Abschied am Eismeer
28. August 2024Um Haaresbreite
4. September 2024Die Magie der Einsamkeit
Magie ist keine Zauberei. Es sind die wundervollen Momente im Leben, die uns geschenkt werden und uns magisch vorkommen.
01. September 2024 - Reisetagebuch Eintrag #163
- MAGIE DER EINSAMKEIT | geschrieben von Rene
Nordwärts – der Denali Highway
Von Valdez geht es über die eindrucksvolle Berglandschaft des Thompson Pass weiter in den Norden, und zwar zum Ost-Eingang des Denali Highways. Die 218 km lange Strecke verbindet die Orte Paxson im Osten mit Cantwell im Westen, verläuft entlang des Südhangs der Alaska Range und führt durch weitgehend unberührte, menschenleere Gebirgslandschaft, die von Gletschern geformt wurde. Von der Strasse sieht man Moränen (die Gesamtheit des von einem Gletscher transportierten Materials, im Speziellen die Schuttablagerungen, die von Gletschern bei ihrer Bewegung mitbewegt oder aufgehäuft werden), Kamen (eine Erhebung innerhalb von glazialen Aufschüttungslandschaften, die durch die Ablagerung des Eises und seiner Schmelzwässer am Eisrand gegen ein Widerlager entstanden ist), Toteis (Gletschereis, das mit dem aktiven Gletscher nicht mehr verbunden ist, sich infolgedessen auch nicht mehr bewegt und meist mit Sedimenten bedeckt ist) und Ose (eine wallartige, oft geschwungene Geländeerhebung aus Sand und Kies, die im quartären Eiszeitalter entstanden ist). So viel zur Geologie. Was ziemlich langweilig klingt, ist in Wahrheit eine wunderschöne Strasse durch eine ausdrucksvolle Landschaft, die nur auf den ersten 34 km asphaltiert ist. Der Rest ist Schotter, und nur eine Handvoll Touristen verirren sich während der Hauptsaison hierher. Folglich ist es auch sehr friedlich, und wir finden unseren ersten Übernachtungsplatz am Sevenmile Lake.
Der See ist glasklar, wirkt auf den ersten Blick aber recht erfrischend. Na ja, in Alaska darf man sich eben keine warmen Seen und tropische Temperaturen erwarten. Leider ist bereits bei unserer Ankunft der Himmel ziemlich getrübt, und kurz darauf startet auch der vorhergesagte Regen. Auch das gehört zu Alaska. Wir harren in unseren Wohnmobilen aus und hoffen auf die nächste Pause, die doch sehr lange auf sich warten lässt. Der kühle Wind bläst uns um die Ohren, und so wird es leider nichts mit unserem erhofften Sprung ins noch kühlere Nass. Nur Sven und Tina trauen sich nach ihrer Jogging-Runde kurz rein und bestätigen, was wir bereits vermutet hatten.
Nach zwei Tagen an unserem einsamen Plätzchen inmitten der Hügellandschaft geht es sehr gemütlich weiter. Wir fahren durch eine wunderschön grüne Tundra-Landschaft und können uns kaum sattsehen. Da hier so gut wie kein Verkehr herrscht, können wir es gemütlich nehmen und fahren zumeist mit 30 Meilen/h oder weniger durch die atemberaubende Landschaft. Hie und da werden wir mit einer Wolkenlücke und etwas Sonnenschein belohnt, der die ohnehin schon märchenhafte Landschaft noch heller und die Farben noch satter erstrahlen lässt. Wir treffen uns mit Sven und Tina an einem schönen Platz am Fluss und geniessen den Abend an unserem Zwischenziel. Leider müssen wir uns doch recht stark gegen die Mücken wehren, doch wir lassen uns nicht kleinkriegen – und unser Mückenspray erledigt den Rest. Was auch immer für ein Gift in der Flasche enthalten ist, es wirkt auf jeden Fall. Ich will gar nicht wissen, welche Folgeschäden wir später einmal erleiden werden, aber so haben die Mücken zumindest keine Chance gegen uns.
