
Traumstrasse ins Chaos
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Am Ziel, aber nicht am Ende
23. Februar 2025Abenteuer Südküste: Zwischen Seen und Städten

Dieser Moment, wenn du schlecht gelaunt bist, jemand dich zum Lachen bringt und du nur denkst: "Verdirb mir meine schlechte Laune jetzt nicht."
09. Januar 2025 - Reisetagebuch Eintrag #175
- ABENTEUER SÜDKÜSSTE: ZWISCHEN SEEN UND STÄDTEN | geschrieben von Rene
Lustlos durch Melbourne
Wenigstens an einem Tag in der Zeit unseres Pet-Sit’s wollen wir unsere Situation ein wenig vergessen und machen uns von der ekligen Unterkunft auf nach Melbourne City. Eine Stadt, auf die ich mich eigentlich sehr gefreut habe. So viele Leute haben uns Gutes über die Stadt erzählt und darüber geschwärmt. Alles klang ganz nach meinem Geschmack und hat mir richtig Lust darauf gemacht. Wir sind ja bereits einmal durch Melbourne gefahren, als wir vor ein paar Tagen auf der Durchreise zur Great Ocean Road waren. Da hat es sehr schön ausgesehen.
Unsere Stimmung ist im Keller. Eigentlich keine guten Voraussetzungen für einen Städtebesuch. Schon als wir das Haus gegen 8 Uhr morgens verlassen, hätte ich am liebsten sofort geduscht, um den Gestank und den Dreck der Hütte loszuwerden. Die Gedanken im Hinterkopf, dass wir am Abend wieder dahin zurückkehren müssen, lässt mich schaudern. Zumindest die Sonne begleitet uns auf dem Weg zum Bahnhof, der zu Fuss etwa 10 Minuten entfernt ist. Die Luft ist noch frisch und riecht sauber. Alles riecht sauber. Und noch sauberer, je weiter wir uns von unserer Unterkunft entfernen. Das mit dem Zug klappt wie erwartet wunderbar. So einfach könnte es sein – da kann sich der Rest der Welt ein Beispiel nehmen. Einfach Kreditkarte auf das Lesegerät legen (Einstempeln), und beim Verlassen des Zielortes wieder dasselbe (Ausstempeln). Der Fahrbetrag wird automatisch berechnet und dann am Abend von der Karte abgezogen – gedeckelt bei einem maximalen Tagesbetrag von rund 8 australischen Dollar. Kein Schnick-Schnack, kein Anmelden und Kundenkonto, kein «welche Zone bin ich» und «in welche Zone muss ich» und beim Fahrkartenschalter anstehen.
Nach etwa 30 Minuten Fahrzeit erreichen wir das Zentrum der Stadt. Wir haben uns auch hier für eine «Free Walking Tour» entschieden, weil wir damit bisher so gut wie überall wirklich gute Erfahrungen gemacht haben. Na ja, wirklich ganz «free» sind die Touren dann natürlich nicht. Am Ende der Führung wird man gebeten, einen «angemessenen» Betrag beim Guide zu hinterlassen. Den kann man natürlich auch mit Karte bezahlen. Aber das ist ja vollkommen in Ordnung, und die Guides – häufig Studenten - leben natürlich auch ein bisschen vom Trinkgeld.
Eine überraschend grosse Gruppe steht schon am Platz, an dem sich alle versammeln. Wir gesellen uns dazu und warten, bis es losgeht. Die grosse Gruppe wird in 3 kleine Gruppen geteilt, und mit geschätzt 25 anderen Touristen laufen wir los. Wir laufen unserem Guide hinterher quer durch die City und sind ein wenig überrascht, dass wir so viele schöne Gebäude passieren, ohne wirklich stehenzubleiben. Die Stellen, an denen wir Halt machen, werden kurz erklärt und die ein oder andere Anekdote dazu erzählt. Aber so ganz den geschichtlichen Hintergrund erfahren wir kaum. Dafür hat er allerlei Tipps zu Restaurants, Bars und Nightclubs – denn nachts ist der gute Junge Barkeeper. Und so fühlt sich die gesamte Tour ein bisschen mehr an wie eine Werbeveranstaltung für Melbournes Nachtleben. Die Begeisterung, die er für diese und jene Bar und deren «legendäre Cocktails» aufbringen kann, würden wir uns eher für die Sehenswürdigkeiten Melbournes wünschen. Schlussendlich haben wir nach dem 3stündigen Citywalk ziemlich genug und sind ein wenig froh, dass wir die Tour hinter uns haben. In Erinnerung ist uns nicht viel geblieben, ausser dass das Opernhaus in Melbourne das Hässlichste ist, das wir jemals gesehen haben und mehr an ein Parkhaus erinnert als an ein Opernhaus.
