durch Raum und Zeit
Dies ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein gewaltiger Sprung für die Menschheit.
30. Oktober 2024 - Reisetagebuch Eintrag #169
- DURCH RAUM UND ZEIT | geschrieben von Magdalena und Rene
Die NASA
So, ich schicke Magdalena mal schnell Kaffee holen und übernehme das Schreiben des Abschnitts über die NASA. Raumfahrt ist ja ohnehin eher eine Männer- (oder Jungs-)Domäne. Ich hoffe, ich tue den Mädl’s da draussen nicht unrecht. Daher werde ich ein bisschen etwas über dieses besondere Erlebnis erzählen. Gut, also Jungs, hergehört: wer hat als Kind nicht einmal davon geträumt, Astronaut zu werden? Hand hoch! Okay, vielleicht ist der Traum bei uns in Europa nicht ganz so verbreitet wie hier in den USA, wo es die ganzen Möglichkeiten gibt und man fast permanent damit konfrontiert – ja fast schon torpediert - wird. Aber als technikbegeisterter Zeitgenosse und interessierter und bekennender Star Wars, Star Trek und Raumschiff Enterprise Fan könnt ihr euch möglicherweise vorstellen, wie sehr ich mich darauf gefreut habe, dem Kennedy Space Center – nein nochmal mit Trommelwirbel: DEM KENNDY SPACE CENTER in Cape Canaveral einen Besuch abzustatten.
Wenn es um das Organisieren von Tickets geht, habe ich mich in den letzten Monaten als recht erfolgreich bewiesen. Natürlich ist es einfach, die Tickets am Ticketschalter zu kaufen. Aber dort sind sie meistens am teuersten. Oft gibt es im Internet irgendwelche Promo-Codes oder Promotions zu finden. So haben wir uns schon in San Diego bei der USS Midway einige Dollar gespart, und es gelingt mir nach etwa 30 Minuten Recherche, auch für das Kennedy Space Center ein unschlagbares Online-Angebot zu finden, dass uns ganze ZWEI Tage zum Preis von einem in das Gelände bringt. Und wir wissen schon aus Erfahrung, dass wir für Museen und alle ähnlichen Dinge immer viel länger benötigen als alle anderen. Also kommt uns das Angebot gerade recht, und so fiebern wir unserem ersten von zwei Tagen im Kennedy Space Center in Cape Canaveral entgegen.
Das Areal befindet sich tatsächlich und buchstäblich im Nirgendwo. Na ja, irgendwie auch nachvollziehbar, wer möchte schon eine Raketenabschussrampe vor seiner Haustüre haben. Dann gleich zu Beginn ein kleiner Wehrmutstropfen: Der Parkplatz kostet nochmals extra. Ist schon ein bisschen frech. Ich meine, ja, auch wenn ich für die Tickets weniger bezahlt habe, als am Schalter fällig gewesen wäre – billig war es trotzdem nicht. Für die zwei Tage haben wir für unsere beiden Tickets immerhin 148 US-Dollar bezahlt (statt 180 Dollar, die wir dafür am Schalter bezahlen hätten müssen - hach, das musste jetzt raus und was bin ich stolz drauf!). Da hierher weder ein Bus noch sonst ein öffentliches Transportmittel fährt, ist man praktisch gezwungen, mit dem Auto zu kommen. Und das kostet nun satte 15 Dollar extra pro Tag, die natürlich NICHT im Eintrittspreis enthalten sind. Motorräder würden 10 Dollar kosten, und Wohnmobile gar 20 Dollar. Na, sei’s drum, aber die Amis langen schon ganz schön zu, wenn’s um solche Dinge geht.
Es ist Sonntag, und man merkt sofort, dass ziemlich viele Familien und Kinder am Start sind. Aber klar, für die ist das auch mehr als spannend. Noch vor dem Eintritt gehen wir in das Infocenter und lassen uns ein wenig beraten, was man wie in welcher Reihenfolge machen soll. Und das macht definitiv Sinn zu fragen, denn das Gelände ist tatsächlich riesig. Wir bekommen die Empfehlung, zuerst mit dem NASA-Shuttlebus zum Aussengelände zu fahren, wo die Saturn V-Rakete und die ganze Geschichte um den Wettlauf zum Mond aufgearbeitet wurde. Dem Rat folgen wir, und schon alleine die Busfahrt zum Gebäude ist spannend, denn man fährt an den Raketensilos vorbei, wo die fetten Dinger montiert und dann mit den sogenannten Crawlern zur Abschussrampe gefahren werden. Ein paar Eckdaten zu diesen Crawlern: Top-Speed 2 Meilen pro Stunde, beladen schaffen sie nur noch 1 Meile. Länge 40, Breite 35 Meter. Sie haben 4 Motoren mit einer Gesamtleistung von rund 7.600 PS plus 6 Generatoren mit einer Leistung von nochmals 7.400 PS. Und mit einem Verbrauch von 1 Gallone Diesel pro 32 feet (9,7 m), was einem Verbrauch von etwa 165 Gallonen Diesel pro Meile (etwa 625 Liter) entspricht, beschweren wir uns ab sofort nicht mehr über den Benzindurst von unserem Ollie. Dass Grösse eine Rolle spielt, wird einem hier anschaulich vor Augen geführt. Und hier wurde auch Geschichte geschrieben, denn genau aus diesem Silo wurde 1969 die Saturn V-Rakete gerollt, die die ersten Menschen auf den Mond brachten.
