Ohne Netz und doppelten Boden: Buschleben
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„Den einzigen Menschen, den ich wirklich beneide, ist derjenige, der noch niemals in Afrika gewesen ist – denn er hat noch so viel, worauf er sich freuen kann.“
04. Januar 2023 - Reisetagebuch Eintrag #109
- DIE BUNTE TIERWELT SÜDAFRIKAS | geschrieben von Rene
Ein Froschkonzert raubt uns den letzten Nerv. Die Löwen sind los, und wir haben eine Panne mit unserem Safari-Fahrzeug mitten im Busch. Südafrikas künstliche Stromausfälle «Load Sheddings» nerven uns, und wir machen Bekanntschaft mit sehr gefährlichen Skorpionen.
Froschkonzert
An der Lodge gibt es einen Swimmingpool. Doch den haben sich aufgrund der etwas längeren Abwesenheit von Gästen nun die Frösche einverleibt. Was uns eigentlich nicht besonders stören würde, denn wir haben eh keine Zeit für den Pool. Doch die Frösche veranstalten umgehend nach Dämmerungsbeginn ein «Konzert», das uns den letzten Nerv raubt. Der Ton ist so unbeschreiblich nervtötend, dass wir es kaum aushalten. Das monotone Brummen klingt wie der Hilfeschrei einer absaufenden Kuh mit Tuberkulose. Und es ist ja nicht nur einer – bestimmt 20 der Viecher schwimmen im Pool und Muhen vor sich hin, was das Zeug hält. Selbst mit Ohrenstöpsel ist das unerträglich. Und wer hats erraten? Genau, es geht die ganze Nacht so – ohne Pause!
Am zweiten Abend ist es uns zu bunt. Alle unsere Zimmerfenster sind auf den Pool gerichtet – noch eine Nacht halten wir das nicht aus. John betätigt sich als Fischer und mit dem Kescher fischt er einen nach dem anderen aus dem Pool heraus und gibt sie in die Kühlbox. Nein, keine Angst – ohne Eis! Nur Wasser in Normaltemperatur. John ist so tierlieb, dass er keiner Fliege was zuleide tut. Nur Mücken mag er nicht. Aber wer mag die schon. Deckel zu (mit Luftzufuhr) – jetzt ist erstmal Ruhe. Endlich Schlaf! Bis zwei Uhr nachts zumindest – denn dann geht’s wieder los. Einer der Frösche war wohl auf Party und kommt erst jetzt nach Hause. Und er macht, was er am besten kann: Quack-Muhen. Nein bitte nicht schon wieder … Aber das ist eben das Buschleben.
Zum Buschleben gehören auch Ameisen. Ich hätte nicht gedacht, dass die Viecher so lästig werden können. An manchen Orten ist es heftig. Steht man dort für länger als 2 Sekunden, krabbeln die Biester die Beine hoch und zwicken vergnüglich darin herum. Da heisst es schnell sein. Als wir am nächsten Tag die nervigen Frösche umsiedeln, gehen wir ein wenig in den Busch. Gut 300 Meter von der Lodge entfernt gibt es eine kleine Wasserstelle – dort dürfen die Frösche den Rest ihres Lebens verbringen. Der Weg dorthin ist allerdings gepflastert mit Ameisen, und aus einem gemütlichen Spaziergang wird ein Eiertanz. Wir hüpfen mit der Kühlbox herum wie die Doofen und versuchen den Ameisen so gut wie möglich auszuweichen. Kaum eine Stelle ist frei und es werden immer mehr. Zurück an der Lodge schütteln wir uns und stampfen auf den Boden, bis wir endlich die letzten Ameisen von unseren Beinen bekommen. Okay, das ist wirklich nervig!
Löwenstark
Wir erleben unzählige weitere Abenteuer. Einzig die Löwen lassen sich nicht so gerne blicken. Die LöwINNEN hingegen schon. Da finden wir im Lauf der Tage zwei, die so richtig gemütlich chillen. Sie liegen einfach so im Gras herum und lassen die Impalas auf sich wirken. Muss ungefähr so sein, wie wenn wir an der Fleischtheke im Supermarkt vorbeispazieren und die leckeren Hühnchen und saftigen Steaks sehen. Aber die zwei Mädels scheinen heute kein Interesse an Antilopenfleisch zu haben, denn sie beobachten sie zwar, aber machen keinerlei Anstalten für irgendwelche Jagdattacken. Für uns ist das ein unglaubliches Schauspiel. Wir schaffen es, mit unserem Fahrzeug bis auf etwa 10 m an die zwei Damen heranzufahren. Motor aus und die Szene geniessen. Es ist unglaublich, unbeschreiblich schön. So nahe an der wilden Natur zu verweilen und zwei Löwen in freier Wildbahn in aller Ruhe beobachten zu können. Wieder einmal fühlt sich unser Leben wie ein grosser Traum an.
