Bilderbuchland
15. Januar 2023Langschwanzschnabelfipper – Die Garden Route, Teil 1
29. Januar 2023Abschied: Die Afrika-Erfahrung
"Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern."
18. Januar 2023 - Reisetagebuch Eintrag #113
- ABSCHIED: DIE AFRIKA ERFAHRUNG | geschrieben von Rene
Unser Projekt ist zu Ende, und der Abschied steht bevor. Wir ziehen in die Vorstadt und geniessen erstmal ein paar Tage Auszeit. Wir erhalten ein unerwartetes Weihnachtsgeschenk und geniessen die Feiertage.
Workaway-Abschied: unser Resümee
Nun ist der Tag gekommen: Unser Arrangement und unser Workaway-Einsatz bei Tatt’s Tours Africa sind offiziell beendet. Für uns heisst es unsere sieben Sachen zusammenpacken und in ein neues Apartment umziehen. Schon ein paar Tage zuvor haben wir etwas gefunden, das leider nicht mehr ganz so zentral in der Stadt ist. In einem Vorort, etwa 30 Minuten von Kapstadts Zentrum entfernt, gibt’s eine süsse kleine Wohnung mit Kochgelegenheit zu einem wirklich erschwinglichen Preis. Wir verabschieden uns von der ganzen Familie und bekommen ein kleines Abschiedsgeschenk mit einigen von den sehr leckeren Dingen, die wir in den letzten Wochen hier in Südafrika kennengelernt haben, überreicht. Das freut uns sehr! Wir bestellen uns ein Uber, das uns zu unserer neuen Bleibe bringt. Dort wollen wir nun gerne ein paar Tage verbringen, die vergangenen Wochen Revue passieren lassen und vor allem auch administrativ wieder etwas aufarbeiten. Seit wir in Südafrika gelandet sind, haben wir keine Berichte mehr geschrieben, das muss nun natürlich nachgeholt werden. Und nicht zuletzt wollen wir uns für die kommenden Wochen vorbereiten, denn unser Südafrika-Abenteuer soll noch nicht vorbei sein. Ab dem neuen Jahr wollen wir gerne ein Auto mieten und damit für ein paar Wochen an der Südküste die sogenannte «Garden Route» abfahren. Darauf freuen wir uns schon sehr – aber auch auf ein paar ruhige, gechillte Tage, die uns jetzt bevorstehen.
Wir finden auch die Zeit, über unser Workaway-Projekt nachzudenken und eine Bilanz zu ziehen. Wir haben uns auf diesen Einsatz unheimlich gefreut, unsere Erwartungen waren gross – und zweifellos wurden sie bei Weiten übertroffen! Niemals hätten wir uns erträumt, eine solche Vielfalt an Natur, Mensch und Tier erleben zu können. Die Schönheit, die Kontraste, die Wildnis. Gefahren und Abenteuer – wir fühlten uns zeitweise wie Indiana Jones, Sindbad oder Phileas Fogg. Es sind Erlebnisse, die wir unser Leben lang nicht mehr vergessen werden. Erfahrungen, die man ewig in Erinnerung behält und von denen man noch lange, lange danach Geschichten erzählen kann. Etwas, das unser Leben und unsere Reise noch aufregender, aussergewöhnlicher und einzigartiger machten.
Wir haben aber unseren Einsatz, die Dauer und den Arbeitsaufwand unterschätzt. Wir hätten nicht gedacht, dass darin so viel «Leistung» steckt. Die Devise von Workaway ist: 5 Tage die Woche für maximal 5 Stunden am Tag. Davon waren wir weit, weit weg. Wir fühlten uns immer im Einsatz – auch an unseren wenigen «freien» Tagen. Die Organisation und die Planung der besuchten Attraktionen waren manchmal hektisch und unkoordiniert. Manchmal wussten wir nicht so recht, wie wir dran sind. Gerade zu Beginn hat die Kommunikation zwischen uns allen nicht so ganz funktioniert. Zum Glück haben wir im Laufe unseres Einsatzes das Gespräch gefunden und konnten viele Dinge klären. Trotzdem blieb es ein zeitaufwändiger Einsatz – bis zum letzten Tag, bis zur letzten Minute.