Das Tour-Erlebnis hat unsere Stimmung nicht wirklich gehoben, und das schlussendlich hinterlassene «Trinkgeld» fühlt sich ein wenig an wie Verschwendung, da wir wissen, dass er es vermutlich in der nächsten Bar liegenlässt. Irgendwie läuft gerade alles schief. Trotzdem machen wir uns auf, um noch ein wenig auf eigene Faust durch die Innenstadt zu spazieren. Es sieht eigentlich ganz schön und aufgeräumt auf. Eine wirklich eindrucksvolle, charmante Stadt, in der es sich vermutlich sehr gut leben lässt. Wir spazieren, wo uns unsere Nase hinführt. Wir erreichen eine Strasse mit Wänden voller Graffitis. Doch leider sind die meisten «Kunstwerke» eher sehr zweifelhaft und eigentlich nicht wirklich von den Schmierereien an den Bahnhofswänden zu unterscheiden. Ein paar schöne Bilder sind dabei, der Rest ist aber eher optische Umweltverschmutzung. Da haben wir schon wesentlich Schöneres gesehen.
Wirklich schön hingegen ist der Bahnhof in der Melbourne Flinders Street. Das Gebäude besticht durch eine schöne Architektur, und ist auch zweifelsfrei eines der beliebtesten Fotomotive der Stadt. Doch heute ist es wirklich schwierig, unsere Gemüter aus der Reserve zu locken. Zumindest die State Library Victoria erregt unsere Aufmerksamkeit. Sie ist nicht nur eine der ältesten öffentlichen Bibliotheken Australiens, sondern auch ein beeindruckendes architektonisches Wahrzeichen. Gegründet im Jahr 1854, beherbergt sie über zwei Millionen Bücher und eine faszinierende Sammlung historischer Dokumente, darunter das Tagebuch des Entdeckers John Batman. Das Herzstück der Bibliothek ist der prächtige La Trobe Reading Room, eine riesige Kuppelhalle mit einer einzigartigen achteckigen Form, die Besucher mit ihrer historischen Eleganz begeistert. Neben kostenlosen Ausstellungen und Lesesälen bietet die Bibliothek auch einige ruhige Rückzugsorte. Und so schafft es die Bibliothek doch noch, unsere Stimmung zum Abschluss unserer Tagestour durch Melbourne etwas zu heben.
Ein Jahresabschluss zum Heulen
Wir verbringen den Rest des Tages im schönen Park auf einer Bank vor der State Library und lassen uns vom bunten Treiben der Menge ein wenig ablenken. Heute ist der 31. Dezember, und wir fragen uns gerade, warum wir diesem unglaublich schönen, aufregenden Jahr zum Abschluss so einen Tiefpunkt erleben müssen. Als die Sonne immer tiefer wandert, machen wir uns langsam auf, um die Heimreise anzutreten. Keiner von uns möchte, aber wir müssen. Die Katzen und Hühner müssen versorgt werden. Doch ganz ereignislos möchten wir den letzten Tag des Jahres nicht an uns vorüberziehen lassen. So entscheiden wir uns, dass wir nach der Fütterung der Tiere in das einzige Restaurant der Umgebung gehen, das heute Abend geöffnet hat. Die Wahl fällt daher unschwer auf das thailändische Restaurant, etwa 10 Gehminuten von unserer Bleibe entfernt.
