Australiens laute Wildnis
25. Dezember 2024Traumstrasse ins Chaos
19. Januar 2025Australien: Sonne, Regen, Wind und Tiere
In zwanzig Jahren wirst du mehr enttäuscht sein über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die, die du getan hast. Also löse die Knoten, laufe aus dem sicheren Hafen. Fange den Wind in deinen Segeln. Erforsche. Träume. Entdecke.
05. Januar 2025 - Reisetagebuch Eintrag #173
- AUSTRALIEN - SONNE, REGEN, WIND UND TIERE | geschrieben von Rene
Hitzewellen und Regenfronten: Ein wilder Start
Schon frühmorgens brennt die Sonne schonungslos auf unser Camperdach. 38 Grad – die Wetter-App meldet eine Hitzewelle. Bei solchen Temperaturen wird jeder Handgriff zur Qual, und der Camper gleicht eher einer finnischen Sauna als einem gemütlichen Zuhause. Es ist absolut windstill, und das Thermometer lacht uns erbarmungslos ins verschwitzte Gesicht. Ein Phänomen, das wir seit einigen Wochen wahrnehmen: ein bis zwei Tage pro Woche hat es eine extreme Hitze. Davor und danach pendeln sich die Temperaturen wieder in einem «Normalbereich» zwischen 20 und 28 Grad tagsüber ein. Aber diese ein oder zwei Tage sind gnadenlos – und nicht zum ersten Mal überschreiten wir die 40 Grad Marke. An Outdooraktivitäten ist nicht mal im Traum zu denken. Draussen hält sich auch niemand auf. Wir fahren Richtung Berkeley Vale, wo wir den Camper vor rund 2 Monaten ausgeliehen haben. Da haben wir morgen einen Werkstatttermin. Heute sah unser Plan eigentlich vor, dass wir an einen Strand stehen und wieder die erfrischende Brise geniessen. Doch es ist windstill, kein Blatt und kein Grashalm bewegt sich. Wir beschliessen kurzerhand, in ein nahegelegenes, klimatisiertes Einkaufszentrum zu flüchten. Schade und es fühlt sich an wie Zeitverschwendung, aber wir verbringen den Rest des Tages damit, durch die Mall zu spazieren, die Cafés zu belagern und zu warten, bis die Sonne untergeht.
Am Dog Beach in Berkeley Vale waren wir vor 2 Monaten schon einmal – als wir den Camper übernommen haben, verbrachten wir hier die erste – na ja, eigentlich die zweite - Nacht. Hier finden wir erneut Platz. Aber es fühlt sich ein wenig komisch an. Die ganze Gegend unterscheidet sich unserer Meinung nach ein bisschen vom Rest der Küste. Hier, am Dog Beach, sehen wir komische Gestalten und seltsame Leute. Wir stellen unseren mobilen Gasgrill auf und ich steuere die Bratkartoffeln zu unserem Abendessen bei, als plötzlich ein Mutter-Tochter-Gespann im Bikini zu uns kommt und fragt, ob wir etwas Verdächtiges beobachtet haben. Ihnen wurden tatsächlich beim Strandspaziergang die Sachen geklaut. Leider haben wir nichts gesehen, ja eigentlich auch gar nicht drauf geachtet. Zum Glück haben die zwei noch ihre Handys und offensichtlich auch die Schlüssel zu ihrem Auto. So war das wohl nicht geplant, und uns stellt sich plötzlich ein noch komischeres Gefühl ein. Das allererste Mal, seit wir in Australien sind, fühlen wir uns irgendwie unwohl. Doch die Nacht verläuft zum Glück ruhig.
