Märchenhafte Königsresidenzen
29. August 2021Süsse Verlockung – Porto und Aveiro
5. September 2021Die Templer in Portugal
Gott weiss, wer unrecht hat und wer gesündigt hat, und bald wird Unglück über die hereinbrechen, die uns fälschlich verurteilen. Gott wird unseren Tod rächen. Herr wisse, dass in Wahrheit alle, die gegen uns sind, von uns zu leiden haben werden.
01. September 2021 - Reisetagebuch Eintrag #59
- DIE TEMPLER IN PORTUGAL | geschrieben von Rene
Tomar war einst eine Templerhochburg - die Convento de Cristo beherbergte sogar weibliche Tempelschwestern. In Monsanto bewundern wir die Verschmelzung von Mensch und Natur, und in Portugals Gebirgsregion Serra da Estrela gibt es Löcher in den Seen. Portugals Mitte ist aussergewöhnlich!
Tomar
Die Kleinstadt Tomar, etwa 100 km nordöstlich von Lissabon, gehört zu einem Verbund von Orten historisch bedeutender jüdischer Gemeinden. Im Zuge der Reconquista eroberte Portugals erster König die Stadt Tomar im Jahr 1147 von den Mauren und übergab den Ort 1159 als Verdienst für ihre Bemühungen dem Templerorden. Als wir Tomar erreichen sind wir gleich schon begeistert. Es sieht sehr aufgeräumt, sauber und einladend aus. Die Stadt direkt am kleinen Fluss Nabao ist äusserst hübsch anzuschauen. Das allerbeste aber zuerst: mitten in einem Parkgelände gibt es einen wirklich riesigen Stellplatz für Wohnmobile – alles ist begrünt, Bäume spenden den notwendigen Schatten und das Zentrum ist zu Fuss gerade mal 5 Gehminuten entfernt. Ich muss neidlos gestehen: das ist einer der schönsten Plätze, an denen wir bisher (offiziell) gestanden sind. Klar, die Naturplätze in Norwegen und Schweden darf man in dieses Ranking nicht miteinbeziehen. Gut – also etwas genauer spezifiziert ist es einer der schönsten Stellplätze in Portugal. Wenn ich so nachdenke sind wir bislang an unglaublich vielen schönen, teilweise atemberaubenden Plätzen gestanden, die wir unser ganzes Leben lang nicht mehr vergessen werden. Aber gut – zurück zu Tomar.Wir finden ein feines Plätzchen zwischen den Bäumen. Neben uns steht ein junges portugiesisches Paar mit einem total süssen Hund (Pirata) – der leider blind ist. Sie haben ihn aus einem Shelter, bei dem Adriana eine Zeitlang gearbeitet hat. Wir unterhalten uns eine ganze Weile mit dem sympathischen Paar, die ihre erste Campertour durch Portugal machen, aber vor einiger Zeit in die Niederlande gezogen sind. Am nächsten Morgen starten die beiden leider schon sehr früh, ohne dass wir es mitbekommen. Als wir die Türe aufmachen, sind sie schon weg – aber sie haben am Abend extra noch eine schöne Karte mit ganz lieben Wünschen für unsere weitere Reise geschrieben und sie uns auf den Tisch gelegt. Wir können es kaum glauben und sind irre happy damit. Leider haben wir keine Kontaktdaten – aber vielleicht liest es ja irgendwann man jemand, der Adriana, Albano und ihren süssen kleinen Pirata kennt. Wir möchten uns so gerne dafür bedanken und den beiden ebenfalls alles Gute wünschen!
Dass der Platz ganz speziell ist, merken wir morgens pünktlich um 09:50 Uhr, als ein Auto mit Hupkonzert rund um den Platz fährt. Zuerst denke ich mir, dass wieder irgendwelche verrückte Jugendliche ihr Ego raushängen lassen. Aber um 10 vor 10 jemanden zu wecken ist schwierig – sogar die Portugiesen sind um die Zeit schon alle wach. Dann stelle ich fest, dass es keine Proleten sind, sondern der Brötchenservice ist, und die alte Dame macht mit der Huperei lediglich auf sich aufmerksam. Natürlich holen wir für unser Ham & Eggs-Frühstück die Brötchen von der wirklich netten Hupfrau. Dann starten wir in Richtung Stadt und werden von zwei Studentinnen am Touristen-Informationstresen sehr ausführlich über die Highlights in der Umgebung aufgeklärt. Gut, die Anzahl der Sehenswürdigkeiten ist schon aufgrund der Stadtgrösse überschaubar, aber das macht nichts – denn DAS Aushängeschild von Tomar ist die ehemalige Templerburg Convento de Cristo. Das ist natürlich unser erstes Ziel, solange die Sonne noch nicht zu heiss vom Himmel brennt.