Our Business is Entertainment
Dass wir nicht besonders weit von Disney World entfernt sind, merken wir umgehend. Man kann das Gebäude nämlich nicht einfach so betreten – nein, es muss schon mit reichlich Theatralik geschmückt sein. Begleitet von epischer Orchestermusik dürfen nur etwa 40 Personen gleichzeitig zuerst einen Vorraum betreten, wo dann erstmal 10 Minuten lang etwas Stimmung gemacht wird. Mit einer Laser- und Lichtershow und der Vorgeschichte zum «Race to the Moon» und der Huldigung allem, was damals und heute bei der NASA Rang und Namen hatte, geht es los. Danach dürfen wir die heilige Halle betreten, in der die lebensgrosse Rekonstruktion der Saturn V steht. Man muss verstehen, dass der Wettlauf zum Mond für die Amerikaner ein wirklich grosses Ding war. Wer schon mal in den USA war weiss vielleicht, wie viel Nationalstolz in den Herzen der Amerikaner wohnt. Daher ist es ihnen auch enorm wichtig, unmissverständlich und eindeutig hervorzuheben, dass SIE den Wettlauf zum Mond (wohlgemerkt zum Mond, denn der erste Mensch im All war blöderweise Juri Gagarin, ein Russe, und das schon 1961) gewonnen haben. Aber gut, es ist unbestritten, dass ohne die unermüdlichen Bemühungen der Amerikaner heute sicherlich bei Weitem nicht so viel über unser Universum bekannt wäre, wie es tatsächlich ist. Aber sie heben es schon ganz gerne hervor, wie unfassbar genial sie sind. Und wer weiss – nachdem wir Menschen ja tagtäglich unter Beweis stellen, dass es zweifellos kein intelligentes Leben auf unserer Erde gibt, vielleicht findet sich ja da draussen in den Weiten des Universums etwas Smarteres. Doch mal abgesehen vom ganzen Hype und Donnerbalken-Musik, Lichtershow und wehende USA-Fahne ist die Halle sehr informativ aufgebaut. Man erfährt viel über die Hintergründe, die Geschichte und die Ereignisse, die sich in den späten 1960er-Jahren zugetragen hat. 1969 war es ja bekanntlich so weit, und am 21. Juli entschieden die Amerikaner im Rahmen des Apollo 11-Programms das Rennen zum Erdtrabanten für sich. Gut, diese Geschichte werden wir in unserem Blog nicht erneut aufarbeiten, dafür gibt es schon genügend informative Webseiten. Deswegen lassen wir besser Bilder als Worte sprechen.
Es ist ziemlich unglaublich, wie klein die Raumkapsel, in der die Astronauten untergebracht sind, im Vergleich zur ganzen Rakete ist. Ungefähr 95 % der Grösse der Saturn V-Rakete besteht aus Treibstofftanks, die allesamt während des Starts und der Beschleunigung ins All zunächst verbrannt und dann abgeworfen werden. Übrig bleibt nur eine kleine Kapsel in der Grösse eines Mittelklasse-Wagens, in der sich alles befindet, was an Technik ins All mitgenommen wird. Inklusive der Astronauten natürlich. Der Rest ist Abfall. Es ist aber auch sehr interessant zu sehen, wie gross die Fahrzeuge waren, mit denen sich die Astronauten im All bewegt haben. Und natürlich gibt es auch noch originale Raumanzüge aus den 1960er-Jahren – und den Jahren danach.