Wir bekommen um 19 Uhr noch einen freien Tisch zugewiesen und wählen zwei Gerichte von der Speisekarte. Wir hatten uns etwas mehr erhofft, aber auch dieses Vorhaben fällt geschmacklich lediglich in die Kategorie «in Ordnung». Na, was auch sonst. Schlussendlich bekommen wir bei der Abrechnung irgendwelche Beträge in Rechnung gestellt, die so nicht auf der Speisekarte waren. Aber wir sind es beide wirklich leid zu hinterfragen und zu argumentieren. Wir haben die Schnauze gestrichen voll und bezahlen die 3 Dollar, ohne zu diskutieren einfach drauf, wofür auch immer die sein sollen.
Dem emotional schlimmsten Jahreswechsel unserer Reise steht somit nichts mehr im Wege – und nahezu sang und klanglos schaltet die Uhr auf unseren Mobiltelefonen von 23:59 auf 00:00 Uhr um. Wir sitzen auf der dreckigen Couch und schauen uns an. Frohes Neues, es ist jetzt 2025. Zehn Minuten später machen wir uns fertig für das Bett und liegen in unserem Mini-Camper. Was für eine Kacke.
Raus aus dem Rattenloch!
Der 5. Januar 2025 - endlich können wir das Horror-Haus verlassen! Aus Gründen des Respekts (obwohl uns ja keiner entgegengebracht wurde), haben wir im vorigen und auch in diesem Bericht keine Bilder von den ekelerregenden Zuständen des desolaten Rattenlochs veröffentlicht. Doch wir fühlen uns einfach betrogen und hintergangen. Denn die zwei wussten ganz genau, dass sie uns ins offene Messer laufen lassen. Nun, irgendwann wird Karma auch dort vorbeischauen und den beiden den wohlverdienten Gruss von uns ausrichten.
Was können wir tun? Wir können sie bei der Plattform melden, und wir können eine negative Bewertung hinterlassen. Vielleicht tun wir das auch. Aber es bringt uns unsere Zeit nicht zurück. Wir haben uns auf jeden Fall schriftlich in einer WhatsApp-Nachricht «bedankt» und sie wissen lassen, was wir von ihnen und ihrer Drecksbude halten. Wie es sich gehört, haben wir die Emotionen so gut wie möglich bei uns behalten und sachlich geschildert, wie wir es empfinden und es nicht in Ordnung finden, dass sie uns hintergangen haben. Natürlich und erwartungsgemäss erhalten wir als Antwort, dass wir zwei verwöhnte Kinder sind, die sich ein Luxusapartment erwartet haben und wir überdies auch nicht gut auf die Katzen geschaut haben, weil wir nachts in unserem Camper geschlafen haben, und nicht in ihrem widerlichen, dreckigen, verpissten Schlafzimmer (und die Katzen somit nachts allein waren). Was soll ich sagen – manche Menschen verdienen es, auszusterben. Ich könnte über dieses Kapitel stundenlang kopfschüttelnd weiterschreiben, aber wir beide möchten das Thema abhaken und einfach vergessen.
Schlammsuppenbrühendesaster
Wir fahren nach Colac. Ein kostenloser Campingplatz, an dem wir schon einmal gestanden sind. Es hat wieder einmal unerträgliche 42 Grad Aussentemperatur. Jeder Atemzug fühlt sich an, als ob man am Hochofen die Kohlen schaufelt. Der Campingplatz befindet sich direkt an einem See. Das trifft sich doch wunderbar. Doch leider ist es in Australien nicht ganz leicht mit den Wasserstellen. Vielleicht sind wir tatsächlich zu ängstlich, oder zu pingelig. Oder beides. Wir stellen unsere Stühle unter einen Baum in den Schatten, ziehen unsere Badeklamotten über und machen die ersten Schritte in das trübe Wasser. Wir haben bis jetzt noch keinen See oder Fluss hier gefunden, bei dem die Sichtweite mehr als 10 cm war. Entweder ist das Wasser braun, grau, schwarz – oder eine Mischung davon. Aber den Boden sieht man nie. Als ich etwa knietief im Schlamm stehe, mache ich einen Rückzieher. Es ist einfach nur eine eklige braun-graue Brühe. Das gleiche denken sich die anderen wohl auch, denn wir sehen nur ganz vereinzelt ein paar Kinder, die den «Sprung» in die Schlammsuppe wagen. Ich drehe auch wieder um und hoffe, dass sich kein Blutegel an meinen Beinen festgesaugt hat. Das ist zum Glück nicht passiert. So bleiben wir leider an Land in der heissen Luft und schauen unter dem Baum raus aufs Wasser. Im Moment läuft es einfach nicht so recht.