Über die Templer und deren Geschichte könnte man (oder hat man ohnehin schon) ganze Bücher mit Informationen geschrieben. Daher vielleicht nur ein ganz kurzer Abriss, was es mit dem ominösen Orden eigentlich auf sich hat: der geistliche Ritterorden bestand gute 200 Jahre, nämlich von etwa 1118 bis 1312. Wem die Jahreszahl 1312 bekannt vor kommt, sollte vielleicht auch einen Blick auf unseren Reisebucheintrag über den Papstpalast in Avignon werfen. Nun gut, die Ritter vom Templerorden, auch Tempelritter/Templer genannt, waren die ersten, die die Ideale des Rittertums und des Mönchtums vereinen wollten. In diesem Sinne war er also eine militärische Eliteeinheit, die direkt dem Papst unterstand. Zu Beginn des 12. Jahrhunderts war Jerusalem ein Anziehungspunkt für zahlreiche Pilger und Abenteurer aus Europa. Doch die Strassen dorthin waren zu dieser Zeit mehr als unsicher, und so waren Raubüberfälle und die Ermordung von Pilgersleuten an der Tagesordnung. Apropos Ordnung – genau dafür sollten die Templer sorgen. Nachdem die Kreuzritter allesamt wieder nach Europa zurückgekehrt waren, blieben die Pilger ungeschützt auf ihrer Reise. Deshalb haben 9 französische Ritter den Orden gegründet, deren einziger Zweck darin bestand, die Strassen des Heiligen Landes für die christlichen Reisenden zu sichern. Extrem spannend sind die Gelübde, die sie abgelegt haben – die sich neben dem Schutz der Pilger auch auf Armut, Keuscheit und Gehorsam bezogen. Über Keuschheit und Gehorsam ist eher wenig bekannt, aber das mit der Armut hat dann doch nicht so ganz geklappt. Denn ab etwa 1127 sind die ersten Schenkungen von Landbesitz an den Orden verzeichnet – speziell in Frankreich, England, Spanien, Italien und Portugal. Mit zahlreichen weiteren Beitritten ging auch ein Wachstum der Spendeneinkünfte einher. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts machten die Templer Geldanleihen zu einer ihrer geschäftlichen Betätigungen und wurden neben der Militärmacht auch eine europaweite Finanzmacht. Sie waren also sozusagen die erste offizielle Bank der Welt. Zur Blütezeit verwalteten etwa 15.000 Ordensmitglieder satte 9.000 in ganz Europa verstreute Besitztümer. Natürlich waren die Gewinne lediglich zur Finanzierung des Kampfes in Palästina gewidmet. So heisst es zumindest. Über die Geschichte könnte ich endlos schreiben, aber ich will euch nicht langweilen und komme zum blutigen Ende der Ordensgeschichte: Im Laufe der Zeit wurden die Könige in Europa mächtiger als die Päpste, und zunehmend wurde der Orden von den Königen misstrauisch beäugt. Nicht zuletzt deshalb, weil sie mit ihrer Truppenstärke das zu jener Zeit grösste, erfahrenste und reichste Heer dieser Zeit bildeten und unbestritten eine potentielle Gefahr darstellten. König Philipp IV. war hoch verschuldet und das Vermögen der Templer somit eine willkommene Lösung zur Deckung selbiger. Mit allerlei Vorwänden und Propaganda wurden die Mitglieder des Ordens schlussendlich einfach der Ketzerei und Sodomie angeklagt. Der Papst unterstand während dieser Zeit dem französischen König und musste mitziehen – ob er wollte oder nicht. König Philipp IV. setzte Papst Clemens V., der seinen Amtssitz nach Avignon verlegt hatte, unter Druck und bedrohte seinen Vorgänger und Mentor Bonifatius VIII. mit dem Tod. Mit dem so erpressten kirchlichen Segen begann die systematische Ausrottung des Templerordens und ihrer Mitglieder. Im September 1307 wurden vom König zahllose Haftbefehle mit der Anweisung, sie genau am Freitag, den 13. Oktober zu öffnen und zur Vollstreckung zu bringen, an alle französischen Dienststellen versendet (daher kommt übrigens auch der Aberglaube an Freitag den 13. als Unglückstag). Die Besitztümer wurden beschlagnahmt und «zu treuen Händen» zumeist dem Johaniterorden zugeteilt. Die Mitglieder des Templerordens wurden gefoltert, gehängt, verbrannt oder lebenslänglich eingesperrt. Es endet wie es enden musste: am 18. März 1314 wurde der letzte Grossmeister des Templerordens Jacques de Molay in Paris auf dem Scheiterhaufen verbrannt und der Orden war ab diesem Zeitpunkt Geschichte.
