
Im Goldrausch
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Die Magie der Einsamkeit
1. September 2024Abschied am Eismeer

Alaska ist das Land der grossen Abenteuer, wo der Himmel die Erde küsst und die unberührte Wildnis in jedem Atemzug spürbar ist.
28. August 2024 - Reisetagebuch Eintrag #162
- ABSCHIED AM EISMEER | geschrieben von Magdalena
Nordgrenzen
Nach dem schrecklichen Ereignis auf dem Top of the World Highway müssen wir uns alle erst wieder sortieren und überlegen, wie es weitergehen soll. Wir lassen uns Zeit und beschliessen, erstmal Stück für Stück und Ziel um Ziel weiterzufahren. Wir versuchen Tina und Sven so gut es möglich ist irgendwie abzulenken und sie auf andere Gedanken zu bringen. Unsere heutige Etappe besteht darin, den Grenzübergang „Poker Creek / Little Gold“ zu überqueren, wieder eine Aufenthaltsdauer von 3 Monaten in den USA zu bekommen und somit nun länger nach Alaska einzureisen - und nicht nur für einen Tag, wie schon vor einigen Wochen in Hyder. Wenn am Grenzübergang alles nach Plan verläuft, wollen wir zumindest noch bis zum Dörfchen Chicken fahren.
Wir packen alles zusammen, machen Ollie abfahrbereit und legen die letzten Meilen auf dem „Top of the World“-Highway zurück. Und dann sehen wir ihn, den nördlichsten, internationalen Landgrenzübergang Nordamerikas. Ich bin wie immer etwas aufgeregt, wenn es zu einem Grenzübergang geht. Schliesslich haben es die Beamten in der Hand, ob wir nochmal für 3 Monate einreisen dürfen oder nicht. Dieses wäre nun unsere vierte Visumbeantragung für die USA, seit wir im Mai 2023 eingereist sind. Die Beamtin am Zoll ist sehr nett und bittet uns nach der ersten Passkontrolle, Ollie zu parken und ins Zollgebäude zu kommen. Da werden wir bereits von einem anderem Officer empfangen. Es geht alles ratzfatz. Er will nur wissen, wie unsere Pläne sind und stempelt uns dann das neue Visum für 3 weitere Monate in den Pass. Ich glaube, das war der schnellste und entspannteste Grenzübergang in ganz Nordamerika.
Wir haben es geschafft, nun steht unserem Alaska Abenteuer nichts mehr im Weg. Auf geht es nach Chicken. Bis zur Grenze war die Strasse des „Top of the World“-Highways eigentlich super präpariert. Es ist zwar eine Schotterstrasse, aber sie war easy und problemlos zu fahren. Das sollte sich nach dem Grenzübergang jedoch radikal ändern. Als wir vom „Top of the World“-Highway auf den Taylor Highway abzweigen, wird es noch schlimmer. Dieser ist alles andere als in einem guten Zustand. Es geht auf und ab wie in einer Achterbahn und wir fühlen uns ein wenig in die Zeit in Baja California zurückversetzt. Ein Schlagloch nach dem anderen, enorme Bodenwellen und plötzliche Unebenheiten. Na, das kann ja lustig werden.
Es gibt kein Chicken in Chicken
Kurz nach Mittag kommen wir ziemlich durchgerüttelt in der kleinen Siedlung Chicken an. Chicken wurde 1902 während des Klondike-Goldrauschs gegründet. Bis zu 400 Abenteurer hielten sich zeitweise dort auf und versuchten ihr Glück mit der Goldsuche. Aber wie kommt man bitte auf den Namen Chicken? Ganz einfach: der Name entstand, weil die Gründer Schwierigkeiten hatten, "Ptarmigan" auszusprechen und zu buchstabieren, der Name des örtlichen zahlreich vorkommenden Alpenschneehuhns, das zur bevorzugten Ernährung diente. Und da Chicken leichter zu buchstabieren war, wurde das Dorf einfach Chicken genannt. Im Jahr 2024 hat Chicken nur etwa 12 ständige Einwohner. Während der Sommersaison, die von Mai bis September ist, kann die Anzahl der Einwohner auf satte 40 Nasen steigen. Wir stellen Ollie in „Downtown“ ab und müssen uns erstmal orientieren. Downtown Chicken besteht aus ganzen 3 Gebäuden. Einem Café, einer Bar und einem Souvenirgeschäft. Das war‘s. Na, dass nenn ich mal eine Grossstadt.