Zumindest haben wir Zeit, um über die Erlebnisse der letzten Tage zu reden und alles zu verarbeiten. Ich habe mich selten so schäbig gefühlt, wie in diesem Haus. Mit den Ratten in den Wänden und dem ständigen Knarzen, Kratzen und Rascheln, sich ihren Weg durch das Holz fressend, bis sie eines Tages die Wände durchbrechen und im Schlafzimmer stehen. Wie unvorstellbar eklig. Na gut, wir wollten das Kapitel ja abschliessen. Also – wir versuchen, nach vorne zu blicken. Am Abend kühlt es endlich etwas ab, und die Temperaturen fallen unter 30 Grad. Dann unter 25, dann unter 20. Am nächsten Morgen wachen wir bei bewölktem Himmel und 14 Grad auf. Wir kramen unsere Pullover wieder aus unserem Schrank – nachdem wir ein paar Stunden zuvor nicht mehr gewusst haben, wie wir die erdrückende Hitze aus dem Auto bekommen sollen. Australien macht uns echt fertig.
Territorienwechsel
Heute geht es nach South Australia. Und somit auch in eine neue Zeitzone. Da machen sie aber nur halbe Sachen – beziehungsweise halbe Stunden, denn ab sofort haben wir 9 ½ Stunden Zeitunterschied zu Mitteleuropa. Immerhin eine halbe Stunde gewonnen. Doch davor fahren wir nach Portland und können es kaum glauben, dass wir unser Frühstück mit langer Hose und Pullover einnehmen. Zumindest aber mit schöner Aussicht auf den Ozean. Der Grenzübertritt nach South Australia verläuft ziemlich unspektakulär – es gibt ja innerhalb Australiens keine echten Grenzen. Doch von South Australia haben wir gehört, dass man keine Früchte, Obst, Samen und Blumen einführen darf. Also haben wir uns schon auf Kontrollen eingestellt, die aber ausbleiben. Entweder haben wir die Station übersehen oder es gibt keine mehr. Nach einem recht langen Fahrtag finden wir in Donavans einen gemütlichen Schlafplatz. Als am Abend ein Toyota Landcruiser mit Zuger Kennzeichen an uns vorbeifährt und ebenfalls einen Schlafplatz sucht, lassen wir es uns nicht nehmen, die zwei anzuquatschen. Susanne und Patrik haben ihr Fahrzeug den langen Weg von der Schweiz bis nach Australien gebracht und machen sich nun eine schöne Zeit. Ein klein wenig spürt man das Heimweh bei Susanne, da sie doch schon einige Monate unterwegs sind. Doch die zwei haben noch so einiges vor, denn nach Australien soll es weiter nach Südostasien gehen. Aber dann mit dem Rucksack, denn der Toyota wird wieder nach Hause geschickt. So zumindest der vorläufige Plan. Am nächsten Morgen verabschieden wir uns – doch wir sollten die zwei bald wiedersehen.
Neue Kraft in Mount Gambier
Mount Gambier hört sich ziemlich französisch an, ist es aber nicht. Der schöne Ort begeistert uns von der ersten Minute an. Unser erster Stopp in dem beschaulichen Städtchen lautet «Blue Lake». Nachdem ich mich vor kurzem noch beschwert haben, dass wir nur braune und schwarze Brühe finden, werde ich hier endlich eines Besseren belehrt. Denn der Blue Lake heisst nicht umsonst Blue Lake – und der sieht zur Abwechslung mal wirklich sehr appetitlich aus. Reinspringen können wir zwar nicht, aber vom Aussichtspunkt aus haben wir einen wunderschönen Blick in den ehemaligen Vulkankrater und dem saftig blauen Wasser, das den Bewohnern auch als Trinkwasserreserve dient.