Nun zurück zur Convento de Cristo in Tomar: König Afonso Henriques (Alfons I.) trat 1128 selbst in den Orden ein und überschrieb 1159 das Anwesen an die Ritter des Templerordens. Ein Jahr darauf begannen die Bauarbeiten zum Schloss und der aussergewöhnlichen Charola (die runde Templerkirche) auf den Ruinen des ehemaligen Klosters. Als Dank schworen die Ordensritter dem König die Treue und fochten daraufhin unzählige Kämpfe und Kriege im Namen des Königs. Tomar war forthin und bis zum unrühmlich herbeigeführten Ende des Ordens durch Papst Clemens V. einer der wichtigsten Sitze und eines der Hauptquartiere der Templer auf der iberischen Halbinsel. Eine spezielle Besonderheit der Templerfestung ist der Umstand, dass es vermutliche gegen Ende des 13. Jahrhunderts sogar eine kleine Gemeinschaft weiblicher Templer gab: Santa Maria do Castelo. Die Ordensregeln der Templer untersagten zwar grundsätzlich die Aufnahme von Frauen, dennoch gab es aber tatsächlich reine Frauenklöster, die sich dem Orden anschlossen. Die Frauen durften jedoch weder die weisse Ordenstracht tragen noch in den Krieg ziehen.
Als die Verfolgung der Templer im Jahr 1307 begann, verurteilte und verfolgte König Dinis sie aufgrund ihrer Dienste zur Verteidigung und Besiedelung des portugiesischen Territoriums jedoch nicht. Doch aus Angst, das Eigentum an den Klerus zu verlieren, wendete sich König Dinis im Bewusstsein, alleine nicht mächtig genug zu sein, an König Fernando IV. von Kastilien und verbündete sich mit ihm. In der Übereinkunft von Salamanca wurde vereinbart, dass – sollte der Templerorden ausgesetzt werden – alle Besitztümer an die Krone fallen würden. Sie schworen sich gegenseitig, die Güter – Notfalls auch mit Waffengewalt - zu verteidigen. Auch König Aragon schloss sich diesem Bündnis an. So blieb dem Papst nicht viel übrig als diese Übereinkunft zu respektieren. Nach der tatsächlichen Auslöschung des Templerordens im restlichen europäischen Territorium wurde in Portugal der Christusorden geschaffen, dem fortan alle Güter der Templer überschrieben wurden und dem auch einige der ehemaligen Ritter beitraten. So entgingen sie der Gefahr, dass die Johaniter sich die Besitztümer in Portugal und auch Spanien aneignen konnten.
Die Chronik der Templerburg setzt sich über die folgenden Jahrhunderte fort – doch die Ausführung der Ereignisse würde den Umfang unseres Reiseblog mit Sicherheit sprengen. Im Bewusstsein dieser spannenden Hintergründe verbringen wir wieder mal unglaublich viel Zeit in den alten Gemäuern, was sich aber definitiv gelohnt hat. Als wir das Schloss verlassen, ist es schon fortgeschrittener Nachmittag. Trotz der Affenhitze beschliessen wir, die alten Burgmauern zu erklimmen und einen wundervollen Blick in den Vorhof zu geniessen. Aber schnell suchen wir wieder ein schattiges Plätzchen und beschliessen, es für heute gut sein zu lassen und spazieren gemütlich zurück zu unserer Frida. Auch die nächsten Tage verbringen wir an diesem wirklich wunderschönen Ort, besuchen noch das ein oder andere Mal die kleine Innenstadt, aber im Grossen und Ganzen geniessen wir die Reiseauszeit. Doch alles hat einmal Ende, und es drängt uns nach weiteren Geschichten und Abenteuern.
