Die Stadt der Elben
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11. Juli 2021Casinos, Affen, Fish and Chips: Gibraltar
Der Krieg ist der Felsen, gegen den die Welle des Friedens endlos lange schwappen muss, um seine Härte zu brechen.
10. Juli 2021
- CASINOS, AFFEN, FISH AND CHIPS | geschrieben von Rene
Gibraltar
Die Fahrt von Ronda nach Gibraltar dauert nur gute 2 Stunden und führt uns zunächst durch die ganz wunderbare Landschaft des Nationalparks Sierra de las Nieves bis zur Mittelmeerküste. Rein schon aufgrund des sehr begrenzten Platzangebots in Gibraltar beschliessen wir, mit Frida besser auf der spanischen Seite zu bleiben. Wir finden am Yachthafen in La Linea – der spanischen Stadt, die direkt an Gibraltar grenzt - einen beschaulichen Wohnmobilstellplatz, der keine 200 m von der Grenze entfernt ist. Dass wir eine Landesgrenze überquert haben ist bei uns nun schon ganze 8 Monate her! Dass Gibraltar aussergewöhnlich ist, wird uns spätestens kurz nach der Passkontrolle klar: um in das Land reinzukommen benötigt man nicht nur einen Ausweis, man fährt bzw. geht nach dem Zollhaus über das Rollfeld des hiesigen Flughafens! Ja, tatsächlich: die «Einfahrt» nach Gibraltar führt quer über den Flughafen. Startet oder landet ein Flugzeug, wird der Strassenverkehr einfach vorübergehend aufgehalten, bis der ganze Zauber vorbei ist. Das gefällt uns natürlich. Das nächste, was uns auffällt: das ganze Land ist quasi ein grosser «Duty-Free-Shop». Benzin und Diesel sind gute 40 Euro-Cent günstiger als auf der spanischen Seite, Alkohol, Parfüm und Zigaretten gibt’s in allen Geschäften besonders billig zu kaufen. Zu beachten ist nur: Gibraltar hat eine eigene Währung: das Gibraltar-Pfund, dessen Wert im Wesentlichen einem britischen Pfund entspricht. Mit Wechselgebühren und den ganzen Schnick-Schnack ist der vermeintliche Preisvorteil dann relativ schnell wieder dahin. Am ersten Tag wollen wir die Stadt ein wenig auf eigene Faust erkunden. Wir sparen uns daher die offizielle Touristentour und schauen, was wir zu Fuss und mit unseren Fahrrädern erkunden können. Da gibt es so einiges. Beispielsweise das allgegenwärtige, britische Flair: rote «Telephone» Boxen, Royal Mail-Postkästen und Strassenschilder auf Englisch. Ein krasser Kontrast zur spanischen Kultur. Fish and Chips, Guinness und Inn’s an jeder Ecke. Auf der Strasse hört man nun fast nur noch Englisch statt Spanisch.Wiedersehen mit Sergei
Die meisten Geschäfte auf der Mainstreet – DIE Einkaufsmeile von Gibraltar – haben am Sonntag leider geschlossen, und so sehen wir meistens nur das Schaufenster. Aber das können wir verkraften, wir sind mit all unseren Dingen gut eingedeckt und benötigen ohnehin nichts. Es ist trotzdem schön – und besonders freut uns, dass wir wieder einmal ganz offiziell ohne «Mund-Nasenschutz» durch die Gassen laufen dürfen. In Spanien gilt zu dieser Zeit ja nach wie vor auch die Maskenpflicht im Freien. Auf dieses unheimlich sinnhafte Vergnügen dürfen wir hier wenigstens für ein paar Stunden endlich - nach vielen Monaten – verzichten. Als wir zum Hafen spazieren, trauen wir unseren Augen kaum: da steht doch tatsächlich eine alte Bekannte: die Quantum Blue! Aufmerksame Leser unseres Blogs erinnern sich vielleicht noch – für alle anderen eine kurze Zusammenfassung: als wir im Oktober 2020 in Nizza waren, ist uns die Mega-Yacht sofort aufgefallen. Neben diesem Schiff wirkten alle anderen Yachten wie kleine Behelfsboote. Kein Wunder: der 104 m lange 4.300 Tonnenbrummer ist so gross wie ein Mittelklassehotel – nur wesentlich luxuriöser. Nachdem das Schiff nun monatelang in Nizza vor Anker gelegen ist, kam es 2 Tage vor uns in Gibraltar an. Was für ein Zufall. Obwohl wir uns nun schon ein bisschen gestalkt vorkommen. Aber na ja – geht in Ordnung. Das nächste Mal muss uns Sergej allerdings auf ein Gläschen Champagner hereinbitten. Dieses Mal lassen wir es noch Gut sein.Wir setzen unsere Tour fort und schaffen es tatsächlich, die Halbinsel mit dem Fahrrad fast zu umrunden. Dominiert