Warum wir das schreiben? Nicht um zu jammern. Nein, vielmehr geht es darum, dass man sich bei so einem Projekt auch bewusstwerden muss, dass viel mehr als nur «Arbeit» drinnen steckt. Es passiert viel Zwischenmenschliches. Man lässt sich auf Leute ein, die man davor noch nie gesehen hat. Und das kann durchaus schief gehen. Wir sind froh, dass wir mit Hanna und John zwei Leute kennengelernt haben, die eine offene Gesprächskultur haben und die uns auch zugehört hatten, als wir uns eines Tages nicht mehr so ganz wohl gefühlt haben. Wir konnten die Dinge offen ansprechen und neutral und konstruktiv über unsere Sorgen und Gefühle diskutieren. Da, wo Menschen aufeinandertreffen, besteht immer die Gefahr, dass nicht alles so glatt läuft, wie man es sich wünscht. Dann ist es wichtig zu wissen, was man tut. Unsere Botschaft für alle Workawayer ist: seid darauf vorbereitet! Gerade dann, wenn – und die Chance ist hoch, dass es passiert – es mal nicht so läuft wie man es gerne hätte muss man bereit sein, darüber zu reden und zu hoffen, auf der anderen Seite jemanden zu haben der zuhört, es konstruktiv aufnimmt und bereit ist, etwas daran zu ändern.
Würden wir wieder ein Workaway-Projekt machen? Ja, auf jeden Fall! Aber wir würden uns im Vorfeld mehr Gedanken darüber machen, was wir bereit sind zu leisten. In unserem Fall haben wir den Aufwand unterschätzt – oder die zur Verfügung stehende Zeit war zu kurz, je nachdem wie man es sehen möchte. Aber wir sind auch mit unvergesslichen Eindrücken und Erlebnissen aus dem Projekt gegangen. Schlussendlich ist es genau das, was bleibt: die Erinnerung an Dinge, die wir so nie erlebt hätten, wenn wir es nicht gemacht hätten. Würden wir es wieder tun? Jederzeit!
Vorstadtleben
Unser Apartment in der Vorstadt von Kapstadt ist mehr als gemütlich! Eigentlich ist es eine umgebaute Garage oder ein ehemaliger Schuppen, aber großartig renoviert und zu einem schicken kleinen Apartment umgebaut. Der Esstisch steht im Freien in einem Carport. Klingt nicht besonders reizvoll, aber wir geniessen genau das Einfache und Übersichtliche hier. Zudem hat der sehr nette Besitzer vorgesorgt: da hier bis zu 4 x pro Tag «Load Shedding» ist (die kontrollierten Stromausfälle), sind wir mit einem extra dafür zur Verfügung stehenden Akku komplett unabhängig. Bisher war es immer so, dass das WIFI ausfällt, wenn der Strom wieder einmal weg ist. Hier wird es allerdings von einem Akku gespeist und bleibt auch bei Stromausfall funktionsfähig. Und das Sahnehäubchen: wir haben Netflix, und der Fernseher kann ebenfalls mit dem Akku betrieben werden. Notfall-Lampen mit Akku stehen auch zur Verfügung – was will man mehr? Alles perfekt hier! Load Shedding kann uns mal!
Als wir am ersten Abend durch die sozialen Medien zappen fällt Magdalena etwas auf. Reinhardt Buhr ist einer unserer Lieblingsmusiker. Er ist ein sogenannter «Looper», er spielt unzählige Instrumente und seine Musik ist für uns unheimlich inspirierend und beruhigend. Speziell in Mexiko, als wir teilweise 12 Stunden lange Busfahrten hinter uns bringen mussten, war Reinhardt Buhr mit seiner Musik unser ständiger Begleiter. Wir lieben seine Musik einfach, und jedes Musikstück ist individuell und einzigartig, da er immer improvisiert und neue Beats «erfindet». Fantastisch! Tja, und genau dieser Reinhardt Buhr lebt in einer Stadt, in der wir mittlerweile schon einige Tage verbracht haben: Kapstadt! Und ganz, ganz selten passiert es auch, dass er ein spontanes Live-Konzert mitten in der Waterfront gibt. Genau am Vorplatz des Food Markets, dem Gebäude, das wir noch am Vortag besucht hatten. Aber wie gross ist die Chance, dass er genau dann einen Auftritt hat, an dem wir hier sind? Gleich Null. Oder nicht ganz Null.