Seit wir den Camper übernommen haben, hatten wir das Gefühl, dass mit dem Kühlschrank etwas nicht in Ordnung ist. Ein paar Tage nach der Übernahme und natürlich genau zu dem Zeitpunkt, als wir weit genug von unserem Vermieter entfernt sind, wird es dann zur Gewissheit: der Kühlschrank kennt nun nur noch eine Einstellung, nämlich Dauerbetrieb. Auch auf der vermeintlich höchsten Stufe (also die wärmste Innentemperatur) läuft der Kompressor permanent und saugt uns die Batterie leer. Auch wenn unsere Solarpanels oder der Inverter die Batterie abends auf 100% aufgeladen hat, so haben wir am nächsten Morgen gerade mal noch 58 % Rest. Abgesehen davon, dass der kleine Camperkühlschrank ohnehin schon einen recht hohen Verbrauch hat läuft er nun also permanent durch und verbraucht in etwa 10 Stunden fast die halbe Batteriekapazität. Gut, wir persönlich sind der Meinung, dass ein Kühlschrank irgendwo am Kompressor eine Belüftung braucht, die heisse Abluft nach draussen muss und er sich aufgrund des Hitzestaus nicht mehr abstellt. Aber wir sind ja schliesslich nicht die Camperprofis. Unser Vermieter vermutet einen Defekt am Kühlschrank und bot uns an, ihn zu tauschen. Das machen wir heute, und innerhalb von etwa 20 Minuten haben wir einen neuen Kühlschrank an Board. Nun müssen wir noch unsere Sachen vom alten Kühlschrank in den neuen umräumen. Nachdem das erledigt ist, sind wir wieder startklar und machen uns auf in unser nächstes Highlight: Sydney!
Sydney
Auf Sonnenschein folgt bekanntlich Regen, und das steht uns die nächsten Tage zumindest laut Wetterbericht bevor. Leider. Doch wir können nicht unsere Pläne komplett über den Haufen werfen und sind überzeugt davon, dass Sydney auch mit Wolken sehenswert ist. Wir schliessen uns der «I’m Free Walking Tour Sydney» an. Unser Guide Paul hat tonnenweise Geschichten und Informationen über Sydney und die Bauwerke, Parks und Strassen auf Lager. Das ist unserer Meinung nach die beste Möglichkeit, eine grössere Stadt kennenzulernen. Man wird zu den spannendsten Plätzen geführt und erhält zudem noch interessante Daten und Fakten über die Geschichte. Während der Tour fängt es – wie vorhergesagt – plötzlich an zu Regnen und der Himmel öffnet alle Schleusen. Anfangs schaffen wir es noch, uns unter unserem kleinen Schirm halbwegs trocken zu halten, doch als wir am späteren Nachmittag dann durch einen sturzflutartigen Regenvorhang laufen, werden wir klatschnass. Zurück beim Camper ziehen wir unsere nassen Sachen aus und versuchen, zu trocknen was nicht trocken werden kann. Alles ist klamm und kalt und der Regen prasselt unaufhörlich auf unsere Scheiben. Das sind die unschönen Seiten des Reisens. In unserem kleinen Van haben wir keine Heizung – es bleibt alles feucht, kalt und ungemütlich, und so verbringen wir auch die Nacht.
Das Wetter ändert sich auch am nächsten Tag nicht, der Regen wird zwar etwas seltener, aber das Thermometer hängt bei grauen 15 Grad und gelegentlichem Nieselregen fest. Viele Fluchtmöglichkeiten haben wir nicht – die öffentlichen Bereiche des Campingplatzes, in denen man sich aufhalten könnte, sind alle offen und bieten keinen Schutz. So pendeln wir den Rest des Tages zwischen unserem kleinen, engen Toyota und dem Sanitärgebäude. Mehr geht heute leider nicht.
Der Sonntag präsentiert sich schon deutlich freundlicher. Bereits am Morgen zeigen sich erste Aufhellungen, was uns ermutigt, erneut das Stadtzentrum von Sydney zu erkunden. Von Manly aus nehmen wir die Fähre zum Circular Quay, dem zentralen Fährterminal der Stadt. Nach einer beeindruckenden Vorbeifahrt am Opernhaus bietet sich nun die Gelegenheit, dieses weltberühmte Bauwerk aus nächster Nähe zu betrachten. Zwei Tage zuvor hatten wir bereits Einblicke in die faszinierende Entstehungsgeschichte des Opernhauses gewonnen. Die Errichtung des Sydney Opera House erwies sich als ein aussergewöhnliches, jedoch auch ziemlich umstrittenes Projekt.