Alles in Allem ist das ein sehr gelungener Start in unser Weltraum-Abenteuer. Und nur diese erste Halle hat uns schon fast den halben Tag «gekostet». Aber ja, auch wenn die ganze Mondgeschichte vor meiner Zeit war, so ist es doch sehr aufregend und spannend, all die Überbleibsel zu sehen und in die damaligen Ereignisse einzutauchen. Ich merke, ich gerate schon wieder ins Schwärmen – aber es war und ist einfach spannend.
Mission Space Shuttle
Nach der Apollo-Ausstellung geht es mit dem Shuttlebus zurück zum Hauptgelände. Es ist wirklich überraschend viel los, was wir uns aber schon gedacht haben – denn es ist ja Sonntag. Unsere nächste Station ist die Halle mit der Atlantis-Ausstellung. Ohje, ich merke schon – auch hier könnte ich wieder seitenweise beschreiben, was wir alles sehen und erleben. Doch ich möchte niemanden langweilen, deswegen mache ich es kurz und erwähne einfach die Highlights, die wir entdecken dürfen. Denn wir stehen (wieder nach ziemlich viel Theatralik) vor der echten, einzigen und Ehrfurcht verbreitenden Raumfähre Atlantis. Während die Raumkapseln aus den 60ern ja allesamt beim Wiedereintritt in die Atmosphäre praktisch fast verglüht sind und unbrauchbar wurden, war es das Ziel des Space-Shuttle-Programms, ein (oder in diesem Fall mehrere) wiederverwendbare Raumgefährte zu entwickeln, mit dem man einerseits bequem zur Erde zurückkehren konnte (wobei «bequem» vermutlich nicht die treffendste Beschreibung ist), die aber auch für die nächste Mission wiederverwendet werden konnte. Vielleicht erinnert sich noch der ein oder andere an die zwei furchtbaren Ereignisse, die mehrere Astronauten das Leben kostete. Zum einen die Explosion des Space-Shuttles «Challenger» 1986 kurz nach dem Start mit 5 Todesopfern, und das Desaster der «Columbia» im Jahr 2003, die beim Wiedereintritt verglühte und zerstört wurde und 7 Astronauten das Leben kostete. Somit blieben von ehemals 5 «nur» 3 Space-Shuttles übrig, nämlich die Discovery, die Endeavour und eben die Atlantis – vor der wir nun stehen. Mit insgesamt 33 Einsätzen und einer gesamten Flugdistanz von mehr als 203 Millionen km war die Atlantis nach der Discovery das am meisten genutzte Space Shuttle.
Ich sehe, wie Magdalena ihre Augen verdreht, wenn sie diesen Text liest. Nicht, weil es nicht spannend wäre, sondern vielmehr, weil ich versprochen habe, mich kurz zu fassen. Was sich für mich in solchen Dingen immer als recht schwierig herausstellt. Aber ich versuche, zumindest den Rest nun wirklich abzukürzen: im selben Gebäude sehen wir eine detailgetreue Nachbildung des Hubble-Teleskops, das seinerzeit unglaubliche Bilder unseres Universums zur Erde geschickt hat (na ja, nach ein paar Anlaufschwierigkeiten, wie der ein oder andere vielleicht noch weiss). Und natürlich gibt es wieder unzählige Relikte an Weltraumtechnik und Fahrzeugen zu bestaunen. Unglaublich, ich fühle mich wie ein kleines Kind und sehe an jeder Ecke etwas, das mit brennend interessiert.
Der Tag geht genauso spannend zu Ende, wie er begonnen hat. Als das Gelände um 17 Uhr schliesst, sind wir unendlich froh, dass wir am nächsten Tag noch einmal reindürfen, denn wir haben bei Weitem noch nicht alles gesehen. So viele Gebäude sind noch zu erkunden, und so können wir es kaum erwarten, am nächsten Tag (nachdem wir zähneknirschend wieder 15 Dollar für den Parkplatz bezahlt haben) erneut das Gelände zu betreten. Heute sind locker 70% weniger Besucher als noch am Vortag. So kommen wir auch viel besser voran und erkunden die Ausstellungen zur Marsmission, dürfen den Erzählungen des ehemaligen Astronauten Ken Cameron eine Stunde lang zuhören, sehen fantastische Filme über unser Universum und – last but not least – dürfen in einem Virtual Reality-Spiel unser Können unter Beweis stellen. Magdalena ist so begeistert von dem Spiel, dass wir uns nach der ersten Partie gleich ein zweites Mal anmelden. Mit VR-Brillen auf dem Kopf und einer Laserwaffe in der Hand müssen wir Boxen und Steine in einer virtuellen Mondwelt aufsammeln. Ich hätte es mir nicht gedacht, aber ich werde beide Male von meiner Frau sowas von abgeledert und ich verliere mit einigen tausend Punkten Rückstand. Doch als sie mir im Anschluss verkündet, dass sie unbedingt auch so etwas zuhause haben möchte, kann ich nun mit ruhigem Gewissen einen Raum in unserem zukünftigen Zuhause planen, in dem wir VR-Spiele zocken können. Yeahh!