wird natürlich alles vom Gibraltar-Felsen, der von jedem erdenklichen Standort sichtbar ist. Eine Strasse führt komplett herum, auf der Rückseite (sofern man von Vorder- und Rückseite sprechen kann) befinden sich zwei sehr schöne Strände, die nahezu windstill sind. Denn man merkt schon: hier an der Küste und in der Nähe des Atlantiks «zieht» es wieder um einiges mehr. Vielleicht auch gut so, denn es wäre andernfalls im Sommer vermutlich unerträglich heiss. Als wir plötzlich vor einer Tunneleinfahrt stehen weigert sich Magdalena, mir zu folgen. Meine Neugier lässt mir aber keine Ruhe und so vereinbaren wir, dass sie in der Nähe vom Strand wartet, während ich mit dem Fahrrad erkunde, was sich auf der anderen Seite des Tunnels befindet. Blöderweise geht es bergauf, und ich muss ordentlich in die Pedale treten. Als es endlich wieder etwas flacher wird, ist auch der Tunnel zu Ende. Freuen muss ich mich nicht, denn es geht jetzt praktisch genau dieselbe Steigung wieder runder (was im Umkehrschluss natürlich bedeutet, ich darf das bei der Rückfahrt nochmals machen). Na ja, selber Schuld – aber kurze Zeit später erreiche ich das «Ende» und den südlichsten Punkt Gibraltars und sehe auf der anderen Seite Nordafrika, das von hier aus gerade mal 14 km entfernt ist. Nach meiner Rückkehr bin ich ganz schön fertig, was ich mir natürlich nicht anmerken lasse. Wir beschliessen, dass wir es für heute bleiben lassen und steuern mit unseren Fahrrädern wieder den Flughafen und die Grenzkontrolle an. Kurze Zeit später sind wir dann wieder bei Frida und geniessen den Abend am Hafen mit dem heulenden Dauerton, den der Wind produziert, der durch die unzähligen Segelmasten pfeift. Ein bisschen Gespenstisch, aber irgendwie auch romantisch, das Windkonzert.
Für den nächsten Tag haben wir etwas geplant, das wir sonst eigentlich nicht machen. Ihr kennt das ja von uns – Budget-Reisen und so. Trotzdem: die meisten echten optischen Kracher befinden sich in Gibraltar in der Höhe – deswegen entscheiden wir uns für eine kostspielige Taxi-Tour. Aber zunächst mal ein ganz klein wenig Geschichte. Gibraltar wurde während des spanischen Erbfolgekriegs 1704 in die Souveränität des Königreichs Grossbritannien gestellt, und schlussendlich 1713 im Frieden von Utrecht offiziell übergeben. Das schmeckt den Spaniern aber bis heute nicht so richtig – deswegen gibt es immer wieder politische Geplänkel zwischen Grossbritannien und Spanien. Die Briten denken natürlich nicht im Traum daran, die Halbinsel mit gerade mal rund 35.000 Einwohnern zurückzugeben. Multikulti ist in Gibraltar im Trend: neben etwa einem Drittel Briten gibt es mindesten gleich viel Einwohner spanischer Abstammung, Italiener, Portugiesen und Malteser machen den Rest aus. Gesprochen wird aber offiziell englisch. Auf dem Felsen von Gibraltar gibt es einige natürliche Höhlen, die nachweislich von den Neandertalern bewohnt waren. Im 8. Jahrhundert war Gibraltar von muslimischen Arabern und Berbern eingenommen – wie die meisten Teile des heutigen Spaniens. Nach zahllosen hin- und her und Kriegen zwischen Muslimen und den Christen mischten auch die Niederländer mit. Dann kam es eben zur Abtretung an die Briten. Doch zwischen 1779 und 1783 versuchten - allen Friedensverträgen zum Trotz - die Spanier und die Franzosen die Festung wieder mal zu erobern. In dieser Zeit wurden die «Great Siege»-Tunnel gegraben, um der Belagerung Stand zu halten und Gibraltar zu verteidigen. Genutzt hats den Spaniern und Holländern nix, Gibraltar blieb bei den Briten. Im zweiten Weltkrieg wurde dann die komplette Bevölkerung nach Madeira ausgesiedelt, da das Gebiet für militärische Zwecke benötigt wurde. In der unterirdischen Festung waren bis zu 15.000 Soldaten stationiert, die den strategisch wichtigen Punkt verteidigten. Schlussendlich war Gibraltar der einzige Teil des westeuropäischen Festlandes, das zu keiner Zeit von NS-Deutschland besetzt war. Seit dieser Zeit unterhält das Vereinigte Königreich dort auch einen beachtlichen Flottenstützpunkt.