1959 begann der Bau nach dem Entwurf des dänischen Architekten Jørn Utzon, der 1957 einen internationalen Wettbewerb gewonnen hatte. Die Konstruktion erwies sich als sehr komplex und herausfordernd, insbesondere die charakteristischen Muschelschalen des Dachs. Ursprünglich war die Fertigstellung für 1963 geplant. Mit 7 Millionen australischen Dollar veranschlagt, verzögerte sich die Fertigstellung jedoch erheblich. Aufgrund von Konflikten mit den Behörden trat Utzon 1966 von dem Projekt zurück und australische Architekten übernahmen die Fertigstellung.
Der Streit zwischen Utzon und den australischen Behörden eskalierte Mitte der 1960er Jahre. Die Baukosten waren explodiert, und es gab keine Anzeichen für eine baldige Fertigstellung. 1966 drehten Lokalpolitiker Utzon also den Geldhahn zu, was zu seinem verbitterten Rücktritt führte. Utzon verliess Sydney im April 1966 überstürzt mit seiner Familie, kurz bevor sich die Flugzeugtüren schlossen, um der Presse zu entgehen. Er glaubte, man würde ihn zurückrufen, da das Projekt ohne ihn nicht vollendet werden könne. Doch dazu kam es nie.
Nach 14 Jahren Bauzeit wurde das Opernhaus schliesslich am 20. Oktober 1973 von Königin Elizabeth II. eröffnet. Die Gesamtkosten beliefen sich am Ende auf 102 Millionen Dollar, ein Vielfaches der ursprünglichen Schätzung. Zur Eröffnung des Opernhauses wurde Utzon zwar eingeladen, kam aber nicht. Utzons Verbitterung war so tiefgreifend, dass er nie wieder nach Australien zurückkehrte. Er sah sein vollendetes Bauwerk nur auf Bildern. Selbst Vermittlungsversuche von Freunden scheiterten - Jahre später lehnte Utzon es ab, seinen ehemaligen Kollegen Ove Arup zu treffen, der nach Utzons Weggang am Projekt weitergearbeitet hatte.
Trotz des Zerwürfnisses versöhnte sich Utzon später mit den Verantwortlichen. Er lieferte 1999 sogar Design-Skizzen für zukünftige Änderungen. Er blieb dem Opernhaus trotzdem bis zu seinem Tod 2008 fern, äusserte aber seine Freude darüber, "wie sehr das Gebäude geliebt wird".
Doch weg von der Geschichte, zurück zu Sydney. Natürlich gibt es neben dem Opernhaus noch zahlreiche weitere Dinge und Orte, die erkundet werden können. Wir schlendern zu den «Rocks» auf einen wunderschönen Markt und probieren zum ersten Mal einen Zuckerrohrdrink mit Limette und Ginger. Das Getränk erinnert im ersten Moment sehr an Caipirinha ohne Alkohol. Nach ein paar kräftigen Zügen stellen wir fest, dass die willkommene Erfrischung eher mehr Durst weckt, anstatt ihn zu stillen. Trotzdem ist es eine Erfahrung wert. Für uns geht es weiter durch die Innenstadt, vorbei an der Town Hall in das Queen Victoria Building, wo wir uns gemütlich auf Kaffee und Kuchen niederlassen. Das QVB wurde 1898 nach den Plänen des schottischen Architekten George McRae erbaut und ist ein herausragendes Beispiel für die Romaneske Architektur. Ursprünglich als Markthalle konzipiert, beherbergt es heute eine Vielzahl von Geschäften und ist ein sehr beliebtes Touristenziel. Hier wimmelt es nur so von Menschen, die durch die schicke Halle strömen. Das Gebäude, das einen gesamten Stadtblock einnimmt, zeichnet sich durch seine beeindruckenden Kuppeln und kunstvollen Details aus und wurde 2010 in das Erbe von New South Wales aufgenommen, um seine historische Bedeutung zu bewahren.