Auch der nächste Tag ist mindestens genauso eindrucksvoll, wie der Vortag. Die ganze Landschaft und das Ambiente erinnern uns sehr an Norwegen. Am Ende der Strecke wären wir sofort bereit gewesen, die Tour erneut zu fahren. Am Westende, in Cantwell, finden wir eine Wäscherei, die direkt an der Strasse liegt. Das nützen wir doch gleich aus und bringen wieder einmal hinter uns, was eben auch notwendig ist. Die Wäscherei ist genau genommen ein kleiner Keller, in dem ein paar Waschmaschinen und Trockner stehen, doch für uns mehr als ausreichend. Wir treffen ein Paar, dass am einzigen Tisch im Raum sitzt und geduldig auf die Wäsche wartet. Kurz darauf stellen wir fest, dass Roland und Nicole von MilaOnTour4x4 auch deutsch sprechen, und wir unterhalten uns so gut mit den zweien, dass die Wartezeit wie im Flug vergeht. Sie sind mit ihrem Euro-Van im April in das Nordamerika-Abenteuer gestartet, und wir sind gespannt, wie es bei ihnen weitergeht. Etwas neidisch sind wir ja schon, als wir uns darüber unterhalten, dass sie die ganze Tour noch vor sich haben und sozusagen noch am Beginn ihres Abenteuers stehen. Für uns steht ja wohl oder übel schon fest, dass wir Nordamerika bald verlassen werden – aber wir können eben auch nicht ewig hier bleiben.
Into The Wild
Als Filmfans steht uns ein kleiner «Leckerbissen» bevor. Ich kenne den Film schon seit einigen Jahren, doch Magdalena hat «Into The Wild» noch nicht gesehen. Das Abenteuer von Christopher McCandless, ein 22-jähriger Student aus einem Vorort von Washington D.C., der im Sommer 1990 eine zweijährige Reise durch die USA beginnt, die ihn schliesslich in die wilde Schönheit Alaskas führt. Mit Rucksack und unter dem Pseudonym «Alexander Supertramp» macht er sich anfangs in seinem Nissan und später zu Fuß mit einem Rucksack auf die Reise nach Fairbanks nahe dem nördlichen Polarkreis, um sich den Herausforderungen eines einfachen Lebens fernab der Zivilisation zu stellen.
Ohne zu viel verraten zu wollen gibt es ein sehr berühmtes Film-Requisit, das man in Healy – wo McCandless Reise hinführte – noch heute bestaunen kann. Der «Magic Bus», der Linienbus 142 des Fairbanks City Transit System diente früher den Stassenbauarbeitern der Yutan Construction Company als Unterkunft. Die Replika wurde am Filmset verwendet und kann heute an der «49th State Brewery Company», in Healy besichtigt werden. Das lassen wir uns natürlich nicht nehmen, und nachdem wir uns am Vorabend «Into The Wild» auf unserem TV zu Gemüte geführt haben, sind wir bei der Besichtigung ganz nah an der Geschichte.
Kleine Bemerkung am Rande: der originale «Magic Bus» wurde mittlerweile in das «Museum Of The North» in der University of Alaska gebracht. Nach zwei Jahren sehr aufwendiger Konservierungsarbeiten ist der Bus seit 2023 so lange nicht mehr für die Öffentlichkeit zugänglich, bis die notwendigen Mittel für die öffentliche Ausstellung auf dem UAF-Campus hinter dem Museum aufgebracht werden können.
Regen-BBQ
Wieder einmal regnet es, obwohl wir grillen wollten. Nach unserem Besuch an der 49th State Brewery finden wir ein schönes Plätzchen in der Nähe von Healy, und eigentlich versprach die Wettervorhersage, dass kein Regen mehr zu erwarten ist. Eine glatte Lüge, doch das kann einen (oder besser gesagt zwei) echte Camper nicht abschrecken. Sven und ich bauen trotz widriger Bedingungen einen schönen Fire-Ring und heizen kräftig ein. Wir haben Glück, dass während einer kurzen Regenpause das Holz richtig schön zu brennen beginnt. So kann auch der kurz darauf einsetzende Regen das Feuer nicht mehr löschen, und unserem Grillabend unter erschwerten Voraussetzungen steht nichts mehr im Wege – obwohl die Mädls der Runde nicht mehr daran geglaubt haben und sich schon darauf vorbereitet hatten, drinnen zu kochen.