Nach den zwei Tagen sind wir wirklich kaputt, aber es hat sich mehr als gelohnt! Natürlich ist ein bisschen Disney und Bling-Bling dabei, viele bunte Lichter, Simulatoren und Laser-Shows und sonstiger Fun-Stuff, aber es sollen ja auch die Kinder angesprochen werden. Und das muss man der NASA (und vielen anderen Institutionen in den USA lassen, allen voran die militärischen Einrichtungen): wenn es um Marketing und Recruiting geht, macht ihnen niemand etwas vor. Immer wieder wird man daran erinnert: «hey, wenn du Kinder hast, oder selbst Kind oder Jugendlicher bist – mach bei etwas wirklich Grossem mit: Komm zur NASA, wir brauchen genau DICH!». Wow, okay, wenn ich Vater von einem Jugendlichen wäre, würde ich mit meinem Sprössling genau hierherkommen – in der Hoffnung, ich könnte ihn oder sie für so etwas Spannendes wie die Raumfahrt begeistern. Schade, dass wir in Europa weder die Möglichkeiten noch ein so gutes Marketing und Zugang zu solch fantastischen und spannenden Institutionen haben, wie in den USA. Wäre ich hier aufgewachsen – ich wäre vermutlich zur NASA gegangen. Wir beide haben auf jeden Fall ein breites, zufriedenes Grinsen im Gesicht, als wir das Gelände verlassen und zurück zu unserem Hotel fahren.
Noch ist unser NASA-Abenteuer aber nicht ganz vorbei, denn wir haben das Datum für die Besichtigung des Kennedy Space Centers nicht zufällig gewählt. Denn am darauffolgenden Tag steht ein ganz spezieller Leckerbissen auf unserer To-Do-Liste: ein echter, gewaltiger, unglaublicher RAKETENSTART! Ich hätte wohl niemals in meinem Leben gedacht, dass ich eines Tages einen Raketenstart live miterleben darf. Eifrig verfolgen wir die aktuellen Updates auf der Webseite spaceflightnow.com. Denn so ein Raketenstart ist eine recht «fragile» Geschichte, und nicht selten kommt es vor, dass der Start kurz vor dem geplanten Termin abgesagt oder verschoben wird. Und tatsächlich passiert es auch uns – der geplante Start wird vom nächsten auf den übernächsten Tag verschoben. So ein Mist! Das bringt natürlich unsere gesamte Planung durcheinander. Wir beraten uns kurz – und auch auf die Gefahr hin, dass der Start auch übermorgen erneut verschoben wird, gehen wir das Risiko ein, denn diese Gelegenheit wird sich uns vermutlich so schnell nicht wieder bieten. Und so buchen wir eine weitere Nacht in unserem recht speziellen Motel.
Brennpunkt Titusville
Das Hotel «Days Inn by Wyndham» in Titusville wäre an sich ja eigentlich ganz in Ordnung. Aber durch eine magische, unerklärliche Anziehungskraft schaffen wir es immer wieder, genau dort einquartiert zu werden, wo wir nicht sein wollen. Denn unser Zimmer befindet sich durch einen unerklärlichen Zufall wieder mal an der Penner-Asi-Prostituierten-Ecke. Unsere Zimmer-Nachbarschaft besteht nur aus irgendwelchen versifften Idioten, die ihren mobilen 10-Dollar-Grill am Parkplatz aufgestellt haben, ihren Müll dort fallenlassen, wo sie stehen, wahllos und ohne jeglichen Sinn die Motoren ihrer demolierten Schrottkarren starten und aufheulen lassen, sich den ganzen Abend lautstark in ihrer «ey fuckin’ bitch shit»-Sprache miteinander unterhalten und die ihre Kampfhunde frei herumlaufen und herumkacken lassen. Mann, was bin ich es leid, mich immer mit solchem Gesindel abgeben zu müssen. Da wir aber nochmal eine Nacht verlängern, nutzen wir die Gelegenheit und lassen uns an der Rezeption ein anderes Zimmer geben. Dass das die richtige Entscheidung war, erfahren wir am nächsten Tag, als wir zufällig mitbekommen, wie sich ein anderer Gast ebenfalls über die Pennerecke beschwert, wo am Vorabend die Situation offensichtlich eskaliert ist, und bei einem Familienstreit und einer lautstarken Auseinandersetzung wohl sogar eine Schusswaffe im Spiel gewesen sein soll. Wir sind froh, dass unser neues Zimmer nun wirklich weit davon entfernt ist.