Spätestens als wir den heftigen Regen beobachten, der gegen die imposante Glaskuppel des QVB peitscht, wissen wir, dass unsere Entscheidung für eine Pause hier goldrichtig war. Innerhalb kürzester Zeit hat sich ein wolkenbruchartiges Gewitter entfesselt, das mit solcher Intensität niedergeht, als stünde die Welt kurz vor dem Untergang. Immer mehr Menschen strömen ins Gebäude, und die Hallen füllen sich zusehends. Umso dankbarer sind wir für unseren gemütlichen Platz im Café, von dem aus wir das Naturschauspiel in Ruhe abwarten, bis sich der Himmel schliesslich wieder aufklart. Über die nassen Strassen laufen wir zur gigantischen Saint Mary’s Cathedral, über den Hyde Park und zum botanischen Garten, bis wir wieder zurück am Opernhaus und am Fährterminal sind. Wir nehmen die nächste Fähre zurück nach Manley. Mit unseren hungrigen Mägen schaffen wir es diesmal nicht, am sehr lecker duftenden thailändischen Restaurant vorbeizugehen. Wir planen ganz kurzfristig um und essen hier zu Abend – eine Entscheidung, die sich spätestens nach dem ersten Biss in das «Massaman Curry» als absolut richtig herausstellt. Nach dem leckeren Abendessen kommen wir müde an unserm Campingplatz an und geniessen den restlichen Abend.
Natur pur und bellende Hunde
Nach der Schlechtwettereskapade am vergangenen Wochenende in Sydney ist am Tag unserer Abreise wieder Sauna angesagt. Nachdem wir 2 Tage zuvor bei 15 Grad im Regen ausharrten, zeigt das Thermometer jetzt fast 40 Grad, und die Luftfeuchtigkeit steigt auf unangenehme 78%. Im Auto läuft die Klimaanlage auf Anschlag, trotzdem bekommen wir den Innenraum unseres Vans kaum abgekühlt. Auf der Suche nach einer Gelegenheit, frei zu stehen, finden wir eine interessante «Alternative». Nun ja, «Alternativ» ist definitiv das richtige Wort. Auf unserem langen Weg in den Süden des Kontinents liegt irgendwo mitten in der Pampas ein Nudistencampingplatz. Na, das kann ja was werden. Wir haben überhaupt keine Ahnung, wie das abläuft.
Als wir ankommen, werden wir vom Besitzer begrüsst. Ansonsten sind wir auf dem Platz komplett allein. Zum Glück für uns, denn wir wissen nicht so recht, wie wir uns verhalten sollen. Aber es scheint alles ganz zwanglos abzulaufen, wir können bleiben «wie wir sind» und «tun, was wir wollen», und so ist es für uns schlussendlich dann doch ein ganz normaler Übernachtungsplatz, an dem wir sogar noch eine zweite Nacht bleiben. Der Fluss, der zugegeben nur sehr mühsam über eine steile Böschung zu erreichen ist, hat nach den starken Regenfällen der letzten Tage leider etwas trübes Wasser im Gepäck, und so ist es doch ein etwas mulmiges Gefühl, als wir versuchen, uns bei den heissen Temperaturen etwas abzukühlen. Auch Schatten finden wir nicht wirklich. Deswegen bleiben wir nicht allzu lange und machen uns wieder auf zu unserem Camper. Die Zikaden zirpen wieder, was das Zeug hält. Die hören wenigstens in der Dämmerung auf. Doch in der Nacht raubt uns dafür der Hund des Besitzers, Sam, den letzten Nerv. Jedes Mal, wenn er etwas hört, rennt er los und bellt. Und da wir die einzigen sind, macht er das natürlich immer rund um unseren Camper, weil er wohl glaubt, er muss uns beschützen. Und selbstverständlich gibt’s hier mitten im Dschungel permanent etwas zu hören, was Sam jagen kann. Am nächsten Tag ist der Fluss dann schon wesentlich schöner, das Wasser viel klarer, und auch die Nachtruhe können wir ganz ungestört geniessen, nachdem Ted, der Besitzer, Sam über Nacht mit ins Haus nimmt. Ein wirklich sehr schöner Platz mitten in der Natur.