Magdalena fällt es auf, denn Instagram schlägt es ihr vor: Reinhardt hat ein neues Video auf Instagram gestellt. Er hatte heute, ja genau HEUTE ein Live-Konzert an diesem besagten Platz. Oh nein! Das darf echt nicht wahr sein. Am Donnerstag waren wir noch da – und einen Tag später wäre er dort gewesen. Wie schade. Was würden wir dafür geben, den mal live zu sehen. Okay, wir können ja man fragen, wann das nächste Konzert ist. Klar, bei rund 600.000 Followern ist die Chance auch nicht besonders gross, dass er auf einen Kommentar antwortet – aber ein Versuch ist es wert. Wir schreiben unter das Video, dass wir seine Musik wirklich sehr lieben und ob er schon weiss, wann das nächste Auftritt geplant ist. Auf seiner Webseite lässt sich das leider nicht herausfinden.
Weihnachtsgeschenk
Zwei unglaubliche Sachen passieren: erstens: nach etwa drei unheimlich langen Stunden erhalten wir tatsächlich eine Antwort auf unseren Kommentar! Und das zweite Unglaubliche: er schreibt, dass er am nächsten Tag nochmals an der gleichen Stelle ein Konzert geben wird. Okay, für uns beide ist sofort sonnenklar: wir müssen am nächsten Tag zur Waterfront: Reinhardt spielt live!
Der Auftritt ist um 15 Uhr geplant. Da die Fahrt in die Stadt mit dem Uber aber auch einiges kostet, wollen wir den ganzen Tag ausnutzen. Wir fahren also schon am Vormittag hin. Da Samstag ist, ist wieder der Bauernmarkt, an dem wir schon einmal waren. Nachdem uns der wirklich gut gefallen hat beschliessen wir, dass wir dort hinfahren und erst gemütlich frühstücken. Gesagt, getan. Aber wir merken schnell, dass wir jetzt mitten in der «holiday season» sind. Die Anzahl an Menschen ist um ein Vielfaches höher als noch beim letzten Mal und wir werden von den Massen durch den Markt geschoben. Wow, das sind wir nicht mehr gewöhnt. Wir sind und relativ schnell einig, dass wir unser Frühstück woanders einnehmen werden. Wir finden ein geeignetes Lokal und geniessen aufgrund der bereits fortgeschrittenen Tageszeit statt klassischem Frühstück einen leckeren Burger.
Nun wird es aber Zeit. Viel zu früh gehen wir los und machen uns auf in Richtung Food Market, wo Reinhardt in etwa 1 Stunde sein Konzert geben wird. Als wir hinkommen spielt ein anderer Musiker, aber das Equipment von Reinhardt steht bereits da. Gerade in dem Moment, als ich gescheit die ganze Elektronik anschaue und so tue, als ob ich eine Ahnung davon hätte, kommt mir Reinhardt entgegen. Ich bin so baff, dass ich ihn anschaue wie eine Eule und einfach anquatsche. Hey Reinhardt, ich bin Rene und das ist meine Frau Magdalena. Ich erzähle ihm in kürzester Form, dass wir aus der Schweiz kommen und grosse Fans von ihm sind. Er freut sich sehr über den kurzen Small Talk und sagt, wir sollen die Show geniessen.