Nachdem wir jeden Winkel von Chicken Downtown erkundet haben – was zugegeben ziemlich einfach war - machen wir uns auf, um den Rest des Dorfes zu erkunden. Es gibt zwei RV-Parks, eine alte Dredge die besichtigt werden kann, einige weitere Souvenirgeschäfte, ein Postamt und eine Hühner-Statue. Nach einer Stunde sind wir mit allem durch und begeben uns zurück zum Wohnmobil. So richtig können wir uns nach dem tragischen Unfall von vor einigen Tagen noch nicht wieder auf das Reisen konzentrieren und schon gar nicht freuen, aber ein wenig Ablenkung tut uns gut. Wir lassen den Tag ausklingen und gehen alle früh ins Bett.
Elch im Anflug
Da es in der Nacht schon lange nicht mehr dunkel wird, sind wir morgens immer recht früh wach. Mir taugt sie voll, diese Mitternachtssonne. Man wird nie müde und könnte die ganze Zeit wach sein. Wir staunen nicht schlecht, als kurz vor 06:00 Uhr morgens auf einmal ein Elch an unserem Wohnmobil vorbeirennt und keine 10 Meter neben uns stehen bleibt. Es gibt sie also wirklich, die Elche! Wir haben ja schon gedacht es sind Fabelwesen oder Tiere, die nur im Zoo zu finden sind. Während unserer 10-wöchigen Skandinavienreise, haben wir gerade mal einen (EINEN!) Elch in freier Wildbahn gesehen. Und während wir durch Kanada gereist sind, haben uns immer alle Reisenden von ihren Sichtungen erzählt. Wir hatten bis heute jedoch nie Glück und haben wirklich schon an der Existenz dieser Tiere gezweifelt. Aber jetzt steht sie da, vor unseren Augen, in ihrer vollen Pracht und ist ganz entspannt, die hübsche Elchkuh.
Albtraum aus Schotter
Da wir in Chicken nicht ein einziges Chicken gefunden haben und auch sonst jeden Winkel erkundet haben, geht es am nächsten Tag weiter. Mir graut es jetzt schon vor der Fahrt. Ich hoffe, dass der Taylor Highway, auf dem wir jetzt bis nach Tok fahren, besser wird. Aber er macht seinen Ruf alle Ehre. Die 259 Kilometer lange Schotterstrasse ist eine reinste Katastrophe. Ich komme mir vor wie auf einer Achterbahn im Europapark, die jedoch nicht ganz in der Spur läuft. Es ist anstrengend und nervenaufreibend diese Piste zu fahren. Nach rund einer Stunde Schotter-Buckelpiste knallt und scheppert es plötzlich im Innenraum von Ollie. Wir schauen uns zuerst entgeistert an, Rene wird langsamer, aber ich traue mich zuerst gar nicht, nachzusehen, was da hinten passiert ist. Es nützt leider nichts. Ich staune nicht schlecht als ich mich umdrehe und unsere Mikrowelle am Boden liegen sehe. Das 15 kg schwere Gerät wurde aus der Halterung gerissen und liegt nun in Einzelteilen auf dem Boden verstreut. Also diese verdammte Strasse ist echt zum Davonlaufen!! Wir fahren rechts ran, sammeln die Einzelteile der Mikrowelle auf und verstauen sie in der Garage. Zum Glück ist im Innenraum kein Schaden durch die Wucht des Aufpralls der Mikrowelle entstanden. Unsere Dinette hat einen kleinen Kratzer und der Boden hat einige Schleifspuren abbekommen, die wir später aber nahezu restlos entfernen können. Ansonsten ist – bis auf die Mikrowelle selbst natürlich - alles heil geblieben. Wir fahren nun loch langsamer und sind froh, als wir drei Stunden später endlich von dem blöden Highway wegkommen.
In Tok gehen wir erstmal einkaufen und gönnen Ollie nach all den Strapazen eine Rundum-Wäsche. Durch die Schotterstrassen und den Regen ist er ganz schön verdreckt und schaut aus wie ein schlecht paniertes Wiener Schnitzel. Am späteren Nachmittag machen wir uns dann auf zu unserem Schlafplatz, der keine 20 Kilometer ausserhalb von Tok liegt. Für heute haben wir genug Kilometer auf Alaskas Strassen hinter uns gebracht. Und dann, kurz bevor wir uns ins Bett verkriechen, taucht an dem kleinen See, an dem wir stehen, ein Elch auf. Wir können unser Glück kaum fassen. Endlich, jetzt sind wir uns ganz sicher, es gibt sie, die Elche.