Die Temperaturen haben wieder normales Niveau erreich. Wir fahren weiter nach Kiama zum Blowhole – eine Stelle an der felsigen Küste, in der die Wellen zusammengepresst durch eine natürliche Öffnung als Wasserfontäne in die Höhe geschleudert werden. Ein interessantes Schauspiel, das sehr an die Geysire im Yellowstone erinnern. Na gut, vielleicht doch nicht ganz so spektakulär, aber immerhin ist es uns ein paar Fotos wert. In Greenpatch Point an der Jervis Bay finden wir wieder malerische, schneeweisse Sandstrände. Auch hier hört es mit den Verbotsschildern nicht auf. An jeder noch so kleinen Ausweiche sind zahllose Schilder aufgehängt, auf denen mehr als eindrücklich steht, dass das Campen und das Übernachten in Fahrzeugen strengstens verboten ist und mit hohen Strafen geahndet wird. Es ist leider sehr mühsam. Aber ja, was soll man sagen? Einerseits können wir es ja auch verstehen. Es hat hier bestimmt Zeiten gegeben, als sich die Backpacker und Surfer ausgetobt haben, ihre teilweise schrottreifen, rostigen Klapperkisten einfach in jeder beliebigen Parkbucht abgestellt und sich ein lockeres Leben gemacht haben. Wir sehen es ja oft heute noch, wie die teilweise asozialen Lebenskünstler ihr Lager aufschlagen, überall hinscheissen und ihren Dreck und Müll einfach liegenlassen. Niemand will das sehen. Und auch die «Jungen» sind nicht besser. Sorry, wir wollen keine Diskussion über Jung und Alt vom Zaun brechen und es gibt bestimmt viele Ausnahmen – aber was wir teilweise auf unserer Reise gesehen haben, passt auf keine Kuhhaut. Insbesondere von der jüngeren Generation (X, Y, Z, divers, binär, sekundär, vulgär, non-binär, inter, trans, woke und welcher Quatsch auch immer gerade angesagt ist) sind wir sehr enttäuscht über deren Umgang mit Ressourcen und der Umwelt – ganz zu schweigen von Respekt und Anstand. Aber egal, hier ist nicht der Platz dafür, über so etwas schreiben.
Tierische Begegnungen und alte Freunde
Dank eines Tipps, den wir vor einigen Wochen am Campground in Airlie Beach von zwei Schwestern bekommen haben, die wir dort kennengelernt hatten, fahren wir nach Kioloa in den Ingenia Holidays Park in Merry Beach und verbringen dort über eine Woche. Unsere Parzelle ist auf den ersten Blick etwas abenteuerlich gelegen, aber wir gewöhnen uns schnell daran und sind schlussendlich sogar der Meinung, dass wir einer der besten Plätze im Areal bekommen haben. Doch wir sind nicht nur wegen der atemberaubenden Aussicht hier. Vielmehr hat es uns hierhergezogen, weil hier angeblich ein paar Kängurus herumhüpfen sollen. Wir haben bislang ja kaum welche gesehen – die meisten leider tot am Strassenrand. Das Schwesternpaar hat wahrlich nicht übertrieben. Der ganze Platz ist voll mit den hüpfenden Wesen. Egal wohin man schaut, überall wimmelt es von Kängurus aller Grössen. Männchen, Weibchen und die Jungtiere, teilweise noch im Beutel der Mutter. Ein wahres Paradies für uns, und wir können uns an den niedlichen Tieren nicht sattsehen. Sie sind sehr zutraulich und kommen manchmal sehr nah an unseren Camper heran. Teilweise grasen sie keine zwei Meter von uns entfernt und lassen sich überhaupt nicht von uns beeinflussen. Was für eine Szene, und was für ein Erlebnis.