3…2…1…Lift off!
Nach einem Tag Pause, den wir für unsere nie enden wollenden administrativen Aufgaben nutzen, gibt es scheinbar tatsächlich grünes Licht für den Raketenstart! Wow, was sind wir beide aufgeregt. Am Abend um kurz vor 19 Uhr soll es so weit sein, und eine SpaceX-Rakete wird in den Orbit geschossen (beziehungsweise und genau genommen wird sie ja nicht geschossen, sondern sie befördert sich selbst mit dem Treibstoff aus ihren Tanks in den Orbit). Zur Beobachtung eines Raketenstarts gibt es verschiedene Möglichkeiten, und natürlich kommt es auch drauf an, an welcher der etwa 45 Plattformen in Cape Canaveral die Rakete startet. Daher kann es sein, dass sich ein Beobachtungsort für die Plattform 40 bestens eignet, aber für die Plattform 39 überhaupt nicht, weil die einfach mal 10 Meilen weiter weg ist. Um es kurz zu machen: schon allein die richtige Plattform-Beobachtungs-Kombination herauszufinden ist eine kleine Wissenschaft. In der USA ist eben nichts so ganz einfach. Eine wirklich gute Seite, die uns bei der Wahl zur richtigen Beobachtungsstelle geführt hat, ist www.launchphotography.com/Launch_Viewing_Guide.html. Natürlich kann man einige der Starts auch direkt auf dem Gelände des Kennedy Space Centers beobachten, aber dazu ist natürlich – na, wer hats erraten? Genau – ein Ticket erforderlich. Für schlappe 70 US-Dollar pro Person bekommt man einen Platz auf der Tribüne. Es wäre garantiert spannend gewesen, noch etwas näher am Geschehen zu sein, aber wir sind mit unserem kostenlosen Beobachtungsplatz ausserhalb des Geländes an der Port Canaveral's Route 528 auch sehr zufrieden. Dass es kein Geheimtipp ist, merken wir recht schnell. Etwa 1 h vor geplantem Abflugtermin füllt sich der Pier mit immer mehr Autos. Doch so wissen wir zumindest, dass wir richtig sind und wohl nicht den schlechtesten Platz für die Beobachtung ausgesucht haben.
Mit dem Fernglas sehen wir direkt zur Abschussrampe, und auf dem Live-Stream, den wir auf unserem Handy öffnen, können wir den Start direkt mit Kommentaren von der NASA und von SpaceX verfolgen. So wissen wir auch genau, was da vorne tatsächlich abläuft. Denn es kann ja immer noch sein, dass der Start komplett abgesagt wird. Doch das passiert zum Glück nicht, und als es tatsächlich los geht, ist es wie ein gewaltiges Feuerwerk. Wir sehen zuerst die gigantische Feuerzunge, die der Falcon 9 den notwendigen Schub verleiht. Es ist total ruhig, erst etwa 45 Sekunden später – so lange brauchte der Schall für die rund 16 km, die wir vom Startplatz entfernt sind – hören wir ein donnerähnliches Grollen und Brummen. Die Falcon 9 hat zu diesem Zeitpunkt bereits eine Geschwindigkeit von rund 1.400 km/h erreicht und somit die Schallmauer durchbrochen. Es ist gigantisch, welche Kräfte hier am Werk sind. Und schon nach gut 2 Minuten verschwindet die Rakete aus unserem Sichtfeld. Wir sehen, wie einer der Treibstofftanks abgeworfen wird und Richtung Erde baumelt. Die Raketenstufe wird übrigens kurz darauf im Atlantik auf einer schwimmenden Plattform landen und für den nächsten Start wiederverwendet werden.
Mit viel Ehrfurcht blicken wir noch einige Minuten in den Himmel und sehen zu, wie sich das Rauchband, das sich quer über den Horizont zieht, langsam verschwindet und auflöst. Der Parkplatz beginnt sich zu leeren, und wir schauen raus auf das Meer vor uns, sehen in den Sonnenuntergang und bekommen sogar noch ein paar Delfine zu Gesicht. Okay, kitschiger könnte es gerade nicht mehr sein, und wenn ich es nicht selbst erlebt hätte, würde ich sagen, es ist von einem sülzigen Romanschreiber frei erfunden. Aber ja, manchmal gibt es solche Geschichten wohl doch.
