Sagenhaftes Cornwall
27. Juli 2022Goodbye England. Welcome Home
3. August 2022Die engen Strassen Britanniens
Wer die Enge seiner Heimat begreifen will, der reise. Wer die Enge seiner Zeit ermessen will, studiere Geschichte
31. Juni 2022 - Reisetagebuch Eintrag #95
- DIE ENGEN STRASSEN BRITANNIENS | geschrieben von Magdalena
Endlich, der Süden Englands mit seinem schönen Dartmoor- und New Forest Nationalpark wird erkundet. Hier leben Rehe, Schafe, Rinder und Pferde frei in der Natur. An der Jurassic Coast verliere ich meine Nerven und in Exeter werden wir eingesperrt. Was für eine Woche.
Dartmoor National Park
Wir verlassen das Airfield in Camelford schweren Herzens. Für uns ist es wie Kino den Tieren beim Grasen und abwandern des alten Militärflughafens zuzusehen. Gerne wären wir noch länger geblieben und hätten diesen Lost Place genauer erkundet, aber uns drängt die Zeit. Wir wollen noch den hochgepriesenen Süden Englands erkunden, bevor es zurück auf das Festland geht.
Unser nächstes Ziel heisst Dartmoor National Park. Hier könnte man vermutlich Wochen verbringen um die schöne Moor- und Heidelandschaft zu erforschen. Die Zeit haben wir jedoch leider nicht mehr und deshalb haben wir uns gezielt für eine Wanderroute entschieden. Parken können wir beim Infozentrum. Wir stehen so schräg wie schon lange nicht mehr. Da wir jedoch eh nicht im Nationalpark übernachten dürfen, ist es uns egal und wir richten alles für die Wanderung zusammen. Die Beschreibung unserer Route klingt vielversprechend und der erste Stopp von 5 ist schon vom Parkplatz aus zu sehen. Hügel auf und ab spazieren wir durch die wunderschöne Heidelandschaft des Nationalparks. Gleich schon zu Beginn entdecken wir die bekannten Dartmoor Ponys die hier frei leben. Rene schafft es sogar, ohne grösseren Umweg an einer Kuhherde vorbeizukommen. Wir sind fasziniert von dem Moor und dem Landschaftsbild das sich uns hier zeigt. Glücklich und ein bisschen erledigt kommen wir gegen frühen Abend wieder an unseren Ausgangspunkt zurück. Nun heisst es Stellplatzsuche. Allzu weit wollen wir nicht mehr fahren, da wir auch noch was kochen müssen und es bald schon dunkel wird.
Eingesperrt in Exeter
Nicht allzu weit entfernt in Exeter finde ich einen Parkplatz an einem Rugbyfeld. Leider ist in unserer Park4Night-App nur ein Kommentar verzeichnet und der ist schon über ein Jahr alt. Mal schauen, ob es den Platz überhaupt noch gibt oder ob er inzwischen für Wohnmobile verboten worden ist.
Keine halbe Stunde später und mit etwas ungewolltem Umweg kommen wir an dem grossen Parkplatz an. Schranke ist keine zu sehen und Platz ist mehr als genügend vorhanden. Ich hatte schon Angst, dass eventuell am Freitagabend ein Training stattfindet und es hier rund geht. Aber weit und breit ist kein Rugbyspieler in Sicht. Frida ist perfekt platziert. Rene schaut rund um den Platz, ob es irgendwo ein Verbotsschild gibt und ich fange schon mal an zu kochen. Kaum haben wir fertig gegessen tut sich auf einmal was am Platz. Ganz viele Autos mit schick gekleideten jungen Leuten fahren vor und begeben sich Richtung Clubheim. Spätestens nachdem wir die Braut entdeckt haben, wird auch uns klar, dass wir mitten in einer Hochzeitsveranstaltung sind. Wir können nur hoffen das einige vielleicht am Samstag arbeiten müssen und die Party nicht allzu wild wird. Die Hoffnung war da, aber als um Mitternacht der DJ erst so richtig aufgedreht hat, ist uns klar geworden, dass wir eine kurze Nacht vor uns haben. Gegen 7:00 Uhr morgens schälen wir uns müde aus unserem gemütlich warmen Bett und brauchen erstmal eine starke Tasse Kaffee bevor wir weiterfahren können.