Monsanto
Bei Monsanto denke ich zunächst an den Saatgutriesen und unwillkürlich an den Milliardenschweren Glyphosat-Skandal. Doch bei Monsanto in Portugal handelt es sich um ein kleines, beschauliches Dorf im Landesinneren. Dieses Monsanto ist weniger durch Skandale und viel mehr durch seine einzigartige Bauweise bekannt. Die kleinen Häuschen sind grossteils zwischen die Felsen in den Berghang gebaut. Die wie riesige Kieselsteine aussehenden Granitfelsen ziehen einen langen Streifen entlang der portugiesisch-spanischen Grenze. Jeder Quadratmeter wurde ausgenutzt, um Wohnraum zu besiedeln. Hier wiederholt sich die Geschichte: Alfons I. ergriff im 12. Jahrhundert Besitz von diesem Gebiet und schenkte es 1165 dem Templerorden zur Obhut. Als Bedingung mussten die Templer für den damaligen Bischofsitz Idanha zwei Schutzburgen errichten – und Monsanto war eine davon. Hoch über dem Dorf sind heute noch die Überreste des Castelos e Muralhas de Monsanto zu bewundern – die jedoch nicht ganz so spektakulär sind wie die Convento de Cristo in Tomar. Trotzdem lohnt sich der Aufstieg. Spätestens bei unserem Spaziergang durch das verschlafene Dorf wird uns klar, warum es einer der sehenswertesten Geheimtipps Portugals ist. Die Fotomotive sind hier so zahlreich, dass man sich zusammenreissen muss, nicht ständig dieselben Bilder zu machen. Monsanto hat sich für uns wirklich gelohnt.Die Hitze und die Sonne, die unerbittlich vom Himmel brennt, knallen uns fast weg. Das Thermometer im Auto zeigt nach unserer Rückkehr satte 42 Grad an. Da kommt uns unser nächstes Ziel gerade recht, denn es liegt auf der höchsten Gebirgskette Portugals – des Parque Natural da Serra da Estrela – und nennt sich Covão dos Conchos. Dort erhoffen wir uns etwas angenehmere Temperaturen.
Parque Natural da Serra da Estrela
Das spektakuläre am künstlich angelegten Covão dos Conchos ist, dass er eine Glockenmündung hat, oder - auf gut Deutsch - ein Loch mitten im See. Der Überlauf wurde 1955 gebaut, um Wasser nach Lagoa Comprida zu leiten. Heute ist es eine Attraktion, die wir gerne auch mit eigenen Augen sehen wollen. Wir starten die etwa 1,5stündige Wanderung an einem Wanderparkplatz am Stausee Lagoa Comprida mit wirklich erfrischenden 26 Grad am Vormittag. Die Wanderung ist tatsächlich sehr leicht und mühelos erreichen wir das seltsame Gebilde. Da der See zu dieser Zeit kein Hochwasser führt, ist der Überlauf quasi trocken. Das macht nichts, es wirkt trotzdem spektakulär und surreal. Auch endlich wieder mal ein Grund, meine Drohne auszupacken und über den See zu heizen.Auf dem Rückweg erstaunt uns die klare, tiefblaue Farbe des Lagoa Comprida so sehr, dass wir beschliessen, dort reinzuspringen. Wir finden ein abgeschiedenes Plätzchen und verbringen den restlichen Tag am Stausee. Wir springen so oft in das erfrischende Nass, dass wir es gar nicht mehr zählen können. Zu unserem Glück haben wir die Picknick-Vorräte bei weitem nicht aufgebraucht, und so können wir ganz gelassen den Nachmittag in absoluter Stille am See ausklingen lassen, bevor wir uns auf den Rückweg zum Wanderparkplatz machen, wo es vor Touristen nur so wuselt.
Noch am selben Abend geht es für uns weiter Richtung Aveiro und wir fahren durch die Hochebene der Serra da Estrela. Die karge Naturlandschaft ist faszinierend und erinnert uns irgendwie an das nördliche Norwegen – nur mit angenehmen Temperaturen, blauem Himmel und Sonnenschein. Zweifellos würde es sich rentieren, hier mehrere Tage zu verbringen und die Wanderrouten zu erkunden. Aber unsere Pläne sehen ein bisschen anders aus. Die Nacht verbringen wir noch in der Nähe der Serra da Estrela, aber es geht für uns nun wieder an die Küste. Genauer gesagt nach Aveiro – dem «Venedig von Portugal»
Aveiro, im August 2021
Liebe Grüsse
Liebe Grüsse
Rene
Reiseroute
12. August - 16. August 2021Tomar
PT16. August 2021Monsanto
PT17. August 2021Serra de Estrela
PT
Erfahrungsberichte