Dass der Boden hier etwas löchrig ist, beweist auch unser nächster Stopp am Umpherston Sinkhole. Das Kraterloch wurde Anfang des letzten Jahrhunderts in einen wunderschönen Garten umfunktioniert und steht nun der Öffentlichkeit zur Verfügung. Schon der wunderschön gestaltete Zugangsbereich lässt erahnen, was uns erwartet. Die penible Sauberkeit und der gepflegte Rasen sind ein eindeutiges Indiz, dass die Briten in Australien ihre Finger im Spiel haben. Zum Glück, denn die schönsten und gepflegtesten Gärten der Welt haben wir in England gefunden. Hier wie da sieht (fast) alles aus wie eine Märchenlandschaft. Im Sinkhole hat sich auch eine Possum-Familie eingenistet. Und für alle, die jetzt denken, ich habe ein «O» vergessen: nein, habe ich nicht. Es gibt tatsächlich «Possums» und «Opossums». Australische Possums und amerikanische Opossums sind zwar Namensvettern, aber nicht einmal miteinander verwandt. Possums leben in Australien, sind kleinere, pelzige Baumbewohner und ernähren sich von Pflanzen. Opossums hingegen stammen aus Amerika, sehen rauer aus, haben einen nackten Schwanz und sind anpassungsfähige Allesfresser. Unsere Possums sind auf jeden Fall sehr freundlich zu uns und posieren geduldig für ein paar Fotos – ja sogar für ein Selfie mit uns ist sich der kleine Nager nicht zu schade.
Dieses Erlebnis und die letzten Stunden bringen uns wieder etwas auf Spur. Wir finden die Freude wieder und sind seit Tagen endlich wieder einmal so richtig glücklich. Wir geniessen die Zeit im herrlichen Park und schöpfen neuen Mut für die letzten Wochen, die uns in Australien erwarten. Nun sind wir bereit für Adelaide!
Überraschung in Adelaide
Zugegeben: Adelaide wurde uns bisher nicht gerade als «Knaller» verkauft. Die meisten Einheimischen, mit denen wir geredet hatten, waren eher ein bisschen verhalten. Im Kern waren alle Aussagen ziemlich gleich: «Adelaide, na ja, kann man schon machen …». Gut, da müssen wir uns nun selbst davon überzeugen. Erste Challenge: einen Parkplatz finden, der uns nicht in den Ruin treibt. An der Glen Osmond Road, im Süden des Stadtzentrums werden wir fündig. Irgendwie können wir es zunächst nicht so ganz glauben. Wir haben ja schon mit etwa 2 – 5 Dollar die Stunde gerechnet. Aber die Plätze hier am Strassenrand kosten: nix. Null. Nada. Wir versuchen, das Schild zu entziffern – doch da steht Schwarz auf Weiss: nur von 08:00 bis 10:00 Uhr morgens ist hier Parkverbot, die restliche Zeit ist gratis. Wir fragen zur Sicherheit einen Spaziergänger, der uns nach einem kurzen, prüfenden Blick auf das Schild bestätigt: jep, ist kostenlos. Hier können wir also den ganzen Tag stehen und zahlen keinen Cent dafür. Gerade mal 20 Gehminuten vom City-Zentrum von Adelaide entfernt. Gut, Adelaide hat bei uns schon die ersten Sympathiepunkte errungen. Wir spazieren gemütlich zu unserem ersten Ziel des Tages: die Markthalle. Oh ja, das ist genau nach unserem Geschmack. Wie Multi-Kulti Australien ist, sieht man hier unverkennbar. Sämtliche Regionen der Erde werden hier bedient, sei es Südamerika, Europa mit Italien, Spanien und Frankreich und natürlich Asien: alles findet hier seinen Platz. Herrlich, die verschiedenen Düfte und Gerüche. So kann es gerne weitergehen.
Wir spazieren weiter durch die Stadt und halten am botanischen Garten. Dort findet aktuell eine wunderschöne Glasausstellung des Künstlers Dale Chihuly statt. Ich muss nicht erwähnen, dass kein Eintritt für den Besuch fällig wird.