Stellplatzflucht
Der Platz wäre echt ein Träumchen. Es hat kaum Mücken, die Aussicht auf den See und die Berge ringsherum ist wunderschön. Man hört die Strasse nicht und wir haben den Platz ganz für uns allein. Wäre da nicht der echt starke und sehr nervige Wind. Wir werden die ganze Nacht herumgeschüttelt. Man könnte meinen, wir sind auf hoher See. Wehmütig beschliessen wir, den Platz zu verlassen und hoffen, dass es im Wrangell - St. Elias Nationalpark windstiller ist. Nach einer etwas holprigen Anfahrt kommen wir kurz nach Mittag im Kendesnii Campground an. An den vielen Viewpoints im Nationalpark sind wir nur vorbeigerauscht. Die Wolken hängen so tief, dass man so gut wie keine Sicht auf die Umgebung hat. Das gute an dem neuen Übernachtungsplatz ist, dass der Wind weg ist. Dafür haben wir jetzt massig Mücken, und das Wetter ist leider auch schlechter geworden. Tja, man kann eben nicht alles haben. Wir nutzen die kurzen Regenpausen, um einen Spaziergang rund um den Campingplatz zu machen und erkunden die schönen Wege, die Rund um den See angelegt wurden.
Am nächsten Vormittag sind wir von Tina und Sven zum Brunch in ihrem Camper eingeladen. Es gibt allerlei Leckereien und wir werden nach Strich und Faden verwöhnt. Alles, was unser Herz begehrt, ist dabei. Angefangen vom selbst gebackenen Brot, Ei Benedict mit Lachs über Wurst und Käse und Joghurt bis hin zu Pancakes. Die beiden haben wirklich an alles gedacht. Drei Stunden später rollen wir vollgefressen aus ihrem Wohnmobil. Wir verbringen zwei ruhige Tage im Nationalpark, bevor es weiter geht.
Valdez
Unser nächstes Ziel ist die Fischerstadt Valdez. Für mich hat die rund 4.000 Einwohner Stadt, malerisch am Prince William Sound gelegen, eine ganz besondere Bedeutung. Mein Vater hat Alaska sein Leben lang geliebt und dieses Land unzählige Male bereist. Seine Leidenschaft war das Fischen, speziell das Lachsfischen am Land, aber auch das Hochseefischen. Die unberührte Natur Alaskas, das reichhaltige Fischvorkommen, die Vielfalt der Wildtiere, aber auch die Freiheit, die dieses Land verkörpert, faszinierte ihn sein ganzes Leben lang. Im August 2015 machte er sich ein letztes Mal auf die Reise nach Alaska. Im September nahm er die Fähre von Valdez nach Cordova und bezog mit seinem Freund Hans-Peter die hiesige Lodge. Leider kehrte er von seinem letzten Ausflug zum Hochseefischen nie zurück. Beim Ausüben seiner grössten Leidenschaft, in seinem absoluten Lieblingsland, erlitt er völlig unerwartet einen Herzinfarkt.
Für mich war die Reise nach Alaska von Anfang an etwas ganz Spezielles. Mein Vater erzählte mir oft Geschichten über dieses Land. All die schönen Bilder, die er mir so oft gezeigt hat - es war alles immer so weit weg, nicht greifbar und surreal. Nun darf ich auf den Spuren meines Papas wandern und kann die Schönheit und Vielfältigkeit Alaskas mit eigenen Augen sehen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich es jemals bis Alaska schaffe.
Über den Richardson Highway fahren wir Richtung Valdez. Es stockt uns fast der Atem. Obwohl die Nebelwolken in den Bergen hängen und es immer wieder regnet, ist die Landschaft, die sich uns hier eröffnet unbeschreiblich schön. Hohe Berge reihen sich links und rechts entlang der Strasse, die Gletscher schlängeln sich talwärts fast bis zum Strassenrand und Wasserfälle stützen die Schluchten hinab. Was für eine atemberaubende Landschaft.
Die ersten zwei Tage erkunden wir Valdez zu Fuss. Wir haben unsere Camper an einem Flussbett abgestellt und erkunden die Strassen und Gassen der kleinen Fischerstadt. Hier dreht sich wirklich alles um das Fischen. An der Marine stehen Tische für die Fischer bereit, um den frisch gefangenen Fisch auszunehmen um ihn dann 50 Meter weiter die Strasse hinauf haltbar und gekühlt verpacken zu lassen. Mir gefällt Valdez. Es ist überschaubar, alles ist Fussläufig erreichbar, das ein oder andere nette Lokal findet sich ebenfalls und die Stimmung ist ausgelassen.