Unglaubliches passiert uns auch ein paar Stunden später, als wir gemütlich über den Platz schlendern. Wir laufen eine der vielen «Gassen» des Campingplatzes ab, als uns ein Paar über den Weg läuft. Ich denke mir dabei genauso viel, wie sonst auch, wenn uns «irgendein» Paar über den Weg läuft – nämlich überhaupt nichts. Wir grüssen uns kurz mit einem flüchtigen «Hi…». Als die zwei gute 10 Schritte an uns vorbei sind, dreht Magdalena sich plötzlich um, und auch sie bleiben stehen und drehen sich um. Nach ein paar Sekunden Pause klingelt es den zwei Frauen, sie gehen aufeinander zu und plötzlich geht ein wirres gequake und gezeter los: «ja was machst du denn hier???...». Ich steh total auf dem Schlauch und habe nicht die leiseste Ahnung, was da gerade abgeht. Bis Magdalena mir sagt: «Das sind die zwei, die Frida gekauft haben!»
Ich muss mich erstmal sammeln. Dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen: ja klar, das sind Walter und Jenny – das Paar, das 2023 unser Wohnmobil «Frida» gekauft haben. Ist das tatsächlich möglich?? Wir stehen alle fassungslos da und fallen uns schliesslich in die Arme. Was gibt es auf der Welt für Zufälle? Ist denn das zu fassen? Da treffen wir uns, zehntausende Kilometer von unserer alten Heimat entfernt, zufällig genau in derselben Strasse. Wären wir 10 Sekunden später in die Gasse abgebogen, hätten wir uns verpasst und wohl nie erfahren, dass wir am selben Campingplatz eingebucht waren. Das ist wie ein Lotto-Sechser. Natürlich muss das gefeiert werden. Wir verabreden uns auf den Abend – und wir verbringen viele, viele Stunden bis spät in die Nacht in Walter und Jennys Mietcamper und erzählen uns die Geschichten, die wir in den letzten 2 Jahren erlebt haben. Frida geht es immer noch gut, und sie hat den beiden schon viele schöne Stunden in Europa beschert. Was für ein schöner Abend!
Leider haben Jenny und Walter ein wesentlich dichteres Reiseprogramm als wir – sie müssen bereits am nächsten Tag weiter, nachdem sie spontan schon einen Tag verlängert haben. Wären sie übrigens plangemäss abgereist, hätten wir sie nie getroffen. Doch nun müssen sie weiter. Der Abschied ist mehr als herzlich und wir versprechen uns, dass wir uns spätestens in der Schweiz, wenn wir wieder zuhause sind, das nächste Mal treffen.
Von den beiden erhalten wir auch noch einen Tipp, der sich wirklich mehr als lohnen soll – und es wird neben den Kängurus auf dem Campingplatz ein weiteres Highlight dieser Woche: Ein Ausflug nach Bendalong Headland. Hier kommen Rochen bis an den Strand geschwommen – riesige, majestätische Tiere, die sich ruhig beobachten und sogar berühren lassen. Es fühlt sich fast magisch an. Wir stehen stundenlang im Wasser und lassen uns von den «Vögel der Meere» um die Beine schwimmen. Es ist wie ein Traum, von dem man nie glauben würde, dass so etwas real werden kann. Die Stingrays, teilweise fast so gross wie ein Garagentor, schwimmen mit einer Anmut und Sänfte im seichten Wasser und lassen sich sogar berühren und streicheln. Was für ein unfassbares Erlebnis. Am späten Nachmittag können wir uns nur mit Mühe losreissen und treten die Heimreise zum Campingplatz an, der etwa 1 Stunde von uns entfernt ist. Natürlich ist das Erlebnis DAS Gesprächsthema des restlichen Abends, zufrieden fallen wir irgendwann ins Bett und schwelgen in den Erinnerungen des Tages.