Etwa später fahren wir mit dem öffentlichen Bus, der im Halbstundentakt in zwei Richtungen durch das Stadtzentrum fährt, zu unserem nächsten Halt. Ach ja – der Bus im Zentrum kostet nichts. Kostenlos. Kleiner Service für Bewohner und Besucher der Stadt. Ich frage mich ernsthaft, was der Unterschied zu Europa ist, wo man für ALLES Geld hinblättern muss. Wirklich für alles – sei es öffentliche Toiletten, Parkanlagen, Trinkwasser, öffentliche Verkehrsmittel und Parkplätze. Ganz zu schweigen von den vielen Dingen, die hier nichts kosten, die es aber bei uns nicht einmal gibt – wie kostenlose (warme) Duschen, Barbecue Stellen überall und Mülleimer an jeder erdenklichen Ecke. Maut gibt’s wenn überhaupt vereinzelt in ein paar Städten, und ehe man sich versieht findet man sich an einem staatlichen Campingplatz, der eigentlich normalerweise 30 Euro die Nacht kostet, der einfach so für die nächsten 6 Monate gratis ist – als kleinen Service für die Menschen, die mit der Teuerung zu kämpfen haben (siehe unser letzter Bericht). Nun, an den Steuern kann es nicht liegen, denn die sind in Australien nicht höher als bei uns. Wenn man in so einem Land wie Australien zu Besuch ist, kommt man schon ordentlich ins Grübeln und man fragt sich so einiges. Gut – das soll kein Politik-Blog werden, deswegen lasse ich weitere Ausführungen weg und überlasse es jedem selbst, sich Gedanken darüber zu machen.
Nachdem wir die Nacht in einem Vorort von Adelaide verbracht haben, steuern wir am nächsten Tag den gleichen kostenlosen Parkplatz an, wie am Vortag. Unser Plan für heute: nachdem uns der Duft vom Essen in der Markthalle am Vortag so richtig Lust gemacht hat, lassen wir das Frühstück im Camper ausnahmsweise ausfallen und gönnen uns heute eines in der Markthalle. Wir haben selten ein g…randioseres Parmaschinken-Tomaten-Mozzarella-Baguette gegessen als hier. Ein wahres Geschmackserlebnis! Weiter geht’s durch die Einkaufsstrasse von Adelaide, der Rundle Street, hin zur State Library of South Australia. Sie liegt im Zentrum der Stadt an der North Terrace und bietet eine faszinierende Mischung aus Tradition und Moderne. Das Herzstück der Bibliothek ist der Mortlock Wing, ein prächtiger historischer Lesesaal aus dem Jahr 1884. Mit seinen kunstvoll geschnitzten Holzgalerien, gusseisernen Geländern und Tausenden von antiken Büchern erinnert es unweigerlich an eine Kulisse aus einem Harry Potter Film. Hier fühlt man sich in der Zeit zurückversetzt. Neben der beeindruckenden Architektur bietet die Bibliothek eine Fülle von Ressourcen zur Geschichte und Kultur Südaustraliens, darunter seltene Bücher, Manuskripte, Fotos und Landkarten. Ach ja – muss ich erwähnen, dass der Eintritt in die State Library in Adelaide kostenlos ist?
Für heute haben wir noch eine Verabredung. Susanne und Patrik – die zwei Schweizer, die wir vor ein paar Tagen kennengelernt haben - sind auch in Adelaide angekommen. Grund genug, um uns etwas ausgiebiger zu unterhalten. Also suchen wir uns ein schönes Pub und verbringen einen spannenden und interessanten Abend zusammen. Schlussendlich komme ich in einen weiteren Genuss der australischen Küche: Chicken Parmigiani, oder kurz (die Australier lieben Abkürzungen): Chicken Parmi. Ein paniertes Hühnerschnitzel mit Tomatensauce übergossen und mit Käse überbacken. Zum Glück habe ich keinen Internisten, denn bei dieser Kombination würde er wohl Schnappatmung bekommen. Das Gericht ist grundsätzlich ganz in Ordnung, aber vollkommen überzeugt hat es mich dann doch nicht. Klar, paniertes Hühnerschnitzel, da kann man nichts falsch machen. Die Tomatensauce oben drauf – na ja, kann man mal machen. Das Ganze mit Käse überbacken: geht immer! Pommes dazu (mit Nudeln wäre es dann wohl eine Piccata Milanese), und fertig ist das wohl ungesündeste Gericht Australiens. Ich muss zugeben: im Ranking der ungesündesten Leckereien auf der Welt hat mich «Poutin» in Kanada bisher am meisten überzeugt. Das ist eine wirklich krasse Pampe – genau meins! Da kann das Chicken Parmi leider nicht ganz mithalten. Aber trotzdem ganz lecker.