Aber was sehen da meine verschlafenen Augen? Bei der Einfahrt ragen zwei grosse, schwere, metallene Poller empor. Für alle die nicht wissen was Poller sind, gibt es nun eine kurze Leerstunde. «Bei Poller handelt es sich um Pfosten oder ähnlich gestaltete Elemente aus Metall, Holz oder Beton. Sie werden eingebaut, um das Befahren oder Beparken von Bereichen wie Gehwegen, Radwegen oder Fußgängerzonen mit breiten Fahrzeugen zu verhindern. Um eine temporäre Durchfahrt zum Beispiel für Feuerwehrfahrzeuge zu ermöglichen, werden Klapppoller oder Steckpoller verwendet, die sich mit einem Spezialschlüssel bedienen lassen. Es gibt automatisch versenkbare Poller, um einen Fahrweg für Linienbusse oder berechtigte Fahrzeuge freizugeben, für den übrigen Individualverkehr aber zu sperren. Dabei sendet der Bus oder ein durchfahrtsberechtigter Anwohner per Funk ein Signal an die Anlage, woraufhin der Poller automatisch einfährt und den Weg frei macht.»
Dreimal dürft ihr raten was für Poller wir bei der Einfahrt haben. Genau, die versenkbaren die per Funk oder Schlüssel geöffnet werden. Und nein, wir haben natürlich kein Gerät an Bord um ein Signal senden zu können. Ich verlier schon fast die Nerven und habe schon Angst das wir jetzt für immer und ewig auf dem Platz festsitzen und nur mit einer hohen Geldstrafe wieder rauskommen. Die vielen Autos die verzweifelt probieren in den Parkplatz reinzukommen und dann ungerichteter Dinge wieder weiterfahren, stimmen mich auch nicht wirklich positiver. Um kurz nach acht kommt etwas Bewegung auf den Platz. Ein junger Herr läuft zielstrebig auf ein parkendes Auto und stellt es vor den Pollern ab. Er läuft zu einem Kasten, steckt einen Schlüssel rein und die Poller versenken sich in dem Erdreich. Er stellt sein Auto raus und geht wieder zurück zum Kasten. Die Poller gehen wieder rauf und er läuft zum Clubheim, um den Schlüssel wieder zu hinterlegen. Nun bricht bei mir Hektik aus. Ich schreie Rene an das er sich hinter das Steuer setzten soll und Frida vor die Poller platzieren soll. Den Rest will ich regeln. Ich renne wie ein aufgescheuchtes Huhn zu dem gerade zurückkehrenden Mann und erkläre ihm das wir rausmüssen. Er fragt ob wir auf der Hochzeit waren und die Parkgebühr bezahlt haben. Ich stell mich doof und bejahe einfach alles. Er ist so nett und holt nochmal den Schlüssel um uns raus zu lassen. Mit quietschenden Reifen verlassen wir den Parkplatz und sind einfach nur froh, dass wir mit einem blauen Auge aus dieser Situation rausgekommen sind.
Überfüllte Jurassic Coast
Während der Fahrt zu unserem nächsten Ziel verkrafte ich so langsam die Geschehnisse und kaum habe ich mich wieder beruhigt kommt auch schon der nächste Belastungstest für meine Nerven. Die Strassen werden immer enger und unübersichtlicher. Ausweichpunkte gibt es gefühlt fast keine mehr und mir wird zum ersten Mal seit langem heiss in England. Der erste Doppeldeckerbus, der uns kurz vor einer schmalen Brücke entgegenkommt ist so freundlich und hält an, da er mehr Platz auf seiner Seite hat. Keine 5 Minuten später kommt uns bei einer schmalen Stelle ein Traktor mit Hänger entgegen. Dieser Herr ist nicht so nett, nein er ist ein voller Arsch und bremst erst im letzten Moment, so das sich sein Hänger in der eh schon viel zu schmalen Strasse, noch leicht quer stellt. Mit seinem landwirtschaftlichen Gefährt hätte er es viel leichter sich auf die Anhöhen neben der Strasse zu stellen und uns vorbeizulassen. Aber nein, wie schon gesagt er ist ein Arsch. Wir müssen uns Millimeter für Millimeter an ihm durchquetschen und unsere Markise kommt dem Hänger sehr nahe. Wir schaffen es dann doch heile an ihm vorbei, aber meine Nerven liegen blank und ich würde am liebsten England sofort verlassen. Im Dorf wird es nicht wirklich breiter und die Parkplatzsituation ist sehr begrenzt. Ausser man ist bereit 15 Pfund für einen Parkplatz an einem steilen Hang auszugeben. Das sind wir nicht und nach 10 Minuten tut sich eine Lücke für uns aus. Ich gebe den Platzhirsch und verteidige den Parkplatz mit meinem Leben bis Rene eine Wendemöglichkeit mit Frida gefunden hat und nach einer gefühlten Ewigkeit zurückkommt. Er schiebt sie souverän in die Lücke rein und ich habe nun endlich Zeit zu heulen und im Selbstmitleid zu versinken. Gott bin ich froh, dass wir unsere England Reise nicht im Süden begonnen haben. Ich glaube, ich wäre keine 5 Tage hiergeblieben.