Weil die Briten von Rückgabe nichts wissen wollten, haben die Spanier Ende der 1960er-Jahre kurzerhand die Grenze geschlossen, sodass zwischen 1969 und 1985 vom spanischen Festland niemand raus oder rein kam. Alles hat einmal ein Ende – nur das Geplänkel um Gibraltar wohl nicht. Seit der Wiedereröffnung der Grenzen und dem Bau des Flughafens hat sich Spanien mit Grossbritannien offiziell geeinigt, aber so richtig grün ist die Geschichte immer noch nicht. Insbesondere die stationierten Soldaten und die britischen Flottenaktivitäten sorgen immer wieder für (politischen) Gesprächsstoff zwischen den beiden Ländern. So, jetzt aber genug Geschichte und zurück zu unserer Taxi-Tour.
Wir sind auf unserer Reise ja gerne zu Fuss und neuerdings auch mit dem Fahrrad unterwegs. Wie erwähnt müssen wir für die spannendsten Sachen auf dem Felsen von Gibraltar, der an seiner höchsten Stelle 426 m hoch ist. Die Strassen gehen steil bergauf – machbar, aber na ja. Wir rechnen mal nach: der Felsen ist Naturschutzgebiet, deswegen ist natürlich ein Obolus fällig. Umgerechnet rund 20,- EUR kostet der Eintritt pro Person also so oder so. Für die Fahrt mit der Seilbahn auf den Aussichtspunkt legt man nochmals etwa 15,- EUR pro Person drauf. Danach ist stundenlanges Wandern angesagt, denn die Great Siege Tunnels befinden sich im Norden, die St. Michaels Cave im Süden des Hügels. Eine Taxi-Tour für uns beide kostet 70,- EUR – inklusive allen Eintritten. Also ungefähr gleich viel wie die Seilbahn, nur dass wir wie die Könige von einer Attraktion zur nächsten gefahren werden. Also lassen wir es uns mal gutgehen und bereuen die Entscheidung nicht. Mit Joe – unserem Taxifahrer – haben wir enormes Glück. Er ist in Gibraltar geboren und aufgewachsen, spricht perfekt Deutsch und kennt jede noch so kleine Ecke wie seine Westentasche. Und natürlich ist er über Klatsch und Tratsch auf der Halbinsel bestens informiert. Es ist die beste Entscheidung überhaupt, und die eigentlich zweistündige Tour dauert dann noch «ein bisschen länger», weil es einfach so angenehm war mit Joe zu quatschen. Wir geniessen die wundervolle Aussicht auf die Strasse von Gibraltar, die St. Michaels Cave mit den unglaublichen Tropfstein-Formationen und den phantastischen Licht-Klang-Spielen. Wir bewandern den «Skywalk» - einen Aussichtspunkt mit Glasboden, an dem es mehrere hundert Meter steil abwärts geht, werden neugierig von den Affen gemustert, die grundsätzlich alles klauen was nicht niet- und nagelfest ist, bis wir schlussendlich an den «Great Siege Tunnels» die Verteidigungsanlagen im Felsen bestaunen – und obendrein die beste Aussicht auf das Rollfeld des Flughafens haben. Leider ist der Flugverkehr in Gibraltar spärlich, und wir sehen keine Maschine, die startet oder landet. Egal, der Tag hat sich mehr als gelohnt und wir sind begeistert, so viel von der Geschichte Gibraltars erfahren zu haben. Unser Tipp für alle, die mal nach Gibraltar wollen: lasst euch das nicht entgehen. Joe arbeitet bei der «GTA - Gibraltar Taxi Association» und ist unter der Nummer +350 540 48 269 oder der Mailadresse pepeletaxi81@gmail.com erreichbar. Er war uns von Anfang an sympathisch und wir haben uns unheimlich wohl gefühlt. Vielen Dank!
Als wir zum Stellplatz zurückkehren ist schon wieder fast Abend. Am Rollfeld müssen wir kurz warten, da die Maschine, die wir eigentlich am Aussichtspunkt erwartet haben, nun mit ordentlicher Verspätung landet. So sehen wir dann doch noch die Landung direkt am Rollfeld, auch wenn es von oben schöner gewesen wäre. Den Abend verbringen wir wieder an unserem Stellplatz und geniessen einen wundervollen Sonnenuntergang – schon im Gedanken an unser nächstes Ziel: Tarifa, die südlichste Stadt Spaniens.
Sevilla, im Juni 2021
Liebe Grüsse
Liebe Grüsse
Rene
Reiseroute
19. Juni - 22. Juni 2021Gibraltar
GBR
Erfahrungsberichte