Wir verabschieden uns von Patrik uns Susanne – ihr Weg führt nun vorerst weiter in den Norden von Adelaide. Für uns geht es am nächsten Tag allerdings langsam wieder zurück. Adelaide wird vorerst der westlichste Punkt auf unserer Reise bleiben – denn wir müssen langsam daran denken, dass unser Australien-Trip endet. Wir übernachten in der Umgebung von Adelaide, eigentlich eine Day Use Area – aber wir sind dort nicht allein. Ein paar andere Camper finden sich später auch noch ein, und die Nacht verläuft recht ruhig. Am nächsten Morgen machen wir gleich Platz für die Ruderer, die hier ihre Boote zu Wasser lassen und fahren zu einem anderen Platz mit einer schönen Aussicht, an dem die Ruderboote an uns vorbeiziehen. Nach einem leckeren Frühstück und einer schnellen Dusche, die es hier am Strand natürlich gratis gibt, geht es für uns nun also wieder zurück. Ein bisschen fühlt es sich komisch an, und das meiste an Strecke, dass die nächsten Tage und Wochen vor uns liegt, haben wir schon einmal gemacht. Das gefällt mir eigentlich gar nicht, aber im Inland zurückfahren ist auch keine Option, da es dort an den meisten Tagen unerträglich heiss ist. Und auf weitere 42-Grad-Horror-Tage in unserem Camper ohne Klimaanlage und ohne Markise haben wir echt keine Lust mehr. Also bleiben wir an der Küste.
Hahndorf: Einmal Weisswurst mit Sauerkraut, bitte!
Doch zuerst wird es nochmal so richtig deutsch. Deutscher geht es in Australien fast nicht. Auf unserem Weg passieren wir Hahndorf. Wie der Name unschwer erkennen lässt, handelt es sich um ein sehr deutsch angehauchtes Dorf. Es ist mittlerweile schon zu einer Attraktion geworden, und am Wochenende sind die Strassen (na ja, eigentlich gibt es nur EINE Strasse mit ein paar Nebenarmen) brechend voll. Wir schaffen es zum Glück noch an einem Freitag, und auch da ist schon recht viel los. Wir bekommen einen guten Parkplatz direkt am Ortseingang. Den Rest gehen wir zu Fuss. Magdalena dachte, ich scherze, als ich sage, dass es jetzt zum «Weisswurst und Sauerkraut»-Essen geht. Aber da hat sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn es ist mein purer Ernst! Wir finden natürlich ein deutsches Restaurant nach dem anderen. Bei «Das Haus» schlagen wir schlussendlich zu. Ich bestelle eine Wurstplatte mit Sauerkraut und Kartoffelpüree, Magdalena begnügt sich mit einem Käsekrainer und Sauerkraut. Was soll ich sagen – es schmeckt einfach grandios! Mitten in Australien, Weisswurst mit Sauerkraut. Der Tag kann nicht besser werden. Und weil wir uns heute einmal richtig was gönnen möchten, bestellen wir zum Abschluss einen Apfelstrudel mit Vanilleeis, und dazu einen Kaffee. Nun gut, der Apfelstrudel war tatsächlich nicht die beste Wahl. Die «Portion», die wir uns angesichts des hohen Preises teilen wollten, ist mehr als lächerlich. Das Geschmackserlebnis ist auch lediglich durchschnittlich – also alles in allem leider eine herbe Enttäuschung. Doch zumindest das Hauptgericht war sehr lecker, was den Reinfall des mickrigen Apfelkuchens wieder wettmacht.