Die restlichen Tage verbringen wir ruhig und entspannt auf dem Campingplatz. Alles ist sehr einfach gehalten und völlig ausreichend für uns. Die Aussicht auf den Strand und die Meeresbucht ist fantastisch. Die See ist leider recht unruhig, aber wir geniessen die Zeit trotzdem und erfreuen uns jeden Tag über den tierischen Besuch, der sich um unseren Camper tummelt und vertreiben uns die Zeit mit Wandern am wunderschönen Murramarang Nationalpark an der Küste entlang durch den australischen Dschungel.
Von Narooma bis Cann River: Flussidylle und Hitzeextreme
In Narooma erwartet uns ein kleines Naturwunder: der beeindruckende Australia Rock. Geformt durch die unermüdliche Kraft von Wind und Wellen, erinnert das Felsentor tatsächlich an die Silhouette Australiens – ein perfektes Fotomotiv! Vom Bar Rock Lookout aus geniessen wir einen atemberaubenden Blick auf die Küste und beobachten eine Kolonie von Seelöwen, die sich träge auf den Felsen räkeln oder elegant durch die Wellen gleiten.
Etwas weiter südlich erreichen wir das charmante Küstenstädtchen Merimbula, das sofort eine entspannte Atmosphäre versprüht. Magdalena bewandert den Merimbula Boardwalk, der sich entlang des ruhigen Wassers sanft durch die Mangroven schlängelt, während ich am Cafe warte und in der Zwischenzeit etwas administrative Arbeit erledige. Wir finden einen schönen Platz zum Übernachten, besuchen am nächsten Morgen den Michies Jetty Beach und beobachten das geschäftige Treiben der Australier, die es sich trotz der recht kühlen Temperaturen und des wolkenverhangenen Himmels nicht nehmen lassen, eine Runde in der ruhigen Bucht zu schwimmen. Nach unserem obligatorischen Kaffee machen wir uns bereit und fahren ab, weiter Richtung Süden. Wir sind nun am unteren Ende, dem Südosten des Kontinents angekommen und überqueren auf unserer Fahrt die Grenze von New South Wales zu Victoria.
In Cann River erwartet uns eine Überraschung: ein kostenloser Campingplatz, den wir wie üblich über die Camper-App «WikiCamps» gefunden haben, und der direkt an einem ruhigen, glasklaren Fluss liegt. Hier scheint die Zeit stillzustehen und wir haben alles, was wir brauchen: ein WC, eine Dusche und feinen Sand am Ufer des Flusses. Wir richten uns ein, setzen uns an den Flusslauf, geniessen die erfrischende Brise und lauschen dem sanften Plätschern des Wassers. Als die Nacht hereinbricht, funkeln die Sterne über uns und wir geniessen einen lauen Abend in unseren Campingstühlen. Solche Nächte sind es, die uns wieder daran erinnern, warum wir diese Reise machen.