Sorry Magdalena für den langen Text, aber wenn die Emotionen mit mir durchgehen, weisst du ja, was passiert. Du darfst jetzt gerne den Rest unseres Florida-Trips erzählen!
Auf in den Osten
Gut, dann übernehme ich, Magdalena, wieder das Zepter und erzähle euch den Rest. Nach den aufregenden Tagen an der Ostküste heisst es nun nämlich einmal quer durch Florida an die Westküste fahren. Wir machen einen kurzen Zwischenstopp im Sawgrass Lake Park und können beim Boardwalk einige Alligatoren beobachten. Nach langen Fahrtagen tut es gut, sich die Füsse zu vertreten, und wenn man dann noch etwas Wildlife anschauen kann, umso besser.
Wir steuern als Nächstes den Siesta-Beach bei Sarasota an. Der weisse Sand besteht zu 99 Prozent aus Quarz und bleibt deshalb auch bei hochsommerlichen Temperaturen immer angenehm kühl. Barfuss hat man das Gefühl, als laufe man auf Puderzucker. 2017 wurde der Strand zum besten Strand der USA gekürt. Trotz des wirklich schönen Strandes halten wir es dort nicht lange aus. Es ist extrem heiss, die Sonne knallt unerbittlich auf uns herunter und die Luftfeuchtigkeit liegt bei 80 %. Wir stecken kurz die Füsse in das überraschenderweise trübe Wasser und suchen uns danach einen Schattenplatz. Die Hitze und die Luftfeuchtigkeit machen uns das Reisen in Florida nicht gerade einfach. Wir wussten, dass es warm werden wird, aber dieses Mal haben wir echt damit zu kämpfen. Rene hat schon gar keine Lust mehr etwas zu unternehmen und würde am liebsten nur noch im Hotelzimmer bleiben und die Klimaanlage auf Anschlag aufdrehen.
Everglades
Am nächsten Tag geht es in die Everglades. Wir machen eine Airboot-Tour in Everglades City und tauchen dank des speziellen Bootes tief in die Mangroven ein. Der Guide erzählt uns viel Wissenswertes über das einzigartige Ökosystem, dass vor uns liegt. Geprägt von Sumpfgebieten, Mangroven und Graslandschaften, bieten die Everglades Lebensraum für Alligatoren, Panther und unzählige Vogelarten. Wir sehen 4 Alligatoren und zum Abschluss der Tour auch noch einen Delphin. Laut unseres Guides soll es hier auch Bullenhaie geben. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass wir keinen erspäht haben. Diese Haie gehören zu den gefährlichsten Arten und ich habe keine Lust, ihnen zu begegnen. Wir lassen es uns nicht nehmen, auch noch einen Boardwalk durch die Everglades zu machen und brechen kurz vor der Dunkelheit gemütlich Richtung Homestead zu unserem neuen Motel auf.
Wir haben wieder das Pech, dass wir an eine Unterkunft geraten, bei der alles laut ist. Seit wir in Florida angekommen sind, sind wir ziemlich genervt. Die meisten Unterkünfte sind schäbig, dreckig und laut. Irgendein Gerät ist immer am Lärm machen. Wenn die Klimaanlage mal halbwegs leise ist, dann klingt der Kühlschrank wie ein alter Schiffsmotor. Und wenn der Kühlschrank leise vor sich hin surrt, dann macht sicherlich die Klimaanlage, eine Eismaschine oder sonst ein doofes Gerät extrem nervigen Laute. Wir kommen nicht zur Ruhe und haben seit dem AirBnb Aufenthalt in Orlando keine Nacht mehr durchgeschlafen. Und wenn wir ganz ehrlich sind, gefällt uns Florida selbst auch nicht so wirklich. Wir haben uns so auf die herzlichen und offenen Amerikaner gefreut. Aber hier ist plötzlich alles ganz anders, als wir es gewohnt waren. Man hört mehr spanisch als amerikanisch und kommt sich vor, als wäre man in Südamerika und nicht mehr in den USA. Die Leute im Supermarkt und in den Geschäften sind plötzlich nicht mehr nett, wirken alle einfach nur angefressen und «Lächeln» tut hier keiner. Man ist als Tourist ein Störenfried und als nicht-Südamerikaner ist man ohnehin nicht viel mehr als eine lästige Plage. Dazu kommt, dass die Autofahrer äusserst aggressiv und teilweise lebensbedrohlich unterwegs sind. Wir hatten während unseres Aufenthalts einige sehr brenzlige Situationen, die schlimm ausgegangen wären, wenn Rene nicht richtig reagiert hätte. Wir haben solch ein Fahrverhalten in den ganzen Monaten, die wir zuvor in den USA verbracht haben, nicht ein einziges Mal erlebt. Aber hier in Florida fahren echt nur Vollidioten herum. Wir sind jeden Abend dankbar, wenn wir heil im Motel ankommen.