Wir spazieren die Strasse rauf, bis kein Haus mehr zu sehen ist, wechseln auf die andere Strassenseite und gehen wieder zurück. Wie wir schon angenommen haben, besteht das ganze Dorf ausschliesslich aus Souvenirläden, deutschen (und – warum auch immer - chinesischen!) Restaurants und noch ein oder zwei lokale Shops. Aber ein Besuch ist es trotzdem wert, und wir geniessen den gemütlichen Spaziergang durch Hahndorf, die deutscheste Stadt (bzw. Dorf) Australiens.
Irgendwo im Nirgendwo
In South Australia, dem Territorium, in dem wir uns gerade befinden, gibt es glücklicherweise wieder einige offiziell freie Übernachtungsplätze. Das haben wir an der Ostküste wirklich schmerzlich vermisst. Doch hier ist die Auswahl um einiges grösser und wir finden ein schönes Plätzchen in Narrung. Das klingt so, als wäre es Mitten im nirgendwo, und so ist es auch. Hier sagen sich nicht mal Fuchs und Hase «gute Nacht», so weit sind wir von der Zivilisation entfernt. Für uns passt es aber sehr gut, wir bleiben gleich 3 volle Tage und geniessen die Aussicht auf den See. Es wird so heiss, dass wir uns sogar überwinden, in die braune Brühe reinzuspringen. Also «springen» ist übertrieben. Wir lassen uns von der Leiter fallen und versuchen dabei, so flach wie möglich an der Oberfläche zu treiben. Jeder echte Aussie wird sich jetzt über uns vermutlich kaputtlachen, aber wir sind beides Schisser. Doch wir sind nicht die einzigen Badegäste, und so bestärkt sich unser Gefühl, dass wir den Badenachmittag wohl glücklicherweise überleben werden. Da der Platz ausser einem Toilettenhäuschen keine Annehmlichkeiten hat – also keine Dusche, kein Strom und das Wasser aus dem Wasserhahn ist mehr ein «Tropfen» als ein «Fliessen» – verwenden wir einmal mehr unsere mobile Dusche, die wir vor unserem Australien-Trip gekauft haben. So langsam gewöhnen wir uns an das Ding und wir wollen es nicht mehr missen. Wir sperren uns in der Toilette ein, lassen unsere Abwasch-Wanne mit Wasser volllaufen und duschen im Behinderten-WC. Oh Gott, wenn ich das mal meinen Kindern und Enkelkindern erzähle, werden sie wohl freiwillig auf ihr Erbe verzichten. Es ist schon ziemlich krass, wozu man als zivilisierter Mensch in der Lage ist. Aber das sind wiederum auch die Geschichten, die man dann irgendwann seinen Freunden und Verwandten erzählt (zumindest dann, wenn man keinen Erbkrieg auslösen möchte).
So langsam kommen uns die Gedanken, dass es mit unserer Reise durch Australien zu Ende geht. Der Abflugtermin rückt immer näher, und wir haben noch bildhaft vor Augen, als wir vor 3 ½ Monaten unseren Camper übernommen und uns gefragt haben, ob das die richtige Entscheidung war. Die Zeit vergeht wie im Flug. Wir haben es tatsächlich fast geschafft – und wieder einige Erkenntnisse erlangt. Zumindest was den Camper und den Komfort angeht. Wir wissen nun, dass wir nie mehr (längere Zeit) ohne Dusche und WC reisen wollen. Auch wenn wir auf vieles verzichten können – auf das nicht mehr. Wir haben Glück, dass die Küste Australiens übersät ist mit öffentlichen Duschen und WCs. Nun gut, die Duschen sind manchmal einfache Strandduschen, natürlich kalt und offen einsehbar für jedermann. Dort konnten wir nur mit Badebekleidung duschen. Aber nicht selten haben wir auch «private» Duschen gefunden, manchmal sogar warm. Das gibt (und gab) es in noch keinem anderen Land. Wie gesagt – Australien ist eine absolute Ausnahme, und wenn ich daran denke, dass ich einmal tagelang keine Dusche habe und mich nicht waschen könnte, bekomme ich Panik. Ein ausführliches Fazit über unsere Australienreise folgt bald. Doch nun lassen wir es uns in Narrung gutgehen und bereiten uns gedanklich auf den nächsten Abschnitt unserer Reise vor, der in gut zwei Wochen beginnen wird.
Liebe Grüsse
Reiseroute
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