Der Pfad der Könige
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Wir müssen dafür sorgen, dass die Brücke nicht schmaler ist als der Fluss
07. Juli 2021
- DIE STADT DER ELBEN | geschrieben von Rene
Ronda
Beim Namen Ronda denke ich unwillkürlich an ein mittelmässiges amerikanisches Schauspieltalent aus den 80ern oder an runde Kekse. Beides halte ich für möglich, aber wie dem auch sei: in Wahrheit ist Ronda eine Stadt in der andalusischen Provinz Málaga und liegt auf einer Höhe von 723 m in einer als Serranía de Ronda bekannten Berglandschaft, zu der auch die Naturparks Sierra de Grazalema und Sierra de las Nieves gehören.Bekannt ist die knapp 34.000 Einwohnerstadt vor allem für seine mehr als aussergewöhnliche Lage: die maurisch geprägte Altstadt liegt auf einem steil abfallenden Felsplateau. Die Altstadt ist vom jüngeren Stadtteil durch eine knapp 100 m tiefe Schlucht getrennt. Verbunden sind die Stadtteile nur über drei Brücken: die Puente Árabe („Arabische Brücke“), die Puente Viejo („Alte Brücke“) und die bekannteste und zweifellos beeindruckendste: die im 18. Jahrhundert erbaute Puente Nuevo („Neue Brücke“). Die Brücke wirkt von aussen betrachtet wie der Eingang zur verborgenen Elbenstadt Gondolin aus der Hobbit-Trilogie. Es würde mich nicht wundern, wenn Legolas, Elrond und seine Elbengefährten irgendwo um die Ecke kämen. Was natürlich nicht passiert. Aber träumen darf man.
Die Stadt ist heute zum Großteil vom Tourismus geprägt. Wir haben wieder mal Glück: auch wenn in den Gassen von Ronda einiges los ist, bleibt immer und überall genügend Platz und wir fühlen uns nicht eingeengt. Wir starten unsere Tour – nach einem kurzen Spaziergang durch die Einkaufspassage in der Fussgängerzone – an der Stierkampfarena. Wer uns kennt weiss, dass wir sehr tierfreundlich sind. Wir unterstützen weder Stierkampf noch sonst irgendwelche tierverachtende Bräuche. Die Arena dient uns lediglich als Ausgangspunkt. Hinein gehen oder gar Eintritt bezahlen wir dafür nicht. Leider steht auch eine (für uns) traurige Geschichte dahinter: Ronda ist insbesondere für die Rolle in der Entwicklung des Stierkampfes von Bedeutung. Im 18. Und 19. Jahrhundert entwickelten Mitglieder der Familie Romero jene Regeln, nach denen heute noch «gekämpft» wird. Na ja, ein Kampf, bei dem der Sieger schon von vornherein feststeht, ist ungefähr so wie auf der Playstation den Formel-1-Rundkurs ohne Gegner zu zocken und danach in der Kneipe nebenan sich selbst auf die Schulter zu klopfen und den Sieg feiern. Wer sich dabei gut fühlt, hat aus meiner Sicht eher ein therapiebedürftiges Ego. Und wer dabei zusieht und mitfeiert, sollte vielleicht den Psychologen seines gestörten Vertrauens aufsuchen. Nun gut – wir können es leider nicht ändern: der Stierkampf ist ein Brauchtum, dem aber mittlerweile immer mehr Spanier sehr skeptisch oder ablehnend gegenüberstehen. Glücklicherweise. Wobei – kann man bei einer rund 200 Jahre alten Tierquälerei wirklich von einer «Tradition» sprechen? Dann könnten die Amerikaner auch behaupten, das Vertreiben und Umbringen von Indianern ist ein schützenswertes Brauchtum … Egal – manche Sachen kann man nicht verstehen und es wird immer Leute geben die es so drehen, wie es ihnen passt. Zurück zu Ronda, das viel mehr zu bieten hat als den Stierkampf.