Hai in Sicht
Wir wechseln am nächsten Tag nochmal das Hotel und hoffen, dass es nicht wieder ein Reinfall wird. Guter Dinge machen wir uns auf nach Key Largo. Hier stellen wir schnell fest, dass der «normale» Tourist nicht an die schönen, abgelegenen Orte kommt. Wenn man sich hier nicht in eines der vielen teuren Ressorts eingemietet hat, kommt man nirgendwo hin. Alles ist abgesperrt und privat. Wir steuern ein Visitor-Center an und lassen uns mal erklären, was hier so für die Allgemeinheit und das gewöhnliche Fussvolk öffentlich zur Verfügung steht. Der ausnahmsweise nette Mitarbeiter gibt uns eine Übersichtskarte für die Keys und hat den ein oder anderen Tipp auf Lager. Wir steuern erstmal einen Kanal an. Hier haben wir eventuell die Chance, Manatees (Seekühe) zu sichten. Viel Hoffnung haben wir jedoch nicht. Aktuell ist nicht die richtige Jahreszeit. Aber wer weiss, vielleicht haben wir ja Glück. Als wir gemütlich am Kanal entlang schlendern, nehme ich auf einmal einen Schatten neben mir im Wasser wahr. Nachdem ich etwas genauer hinschaue, stellt es mir jedes einzelne Haar auf und ich schnappe erstmal nach Luft. Als ich mich wieder gefangen habe, versuche ich mit stotternder Stimme Rene zu erklären, dass keine 20 Zentimeter neben mir Haie im Wasser schwimmen. Ich kann es kaum glauben, was ich da gerade sehe. Drei 1 ½ bis 2 Meter grosse Haie ziehen gemütlich und sehr elegant ihre Bahnen am Rande des Kanals.
Wir erfahren kurze Zeit später das es sich um Ammenhaie handelt. Sie warten geduldig, bis die Fischerboote zurückkommen und ihren Fischabfall entsorgen. Gescheite Tierchen. Da ich jetzt weiss, dass es sich um eine friedliche Art von Haien handelt, habe ich etwas weniger Angst, aber so ganz entspannt bin ich während des Spazierganges am Kanal nicht mehr. Ich bestaune die Tiere zwar immer wieder fasziniert, wie sie auf einmal neben uns auftauchen und vorbeischwimmen, aber ein wenig läuft mir jedes Mal ein Schauer über den Rücken.
The Keys
Am nächsten Morgen klingelt der Wecker wieder sehr früh und wir können es kaum glauben. Wir haben die erste Nacht seit langem wieder mal durchgeschlafen. Das Zimmer ist so gut isoliert, dass wir die Klimaanlage in der Nacht ausschalten konnten und der Kühlschrank gibt nur ein leises, nicht störendes Surren von sich. Halleluja, wir haben schon fast nicht mehr daran geglaubt, wirklich eine Nacht in Florida durchschlafen zu können. Müde sind wir aber trotzdem, denn es ist gerade mal 05:30 Uhr. Heute geht es runter bis nach Key West. Von unserem Motel in Homestead bis runter nach Key West dauert es gute 3 Stunden mit dem Auto. Und da wir die Strecke später wieder zurückfahren müssen und wir ungern in der Nacht fahren, haben wir beschlossen, schon früh wegzufahren, um genügend Zeit zu haben, um Key West zu erkunden. Die Anfahrt ist enttäuschender Weise nicht so spektakulär wie wir uns das vorgestellt haben. Man überquert 42 Brücken, um bis nach Key West herunterzukommen. Ich kannte diesen Highway schon aus Film und Fernsehen. In meiner Vorstellung war das immer so spektakulär. Darum wollte ich unbedingt mal auf die Keys. Jetzt, da wir den Highway fahren, stellt er sich als unspektakulär und gar nicht soooo imposant heraus.