Da vor allem meine, aber auch Magdalenas Gesundheit etwas zu wünschen übriglässt, gehen wir den nächsten Tag etwas gemütlich an, während Tina und Sven sich in ein Hochseilgarten-Abenteuer wagen. Wir nutzen die Zeit vorrangig dazu, uns zu kurieren und arbeiten die notwendigsten administrativen Dinge auf. Somit sind wir tags darauf fit für einen ereignisreichen Tag im Denali National Park, der sozusagen vor unserer Nase liegt. Wir fahren bei strahlendem Sonnenschein zum Visitor Center. Von dort aus nehmen wir den kostenlosen Shuttle-Bus, der uns tiefer in den Park bringt. Auf dem Weg zu unserem ersten Stopp verquasseln wir uns dermassen, dass wir glatt verpassen, an unserer Haltestelle auszusteigen. Das haben wir ja schon mal bravourös gemeistert. Aber gut, im Improvisieren sind wir sogar noch besser, und kurzerhand legen wir einen neuen Wanderplan fest. Wir fahren zunächst zum Mountain View und machen die erste sehr kurze Runde – eine gerade mal 1,5 km lange Wanderung, an dem man die Bergspitze des wohl berühmtesten Berges Alaskas und zugleich höchsten Berges in Nordamerika sehen kann – der Denali.
Hoch hinaus: der Denali Nationalpark
Der Denali, der bis vor einigen Jahren noch Mount McKinley hiess, war bereits seit 1975 Streitpunkt und Mittelpunkt vieler Diskussionen – zumindest was die Namensgebung betrifft. Da hatte die gesetzgebende Körperschaft Alaskas die US-Bundesregierung nämlich aufgefordert, den Namen von „Mount McKinley“ in „Denali“ zu ändern. Der Berg war 1896 von einem Goldsucher inoffiziell Mount McKinley genannt worden und 1917 von der Bundesregierung offiziell zum Gedenken an William McKinley, der von 1897 bis zu seiner Ermordung 1901 Präsident der Vereinigten Staaten war, so benannt. Alaska beantragte dann 1975, den Berg als «Denali» anzuerkennen, da dies immer noch der im Bundesstaat gebräuchliche Name war und unter den Ureinwohnern Alaskas Tradition hatte. Diese Änderung wurde wiederholt von Mitgliedern der Kongressdelegation aus Ohio blockiert - dem Heimatstaat des ehemaligen Präsidenten, der dem Berg seinen Namen verlieh. Doch im August 2015 kündigte Innenministerin Sally Jewell an, dass der Name in allen Bundesdokumenten offiziell geändert werde - und während eines Besuchs in Alaska im selben Jahr kündigte Präsident Barack Obama die Umbenennung des Berges an.
Wie auch immer der Berg jetzt genannt werden muss, uns hat er ganz schön beeindruckt. Obwohl wir hier im Denali Nationalpark noch mehr als 120 km vom «North Peak» - der höchsten Erhebung – weg sind, ist der 20,310 Fuss (6,190 m) hohe, schneebedeckte Berg am Horizont als mächtige Spitze erkennbar. Und wenngleich wir schon eine ganze Weile in der Welt umherreisen, ist es doch unser allererster 6.000er, den wir bestaunen können. Auf den Fotos sieht es zwar aus wie eine Wolke und ist kaum als Berg erkennbar, wir sollten aber einige Tage später eine wesentlich bessere Gelegenheit für ein Bild bekommen.
Nach dem kurzen Spaziergang fahren wir mit dem Shuttle weiter zum Savage River. Leider müssen wir uns den Wanderpfad mit recht vielen anderen Touristen teilen, aber natürlich wollen alle die Schönheit Alaskas hautnah erleben. Zumindest erhalten wir genügend Gelegenheiten für ein schönes Bild in das Tal.
Am späteren Nachmittag geht es schlussendlich zu unserer Abschlusstour zum Horseshoe Lake. Alles in allem war es ein wunderbarer Tag, und nach dem etwas trüben Wetter der letzten Tage eine sehr wohltuende Abwechslung. Abends finden wir einen friedlichen Stellplatz mitten im Wald und geniessen die warmen Abendtemperaturen, und unser Abendessen - leckeres Grillgut – können wir draussen essen, während wir dem Sonnenuntergang entgegensehen. So darf es gerne bleiben.
Der nächste Tag bringt noch einmal Sonnenschein pur und wolkenlosen Himmel. Wir fahren durch den Denali State Park am Highway Richtung Süden, und nun bekommen wir erst den ungetrübten Blick auf den mächtigen Denali. Nachdem wir am nördlichen Viewpoint vom Ausblick fast etwas enttäuscht waren, kommen wir am Südlichen umso mehr auf unsere Kosten: ein unverstellter Blick auf das unfassbar mächtige Bergmassiv lässt uns wieder einmal viel mehr Bilder schiessen als eigentlich notwendig. Doch es ist einfach überwältigend, welchen Dimensionen wir hier gegenüberstehen.