Beispielsweise die Puente Nuevo. Die «Elfen-Herr-Der-Ringe»-Brücke ist sozusagen die Hauptattraktion der Stadt, und das wird jedem Besucher ziemlich schnell klar. Es ist schwer in Worte zu fassen, wie mächtig das Bauwerk auf den Betrachter wirkt – das können wohl nur Bilder. Die Brücke überspannt die beiden Stadtteile – den neuen und den alten. Nicht zuletzt deswegen galt die Stadt lange Zeit praktisch als uneinnehmbar. Die landschaftlichen Gegebenheiten sprechen für sich. Angreifer hatten wohl kaum eine Chance, die tiefe Schlucht, die die Stadt auf drei Seiten umgibt, zu überwinden. Wir schlendern weiter durch die schönen, altertümlichen Gassen und geniessen die Zeit. Da der Tag nicht ganz so schön ist wie man es eigentlich von Andalusien gewöhnt ist, werden wir sogar von einem kurzen Regenschauer überrascht. Aber die Tropfen sind schon fast trocken bevor sie den Boden berühren.
Die Regenwolken verziehen sich wieder, und die Sonne kommt etwas zaghaft zum Vorschein. Das nutzen wir, um den Tag und die Stadttour in einem netten Cafe in der Fussgängerzone bei einem leckeren Bocadillo ausklingen zu lassen. Unser Stellplatz ist unweit vom Zentrum und wir verbringen eine recht ruhige Nacht. Ronda gefällt uns so gut, dass wir am nächsten Tag nochmals einen Abstecher ins Zentrum machen. Das Licht ist heute viel besser – und als ob wir am Vortag nicht ohnehin schon viel zu viele Fotos gemacht hätten, machen wir wieder neue Bilder. Wir lernen einfach nicht dazu. Zumindest kann ich mit der Drohne noch einen kurzen Schwenk über die Brücke machen, auch wenn der Wind recht böig ist und sich das Display meiner Fernbedienung ständig beschwert, dass sie demnächst abstürzen wird. Tut sie aber nicht und ein paar schöne Aufnahmen vom Ort und von der Puento Nuevo sind im digitalen Kasten.
Umweit von Ronda – in Acinipo - finden wir die Ausgrabung einer römischen Siedlung mit einem beeindruckend gut erhaltenen Amphitheater und einem herrlichen Blick über die Landschaft. Es ist kaum zu glauben, aber Überlieferungen der alten Geschichtsbücher zufolge war die Region ein wichtiges Zentrum für die Iberischen Provinzen des römischen Reiches. Die Rede ist von grossen Schlachten im Krieg zwischen Julius Caesar und den Söhnen von Pompey. Die ersten Siedler auf dieser Hochebene waren nach archäologischen Funden aus der Bronzezeit. Gesicherte Überlieferungen gehen bis in das Jahr 202 B.C. zurück. Zu dieser Zeit lebten in Acinipo etwa 5.000 Römer. Acinipo produzierte einige Jahre sogar eigene Münzen. Das Amphitheater fasste etwa 2.000 Zuschauer. Acinipo war eine komplette Stadt mit öffentlichen Gebäuden, Bädern, Tempeln und allem was dazugehört. Als die Barbaren schliesslich Rom vom Norden her bedrohten, flohen viele Schutzsuchende ins nahegelegene Arunda (=Ronda), und Acinipo verlor zunehmend an Bedeutung, bis es im Jahr 495 A.D. schlussendlich komplett aufgegeben und verlassen wurde. Genug aber von der Geschichte. Wir geniessen den Ausblick und die Ruhe hier oben und lassen uns wieder mal richtig schön Zeit, um die ganze Ausgrabungsstätte zu erforschen und versuchen zu erahnen, wie die alten Römer hier umhergewandelt sind und in den Badehallen von ihren Heldentaten berichtet haben.
Für uns wird es aber Zeit. Auf unserer Reise gibt es immer wieder «Schlüsselorte». Orte oder Plätze, die mental eine besondere Bedeutung für uns haben. Wie beispielsweise Gibraltar. Das kleine Land/Stadt oder was auch immer das ist, da weit unten im Süden von Spanien. Die Strasse von Gibraltar ist so ziemlich jedem noch ein Begriff, und dass dort sowie auf Malta wegen steuerlichen Begünstigungen viele Online-Casinos beheimatet sind wusste ich auch noch. Dann gibt’s noch ein paar Affen und natürlich den Kalksteinfelsen, den man auf praktisch jedem Gibraltar-Fotos sieht. Aber das war es dann auch schon mehr oder weniger mit meinem Wissen. Das ist natürlich ein Grund, Gibraltar etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Einer unserer zahlreichen Schlüsselpunkte – eben, weil es irgendwie aussergewöhnlich ist.
Gibraltar, im Juni 2021
Liebe Grüsse
Liebe Grüsse
Rene
Reiseroute
17. Juni - 19. Juni 2021Ronda
ESP
Erfahrungsberichte