Doch die Idylle hat ein jähes Ende, als wir weiter nach Orbost am Snowy River fahren. Der Plan klang eigentlich ganz gut: nachdem uns wieder ein «Sauna-Tag» bevorsteht, wollen wir den Tag an einem Ort mit der Möglichkeit einer Abkühlung verbringen. Der Snowy River bietet genau das – also machen wir uns auf und bringen die kurze Strecke hinter uns. Die Temperaturanzeige im Camper klettert wieder einmal gnadenlos – 42 Grad im Schatten! Wir suchen uns eine möglichst schattige Stelle und richten uns ein. Die Luft steht still, und jeder Atemzug fühlt sich an wie ein Schluck heisser Tee. Dazu gesellt sich eine unerbittliche Armee von Fliegen, die jede noch so kleine Bewegung zur Geduldsprobe machen. Jeder Schritt gleicht einem Marsch durch einen glühenden Backofen. Nicht nur die Fliegen, auch die Bienen machen uns dieses Mal das Leben schwer. Scheinbar haben sie ihr Nest direkt dort, wo der einzige Weg zum Fluss vorbeiführt. Wir wagen es trotzdem und haben Glück. Doch das sollte nicht lange halten – denn der wenige Schatten, den die Bäume am Flussufer für uns bereitgehalten hat, wird immer weniger. Bald ist er verschwunden. Erbarmungslose Mittagshitze, die Fliegen terrorisieren uns und kriechen an jede erdenkliche Körperstelle. Ich drehe beinahe durch. Ich hasse die Biester abgrundtief. Wenn ich mir vorstelle, wie sie sich auf jedem vergammelten Kadaver und jedem Haufen Fäkalien gesuhlt haben und anschliessend in mein Gesicht fliegen, bekomme ich Brechreiz. Tausende der Mistviecher belagern uns, es gibt nicht eine einzige Sekunde, an der man sie nicht irgendwo wegscheuchen muss und ich muss mich zusammenreissen, dass ich nicht vollkommen austicke. Magdalena ist die Leidtragende – auch wenn es für sie genauso schlimm ist wie für mich, aber für mich ist das die reinste Folter und ich verliere die Beherrschung. Wir entscheiden uns bald dafür, dass wir den Platz verlassen. Es war wirklich nicht die beste Idee, hierherzukommen. Wir wollen den Rest des Tages bei diesen Temperaturen nicht in der Sonne verbringen und warten, bis ich Amok laufe. Wir schauen uns nach einem Campingplatz um, der uns etwas Schatten und im besten Fall auch einen Pool bieten kann.
Die Rettung naht in Bairnsdale. Der Campingplatz wirkt wie eine Oase inmitten dieser Hitzewelle: ein erfrischender Pool, kühle Getränke und vor allem – herzliche Menschen. Die Dame an der Rezeption begrüsst uns mit einem strahlenden Lächeln und nach ein bisschen freundlichem Smalltalk «upgraded» sie uns kurzerhand kostenlos auf einen schattigen Stellplatz mit Strom, obwohl wir ursprünglich ohne Strom gebucht hatten. Der Platzwart drückt uns gleich zwei gefrorene «Zooper-Dooper» Eislimonaden-Lutscher (ich habe keine Ahnung, wie die Dinger auf Deutsch heissen) in die Hand, und plötzlich scheint die Welt wieder vollkommen in Ordnung. Wir verbringen den Rest des Tages am erfrischenden Pool und sind froh, dass wir nicht am Fluss geblieben sind und uns von den Fliegen auffressen liessen.
Auch die Nacht bleibt heiss – um 2 Uhr morgens zeigt das Thermometer noch immer über 32 Grad und wir wälzen uns in unserem Camper hin und her – bei offenen Türen und offener Heckklappe. Die Luft ist schwer und steht still, während die Grillen ihr bekanntes Konzert geben. An Schlaf ist nicht zu denken. Erst gegen 5 Uhr morgens bringt ein sanfter Windzug die lang ersehnte Abkühlung, und wir können endlich durchatmen und einschlafen.
Liebe Grüsse
Reiseroute
27.11. - 28.11.2024Berkeley Vale
AUS28.11. – 02.12.2024Sydney
AUS02.12. – 04.12.2024Minto Heights
AUS04.12. – 05.12.2024Kiama, Greenpatch Point
AUS05.12 - 12.12.2024Kioloa
AUS12.12.2024Narooma
AUS13.12 - 14.12.2024Marimbula
AUS14.12. - 16.12.2024Cann River
AUS