Wir finden einen der wenigen gratis Parkplätze und starten von dort aus unsere Erkundungstour. Das erste Ziel ist der südlichste Punkt der USA. Hier gibt es ein Denkmal, das ein beliebter Selfie-Punkt ist. Die Menschenschlange ist gute 50 Meter lang. Wir verzichten gerne auf das Selfie und schiessen ein Bild des Denkmals in der kurzen Zeit, als keiner davorsteht. Danach wollen wir noch zwei Strände besuchen. Die Marketingmanager der Keys prahlen immer mit den schönen Stränden. Also entweder hat es am Wind gelegen oder an der Jahreszeit. Aber so wirklich umgehauen haben uns die Strände nicht. Oder wir sind einfach so geschädigt durch die wunderschönen Karibikstrände, dass jeder noch so schöne Strand gar keine Chance mehr in unserem Ranking hat. Natürlich schlendern wir auch durch die Duval Street. Diese charmante, lebendige und bunte, von viktorianischen Häusern gesäumte Strasse ist echt ein Hingucker. Sie verbindet historische Architektur mit lebhaftem Nachtleben und der ein oder andere süsse Shop ist auch darunter. Genau das haben wir so oft in den USA vermisst, gemütlich durch eine Einkaufsstrasse zu schlendern, vorbei an netten Kaffees. Leider ist die Strasse nicht verkehrsberuhigt, aber immerhin sind mal ein paar Leute zu Fuss unterwegs. Die Zeit rennt wieder mal viel zu schnell und es heisst langsam den Heimweg antreten. Den kurz nach 18 Uhr wird es hier schon sehr dunkel.
Bei der Heimfahrt entkommen wir nur um Haaresbreite einem Autounfall. Auf der zweispurigen “7 Mile Bridge”, auf der Gegenverkehr herrscht, überholt uns ein Tesla und zieht dann auf unserer Höhe rein, weil er sonst mit 120 km/h in den Gegenverkehr gerast wäre. Rene schafft es gerade noch abzubremsen und lenkt uns ziemlich nahe an die Brückenmauer. Das war knapp! Es herrscht hier absolutes Überholverbot und dieses Arschloch riskiert einfach unser und das Leben aller anderen, nur weil er meint so hirnlos fahren zu müssen. Wir haben Florida echt gesehen, mit zitternden Knien und im halben Schockzustand bringt uns Rene sicher nach Hause. Ich glaube, das war das erste und letzte Mal, dass wir in Florida waren. Es ist echt schade, dass man einen ganzen Bundesstaat so negativ in Erinnerung behält, nur wegen so dämlichen Leuten, die einem alles kaputt machen.
Miami Vibe
Als letztes erkunden wir Miami City. Wir fahren kreuz und quer durch Miami, vorbei an all den Wolkenkratzern und den vielen Kanälen, die das Stadtbild so prägen. Ein Abstecher zum Miami Beach mit dem Ocean Drive und den Art Deco Häusern darf nicht fehlen. Wir geniessen die entspannte und ausgelassene Stimmung, die hier herrscht und sind ehrlich gesagt ein wenig froh, dass unser Florida Roadtrip sich so langsam dem Ende zuneigt. Miami selbst gefällt uns gut, hier tummeln sich gefühlt alle Fitnessbegeisterten und schönen Menschen rum. Lange haben wir schon nicht mehr so durchtrainierte Leute gesehen und die Mädels sind sogar am Strand so gerichtet, als würden sie gleich auf die nächste Party gehen.
Das Kennedy Space Center und der Raketenstart war ein absolutes Highlight für mich und ich bin happy, dass wir das erleben konnten, aber ansonsten kann ich mit Florida nicht wirklich viel anfangen. Ich glaube, wenn man viel Geld ausgibt und sich in die wunderschönen, privaten Resorts einbucht, dann kann Florida echt genial sein, aber es wirkt schon alles sehr aufgesetzt und unnatürlich. Ich bin froh, dass wir diesen Bundesstaat besucht haben, aber ob ich Florida ein zweites Mal besuchen werde, bezweifle ich ehrlich gesagt. Na ja, vielleicht würde ich nochmal einen Abstecher zur NASA machen.
Das war es nun also endgültig mit unserer Nordamerika Reise. Über 16 Monate haben wir schlussendlich hier verbracht. Anfangs wären wir am liebsten wieder aus diesem Land geflüchtet aber zum Schluss haben wir es lieben gelernt. Wir werden die Freiheit, die Weiten, die unbeschreiblich schöne Natur und die herzlichen Menschen vermissen. Ich glaube, in einem Punkt sind Rene und ich uns einig: wir waren sicherlich nicht mehr das letzte Mal hier – auch wenn wir Florida das nächste Mal wohl eher auslassen. Goodbye and see you soon
Liebe Grüsse
Reiseroute
15. – 18. Sep. 2024Cape Canaveral
US18. – 19. Sep. 2024Fort Myers
US19. – 24. Sep. 2024Homestead
US24. – 25. Sep. 2024Miami
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