Das Wetter ist jedoch so gar nicht meines. Es ist bedeutend kälter und regnerischer als die letzten Tage im Landesinneren. Tagestemperaturen von 12 Grad und nachts um die 8 Grad sind die Regel. Aber wir dürfen uns nicht beschweren, wir haben es uns ja schliesslich selbst ausgesucht und sind in den kalten Norden gefahren, anstatt in den warmen Süden. Wir lassen uns die Stimmung nicht verderben, und trotz Regen wird am Abend gegrilltt. Das Feuer wärmt uns ein wenig, und so ist es nicht ganz so schlimm.
Eismeer
Am dritten Tag in Valdez haben wir etwas ganz Besonderes vor. Heute geht es mit der Lu-Lu Belle durch den Prince William Sound zum Columbia Gletscher. Mit etwas Glück sollte es auch die ein oder andere Tiersichtung geben. Seit 1979 führt Kapitän Fred alle seine Kreuzfahrten zum Columbia Glacier selbst durch, einzig seine Crew wechselt hin und wieder. Seine Begeisterung, Prince William Sound mit seinen Gästen zu teilen, ist deutlich spürbar. Ab der ersten Minute auf dem Boot gibt er seinen Wissensschatz weiter und hat unzählige Geschichten auf Lager. Der Columbia Gletscher, gespeist von den Chugach Mountains, schiebt sich langsam in die Columbia Bay im Prinz-William-Sund und reicht auf einer Breite von 10 km ins Meer. Seit 1980 hat sich der Gletscher leider um über 20 km zurückgezogen. Dadurch hat er etwa die Hälfte seines Volumens verloren und sich 2011 in zwei Gletscher aufgespalten, deren Zungen 2014 bereits 6 km auseinanderlagen.
Kaum verlassen wir den Hafen, kommen uns auch schon die ersten Meeresbewohner entgegengeschwommen. Wir sehen zum ersten Mal Fischotter in freier Wildbahn. Wie süss sind denn diese kleinen Lebewesen bitte? Wie sie auf dem Rücken treiben, ihre Händchen auf dem Bauch verschränkt und uns ganz neugierig anschauen. Ich würde sie alle am liebsten einpacken und mitnehmen.
Fred lenkt die Lu-Lu Belle ganz nah in eine Höhle rein, dann sehen wir auch schon den ersten Puffin, besser bekannt als Papageientaucher. Die Vogelart aus der Familie der Alkenvögel brütet in Erdhöhlen an und auf Klippen. Die süssen Vögelchen sind extrem schnell. So wirklich ganz scharf, bekommen wir keinen vor unsere Kameralinse. Aber dafür können wir sie umso besser beim Landen und Starten mit den eigenen Augen beobachten. Endlich können wir auch diese hübschen Vögel von unserer Watch-Liste streichen. Damals in Norwegen hatten wir leider kein Glück mit der Sichtung von den Papageientauchern.
Es geht immer weiter raus auf die hohe See des Prinz Williams Sounds. Die Landschaft ist atemberaubend. Links und rechts ragen hohe Berge mit üppig fliessenden Wasserfällen aus dem Meer. Die See ist relativ ruhig und das Wetter ist noch einigermassen klar, um eine gute Sicht zu haben. Wir halten in der Nähe eines Fischkutters an, der gerade damit beschäftigt ist, den Fang einzuholen. Doch was tummelt sich da im Netz? Als wir nahe genug sind, sehen wir, was sich da abspielt. Drei freche Seelöwen bedienen sich am Fang, der ins Netz gegangen ist. Und einer ist sogar so frech, dass er bis zum Schluss im Netzt bleibt. Die Fischer müssen den Seelöwen schlussendlich aus dem Netz scheuchen. Ich finde es mega interessant und spannend zuzusehen, wie die Fischer ihren Job machen, die Fische einholen und gleich weiterverarbeiten.
Die Eisbergverhältnisse am Columbia-Gletscher ändern sich ständig, und die Gletscherwand hat sich seit 1979, als Kapitän Fred seine erste Fahrt zum Gletscher gemacht hat, um ungefähr 20 Kilometer verschoben. Geschickt lenkt Fred seine Lu-Lu Belle vorbei an den Eisbergen, die aus dem Eismeer ragen. Von oben wirken die Eisberge zwar klein, aber unter der Wasseroberfläche sind sie um einiges grösser. Fred weiss ganz genau, was er macht. Er fährt die Strecke jeden Tag, und das seit nun 45 Jahren. Wir nähern uns immer mehr dem Columbia Gletscher und dann, als wir um die nächste Ecke biegen, können wir ihn endlich sehen. Noch ist er weit weg, aber wir wissen, dass Fred sein Bestes geben wird, um uns ganz nahe an den Gletscher zu bringen. Wir halten es nicht mehr aus und sind so gut wie die ganze Zeit nur noch an Deck. Es ist ein unglaubliches Gefühl,an den treibenden Eisschollen vorbei zu fahren. Obwohl es inzwischen eiskalt ist und uns der kalte Wind und der Regen um die Ohren pfeift wollen wir jede Minute der Fahrt auskosten.