Plattfuss in Afrika
Am letzten Tag passiert dann das, was man sich während einer Safari eigentlich nicht wünscht: wir haben eine Panne. Johns Reifen ist komplett platt und wir müssen anhalten. Glücklicherweise ist hinter uns nur eine Herde Zebras, die gemütlich auf dem Feld stehen. Wir nutzen die Gelegenheit und tun etwas, das man normalerweise nicht darf: wir können im Reservat etwas herumspazieren. Natürlich nur im Umkreis von 50 Metern um den Toyota herum. Hier ist die Sicht gut, es gibt keine Büsche oder Hecken und die Gefahr scheint gering zu sein, als Nachtisch auf dem Speiseplan eines Raubtiers zu landen. Über Funk wird Hilfe angefordert, und wie es der Zufall will, kommt dem lahmen Toyota ein Landrover Defender zu Hilfe. Okay, grundsätzlich nichts besonders – nur für diejenigen, die den ewigen Zwist zwischen Toyota und Landrover kennen, vielleicht eine kleine Genugtuung. Wir dürfen also in den schnurrenden V8 Defender umsteigen und gurgeln gemütlich in unserem Ersatzwagen durch die Prärie.
In unserer gemütlichen Lodge gibt es kein Internet. Digital detox nennt sich das. Lediglich im «Baumhaus» oberhalb der Lodge ist zumindest je nach Windrichtung ein klein bisschen Empfang gewährleistet. Die Gelegenheit nutzen wir, um dem Geburtstagskind unserer lieben Bekannten aus Spanien per Videotelefonat zu gratulieren. Zum Abendessen gibt es die traditionelle «Boerewors». Eine Boerewors (afrikaans für "Burenwurst" oder "Bauernwurst") ist eine meist zu einer großen Schnecke aufgerollten Grill- bzw. Bratwurst. Sie besteht normalerweise aus fein gehacktem Rind- und Schweine- und Wildfleisch – beispielsweise Antilope - und wird kräftig mit Thymian, Muskatnuss und weiteren Zutaten gewürzt. Die Zusammenstellung der klassischen «Boerewors» ist in Südafrika sogar seit 1990 gesetzlich geregelt (was verwunderlich ist, denn ansonsten scheint hier so ziemlich gar nichts gesetzlich geregelt zu sein). Unsere Variante ist aus Kudufleisch und wird in einem Topf gekocht – dabei muss man aufpassen, dass die Haut nicht platzt, damit der Saft nicht ausrinnen kann. Klappt bei uns auch, und der Geschmack ist wirklich ausgezeichnet: Sehr lecker, wie wir feststellen.
Es ist Zeit, ein erstes Resümee zu ziehen. Das Bild- und Filmmaterial, das wir bisher gesammelt haben, ist schon enorm. Kein Wunder bei den herrlichen Erlebnissen, die wir haben. Hanna hat aber noch einen Wunsch: auf der Liste ihrer Angebote stehen auch Massagen. Das sollte unbedingt in das fertige Video. Die Masseuse ist leider nicht da, und so stellen wir einfach eine Szene nach. Als Model verwenden wir Anna, die sich ohne grosse Überredungskünste gerne für die Aufnahmen zur Verfügung stellt. Das klappt wunderbar, wie sich dann später im fertigen Material herausstellen wird.
Load Shedding – Südafrikas Stromdilemma
Was für die meisten Europäer (und vermutlich auch viele andere) nahezu unvorstellbar und umgehend eine Massenpanik und Proteste auslösen würde, ist in Südafrika an der Tagesordnung: Stromausfälle. Wir reden hier nicht von «ab und zu mal für 10 Minuten». Nein, ganz und gar nicht. Aber der Reihe nach: der staatliche Stromkonzern Escom steckt in der Bredouille. Jahrelang hat man sich nicht um die marode Infrastruktur gekümmert. Der Strombedarf wird höher, die Anlagen immer älter. Resultat: das Stromnetz ist überlastet. Südafrika setzt für die Energiegewinnung fast flächendeckend immer noch auf Kohlekraftwerke – obwohl hier die Sonne und deren Energie im Überfluss vorhanden wäre. Erschwerend kommt nun hinzu, dass sich der Konzern die hohen Kraftstoffpreise für die Generatoren nicht mehr leisten kann. Resultat: kontrollierte Stromabschaltungen. Bis zu 4-mal täglich wird der Strom abgestellt – und das jeweils für 2 – 3 h. Im schlimmsten Fall hat man also pro Tag 6 – 8 h keinen Strom! Nix, nada!! Und nein, ich rede nicht von den Slums oder Townships. NIEMAND hat dann noch Strom. Die einzigen Ausnahmen sind Krankenhäuser, wichtige soziale Einrichtungen und – wer hats erraten? Genau: Regierungsgebäude. Das bedeutet: jeder Normalbürger sitzt in Südafrika derzeit rund 6 h pro Tag im Dunklen. Und zwar jeden Tag. Das perfide daran: die Abschaltungen sind vorgeplant – über eine App kann man genau sehen, welches Gebiet wann keinen Strom haben wird. So unglaublich das für uns erstmal klingt, so normal ist das für die Südafrikaner mittlerweile geworden.