Nachdem der erste Schock verdaut ist, laufen wir Richtung Jurassic Coast und Durdle Door. Hier wimmelt es nur so von Menschenmassen, gefühlt ist ganz England an diesem Küstenabschnitt. Wir laufen die Küste etwas ab, schauen die tollen Gesteinsformationen an und suchen uns dann auf einer Wiese ein halbwegs ruhiges Plätzchen. Dieser Andrang ist uns fast zu viel und wir sind uns nicht mehr so sicher, wieviel wir noch vom Süden Englands sehen wollen.
Ich habe uns für die Nacht einen coolen Parkplatz an einer Panzertrainingsstrecke herausgesucht. Leider machen die Panzerfahrer vermutlich Wochenende, den wir haben wir keinen einzigen Panzer zu Gesicht bekommen. Dafür war die Nacht aber um so ruhiger da wir den Platz ganz für uns alleine hatten.
New Forest National Park
Früh morgens geht es weiter Richtung New Forest National Park. Da auch hier das Übernachten im Nationalpark ausschliesslich in Campingplätzen erlaubt ist, haben wir uns entschlossen einen Campingplatz anzufahren. Wir brauchen nach dem ganzen Trubel der letzten Tage etwas Ruhe und wollen nicht immer die schönen Plätze verlassen. Unser Campingplatz entpuppt sich als Glücksfall. Wir werden sehr freundlich empfangen und bekommen einen riesengrossen, viel zu überdimensionierten Stellplatz zugewiesen. Wir sind einfach nur happy diesen Platz gefunden zu haben. Eine riesige Herde von Rehen und Hirschen grast direkt neben unserem Platz und die wildlebenden Pferde sind um die Ecke auf den weitläufigen Wiesen des Nationalparks zu finden. Wir entschliessen uns auf die restlichen Punkte, die wir im Süden Englands noch besichtigen wollten zu verzichten und wollen lieber die Ruhe und die Schönheit des New Forest Nationalsparks auf uns wirken lassen. Die Sonne zeigt sich auch endlich mal und wir schaffen es zum ersten Mal mit T-Shirt und kurzer Hose draussen vor dem Camper zu sitzen.
Nach zwei Tagen ist das Faulenzen auch schon wieder vorbei und wir wollen schon mal ein weites Stück Richtung Dover fahren. Dover wird unser letzter Stopp in England sein. Bevor wir aber dort hinkommen müssen wir nochmal tanken und unsere Lebensmittelvorräte auffüllen. Leichter gesagt als getan. Bei der ausgesuchten «billigsten» Tankstelle ist der Diesel ausverkauft, das Lebensmittelgeschäft, das auf dem Weg liegt, ist wegen Umbau geschlossen und der Abend rückt auch immer näher. Wir lassen es gut sein und fahren einfach nur noch bis zum Schlafplatz. Tja auch solche Tage, an denen nicht immer alles rund läuft, gehören zum Camperleben dazu.
Liebe Grüsse
Reiseroute
10. Juni 2022Dartmoor National Park und Exeter
UK11. Juni 2022Jurassic Coast/ Bovington
UK12 - 14. Juni 2022New Forest National Park
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