Endlich sind wir ganz nahe. Keine 400 Meter trennen uns von der mächtigen Eiswand. Der Captain bleibt stehen. Wir dürfen den Gletscher in seiner vollen Pracht bestaunen. Die Höhe der Eiswand über dem Meeresspiegel beträgt 50 bis 80 m, während die Gletscherzunge 700 m unter Wasser liegt. Wir können kaum die Augen vom türkisblauen Gletscher lassen und schiessen unzählige Bilder der 6,4 km langen Eiswand. Und zwei Mal dürfen wir mitansehen, wie der Gletscher kalbt. Zwei riesige Stücke brechen ab, stürzen tosend ins Meer und lösen eine Welle aus, die uns ganz schön ins Schaukeln bringt. Allein schon das Geräusch des abbrechenden Eises werden wir so schnell nicht mehr vergessen. Fred gibt all seinen Passagieren mehr als genug Zeit, um den Gletscher zu bestaunen und unzählige Bilder zu schiessen. Als nur noch der harte Kern (Rene und ich) draussen im eiskalten, stürmischen Regen stehen, manövriert er seine Lu-Lu Belle dann langsam wieder aus dem Eismeer durch den Prinz William Sounds in Richtung Valdez. Irgendwann wird es auch uns zu kalt und wir flüchten ins Bootsinnere.
Wir sind komplett ausgekühlt und jede Stelle unseres Körpers ist halb eingefroren. Kaum in der Kajüte angekommen bestellen wir uns gleich eine heisse Schokolade mit einer Extraportion Sahne. Kapitän Fred ist immer noch ununterbrochen im Redefluss. Es ist unglaublich, diesem Mann gehen die Geschichten einfach nicht aus. Die Rückfahrt fällt dem Regen geschuldet weniger spektakulär aus. Wir können diesen Ganztagesausflug zu 100% empfehlen. Fred und seine Crew geben ihr Bestes, um die Passagiere glücklich zu machen und kümmern sich um das Wohl der Gäste, aber auch das der Tiere, und dass sie in ihrer gewohnten Umgebung nicht gestört werden. Nach diesem ereignisreichen, aufregenden Tag fallen wir alle müde und zufrieden ins Bett. Dieses Erlebnis werden wir so schnell nicht vergessen. Es ist unglaublich, wie nahe wir durch das Eismeer dem Gletscher gekommen sind.
Abschied nehmen
An unserem letzten Tag in Valdez fahren wir zur Solomon Gulch Hatchery (Fischaufzuchtfarm für Lachse). Diese liegt gegenüber von Valdez auf der anderen Fjordseite. Wir sind noch zu früh dran, um die Lachse zu sehen, aber der ein oder andere Lachs schwimmt schon an der Farm vorbei. Und der dicke fette vollgefressene Seelöwe, der quasi nur sein Maul aufmachen muss, ist auch schon vor Ort. Running Sushi vom Feinsten.
Ich suche mir ein schönes Plätzchen am Wasser und lass die letzten Tage Revue passieren. Hier fühle ich mich meinem Dad sehr nahe und verstehe jetzt so einiges mehr. Die wilde Schönheit dieses Landes ist kaum zu beschreiben. Vieles ist noch sehr ursprünglich und kaum berührt. Mir wird erst jetzt so richtig bewusst, was ihm an Alaska so gut gefallen hat und warum es ihn immer wieder hierher zurückgezogen hat. Nachdem ich jetzt auf den Spuren von ihm gewandert bin, kann ich alles etwas besser verstehen und akzeptieren. Ich bin so dankbar, dass wir es bis hierhergeschafft haben. Ich glaube, es fällt mir jetzt etwas leichter, mit seinem Tod abzuschliessen.
Nun kann unsere Reise weiter gehen. Wir verlassen noch am Nachmittag Valdez und hoffen, etwas nördlicher besseres Wetter zu bekommen. Das kalte, nasse Wetter trübt dann doch etwas die Stimmung aller. Ich bin gespannt, ob wir die Sonne und die Wärme in den nächsten Wochen noch finden, hier im hohen Norden von Alaska.
Liebe Grüsse
Reiseroute
03. – 04. Juli 2024Chicken
US04. – 05. Juli 2024Tok
US05. – 08. Juli 2024Wrangell-St.-Elias-NP
US08. – 11. Juli 2024Valdez
US11. – 13. Juli 2024Tonsina
US