Unser heutiges Nachtquartier ist das Bachbett des Susitna Rivers. Die Anfahrt dahin gestaltet sich gar nicht so einfach, als wir plötzlich unerwartet durch einen kleinen «See» fahren müssen. Zum Glück haben wir Sven dabei, der mit Blu erstmal misst, ob man da gefahrlos durchfahren kann. Dem ist so, und so kommen wir schlussendlich am Susinta River an. Heute ist es so warm, dass wir am späteren Nachmittag – verrückt wie wir sind – unsere Badeklamotten montieren und in den Fluss springen – sogar zweimal, denn Magdalena kann gar nicht genug bekommen von der A…ffenkälte. Aber lange halten wir es nicht aus, im Eiswasser fangen unsere Extremitäten sofort an zu kribbeln und sagen dem restlichen Körper und dem Gehirn, dass hier etwas nicht ganz richtig läuft. Und wieder verbringen wir einen wundervollen Tag mit einem Campfire, Kartenspielen und netten Gesprächen mit unseren Reisebuddies.
Schönheitskur
Für uns beide steht bald ein denkwürdiges Treffen an. Wir wissen ja bereits seit einigen Wochen, dass unser Nordamerika-Abenteuer irgendwann ein Ende finden muss. Vorsorglich haben wir also unseren Olli auf Facebook zum Verkauf inseriert – in der Hoffnung, in Alaska einen Abnehmer zu finden. Tatsächlich können wir einige Kontakte zu potenziellen Käufern herstellen. Der erste meldete sich bereit einige Stunden nach Veröffentlichung des Inserats, und seitdem sind wir sehr intensiv in Kontakt geblieben. Ich hätte mir zu Beginn eigentlich gar nicht erwartet, dass daraus etwas wird. Aber wie sich herausstellt ist er wirklich äusserst interessiert, fragt immer wieder nach, wie unsere Reiseroute aussieht und möchte sich nun unbedingt mit uns treffen. Daher nutzen wir den schönen, warmen Abend, um ein paar Stellen an Ollie aufzupolieren und die Stossstange aufzuhübschen. Na ja, nach den ganzen Strapazen in den letzten Monaten hat er sich eine kleine Schönheitskur wirklich verdient.
Mit einer frisch polierten Frontpartie geht es nun nach Anchorage. Hier wollen wir den Wagen noch einmal richtig sauber machen und von oben nach unten reinigen, damit er für das Verkaufsgespräch auch etwas hermacht. Wir fahren zu einer Waschanlage, die ich über Google gefunden habe und die eigentlich mit guten Rezessionen überzeugen konnten. Es stellt sich jedoch als einer der unfreundlichsten Plätze heraus, an denen wir je gewesen sind.
Waschdesaster in Anchorage
Als wir die erste Lanzenwäsche durchgeführt haben, und für gerade mal 5 Minuten Wäsche schon 6 US-Dollar losgeworden sind, wollten wir gerne die Insekten, die sich auf der Motorhaube und auf dem Alkoven angesammelt haben, etwas wegschrubben. Also nehmen wir kurzerhand einen Eimer und einen Schwamm, doch als einer der zwei grosskotzigen Besitzer sieht, dass wir einen (leeren) Eimer aus unserer Heckgarage nehmen, kommt sie wie eine Furie angestapst und wir werden sofort zurechtgewiesen, dass «Handwäsche» verboten ist. Ich erkläre der Hexe, dass ich keine Handwäsche machen möchte, sondern lediglich die Mücken von der Motorhaube lösen, da ihre ach so grandiose Zauber-Waschanlage es leider nicht draufhat. Sie mault uns wiederholt an und sagt, wir dürfen das nicht. Nach einer fünfminütigen Diskussion hätte ich ihr dem Eimer am liebsten um die Ohren gezogen, doch wir reissen uns zusammen und verlassen die unfreundlichste Waschanlage Amerikas, die «Mountain View Car Wash Inc» in Anchorage.
Wir fahren kurzerhand zu einem grossen Parkplatz an einer Shopping Mall und setzen dort unsere Wäsche fort. Begleitet werden wir mit einer Airshow der US-Army. Die Jets fliegen uns im Sekundentakt um die Ohren, und wir können uns kaum aufs Autowaschen konzentrieren. Doch wir schaffen es schlussendlich, und Ollie steht so sauber da, wie noch nie
Liebe Grüsse
Reiseroute
13. – 15. Juli 2024Paxson
US15. – 17. Juli 2024Denali Highway
US18. – 19. Juli 2024Healy
US19. – 20. Juli 2024Cantwell
US20. – 21. Juli 2024Talkeetna
US21. – 22. Juli 2024Anchorage
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