Mitten am Tag, Abends oder Nachts gehen plötzlich alle Lichter aus, der Fernseher wird dunkel und wer elektrisch kocht hat dann ziemlich schlechte Karten. Hier ist man es gewohnt. Wir waren zu Beginn noch überrascht, aber nach einer Woche sagt man nicht mal mehr das Wort «Load Shedding» (so nennt man die geplanten Stromabschaltungen) wenn der Strom wieder einmal plötzlich weg ist. Es ist so normal, wie wenn sich eine Wolke vor die Sonne schiebt. Kühlschrank und Tiefkühlfach dürfen jetzt, bei rund 35 Grad Aussentemperatur, nur noch ganz kurz geöffnet werden. WIFI geht genauso flöten und alle Küchengeräte sind zur Zwangspause verpflichtet. Überall liegen Taschenlampen herum, damit man sich in der Dunkelheit ein wenig zurechtfindet.
Wenn wir jetzt über die Probleme und Sorgen unserer Mitmenschen in Europa so nachdenken, wird das plötzlich irgendwie unreal. Die grösste Katastrophe in unseren Breitengraden ist, dass das Handy oder Internet mal für 5 Minuten ausfällt. Was wird für ein Fass aufgemacht, wenn WhatsApp & Co mal für eine Stunde nicht mehr funktionieren?! Endzeitstimmung – DER grosse BLACKOUT ist JETZT da!! Oh Gott, wir werden nun alle sterben – das INTERNET geht nicht mehr. Die Kassensysteme werden bald nicht mehr funktionieren, wir können nicht mehr einkaufen und unsere schicken Autos betanken, die Banken gehen bankrott, die Ersparnisse verschwinden im digitalen Nirvana und die Weltwirtschaft bricht JETZT zusammen – der Anfang vom Ende ist da.
Bitte entschuldigt diese sarkastischen Zeilen – aber ich glaube, wenn man einmal ein paar andere Regionen der Welt besucht, steht man solchen Dingen und der Panikmache etwas gelassener gegenüber. Fakt ist also: wir haben nur an bestimmten Zeiten pro Tag Strom. Okay, wenn man es weiss, kann man sich damit arrangieren. Lustig ist es nicht, aber auch nicht das Ende der Welt. Hier ist es normal, nicht den ganzen Tag Strom zu haben - und das ist schon seit vielen Jahren so.
Tödliche Skorpione
Afrika besteht leider nicht nur aus netten Tieren. Wie erwähnt können Elefanten, Löwen, Nashörner, Büffel und Flusspferde ganz schön ausflippen, aber meistens nur wenn man sie reizt oder sich selbst falsch verhält. Aber zumindest sind sie gut sichtbar, und es kommt nicht besonders oft vor, dass man versehentlich über einen Elefanten «stolpert», weil man ihn nicht gesehen hat. Das verhält sich mit den kleinen afrikanischen Lebewesen leider etwas anders. Abgesehen von einigen schmerzhaft gefährlichen Spinnen und den lästigen Ameisen sind es vor allem Skorpione, die sich in nicht geringer Anzahl tummeln. Johns neueste Errungenschaft ist eine UV-Taschenlampe. Skorpione leuchten wie ein Christbaum, wenn man sie mit UV-Licht bestrahlt. Das Schlechte daran: so sieht man überhaupt erst, was sich nach Einbruch der Dunkelheit um das Haus herumtummelt. Und nicht nur da: nicht selten finden die kleinen Krabbler den Weg nach drinnen. Und das ist alles andere als ungefährlich. John war es davor schon gewohnt, alle Ecken des Hauses abends nach Skorpionen abzusuchen. Mit der neuen UV-Taschenlampe ist das Leben leichter. Doch aufpassen muss man immer – zu jeder Tages- und Nachtzeit. In Schuhe darf man erst schlüpfen, nachdem man sich vergewissert hat, dass sich keine Spinnen oder Skorpione eingenistet haben. Handtücher müssen vor Gebrauch kontrolliert und ausgeschüttelt, Ritzen und Spalten am und unter dem Bett, in Kleiderkästen und Tischen und auch die Dusche muss abgesucht werden.
Liebe Grüsse
Reiseroute
20. - 30. Nov. 2022Hoedspruit
ZA