Das tun wir! Als es los geht sitzen wir ganz weit vorne und machen Bilder und Videos ohne Ende. Ich komm mir vor wie ein gestörter Stalker, aber das ist mir jetzt auch schon egal. Magdalena geht es genau gleich. Der Sound ist absolut cool und wir könnten stundenlang zuhören. Nach gut einer Stunde ist die erste Session mal vorbei. Zu verlieren hab ich nix und ich geh mal nah vorne zu seinem Mischpult und quatsch ihn nochmals an. Magdalena kommt auch gleich dazu. Und ja, er hat Zeit und quatscht auch munter drauf los, wir erzählen von unserer Reise und reden über Gott und die Welt. Wir fühlen uns grad voll wie die Stars. Genial. Seine Frau Mandy ist auch mit dabei. Ich sag den beiden, dass es echt schade ist, dass man so schlecht rausfindet, wann ein Konzert geplant ist. Die beiden erzählen uns, dass es manchmal eben nicht sicher ist, ob sie wirklich spielen können. Sie sind ja wetterabhängig, und manchmal klappt es dann mit dem Auftritt nicht. Und da sie vermeiden wollen, dass die Leute extra anreisen, und dann findet es nicht statt, geben sie eben fast nie was raus. «Aber…» sagt Mandy dann zu mir, «… gib mir doch Deine Nummer, dann geb ich Dir Bescheid, wenn wir das nächste Mal einen Auftritt haben». Äh – was? Reinhardts Frau hat mich gerade um meine Nummer gefragt. Okay, besser kann der Tag nicht mehr werden! Zum Glück war Magdalena dabei. Haha, nein im Ernst – die zwei sind echt auf dem Boden geblieben. Wir fragen die beiden, ob sie noch Zeit für ein Selfie haben – ja klar, haben sie! Sogar für mehrere. Reinhardt erinnert uns dann, dass er um 17 Uhr nochmals spielen wird und ob wir nochmals dabei sein werden. Was für eine Frage – NATÜRLICH sind wir dabei. Wir drehen eine kleine Runde durch den Pier und pünktlich um 10 vor 5 sind wir wieder da und lauschen dann der zweiten Runde.
Am Ende der zweiten Session verabschieden wir uns von den beiden, sind echt glücklich und nehmen uns ein Uber zurück in unser kleines Apartment. Eigentlich müsste ich langsam ein anderes Wort für HIGHLIGHT erfinden. Bis es so weit ist muss es leider dabei bleiben: Wieder ein absolutes, unvergessliches HIGHLIGHT für uns beide auf unserer Reise. So, und wer jetzt unbedingt hören will, wie Reinhardt Buhr klingt, dem möchten wir beispielsweise sein Album «Arise» gerne ans Herz legen.
Und wer ihn und seine Musik unterstützen möchte, der sollte auf seine Webseite schauen: https://www.reinhardtbuhr.com
Die kommenden Tage sind wir in unserem kleinen Apartment damit beschäftigt, die ganzen Erlebnisse aufzuarbeiten und zu (digitalem) Papier zu bringen. Fotos sortieren und alles, was die letzten 6 Wochen liegengeblieben ist, wieder auf Stand zu bringen. Am 24. Dezember spazieren wir zum örtlichen Einkaufszentrum und besorgen unser «Christmas Dinner»: ein Hühnchen. Die Kartoffeln und den Salat machen wir als Beilage selbst und fertig ist unser Weihnachtsessen, das wir unter unserem Carport genüsslich verzehren. Wir platzen fast, aber ein guter Nachtisch darf heute ausnahmsweise nicht fehlen: leckere Früchte und eine noch leckerere Mousse au Chocolat.
Ruhige Feiertage
Die Feiertage so ganz allein zu verbringen, ohne Familie und Freunde, ist immer etwas komisch. Auch wenn unsere Reise viele unglaubliche Erfahrungen und Erlebnisse bringt – an diesen Tagen ist es meistens am schwersten. Trotzdem freuen wir uns auf die Tage, die uns noch bevorstehen und besonders auf die Weiterreise durch die Garden Route, die wir im neuen Jahr starten werden.
Liebe Grüsse
Reiseroute
30. Nov. - 28. Dez. 2022Kapstadt
ZA